15. Jahrgang | Nummer 22 | 29. Oktober 2012

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Wolfgang Menge, jüngst Verstorbener – Sie haben mehr als einmal bundesrepublikanische Fernsehgeschichte geschrieben. Ihr Ding „Das Millionenspiel“ (1970) begann mit dem Logo eines fiktiven Privatanbieters und lieferte eine Show, in der ein Kandidat vor Auftragskillern und Kamerateams flüchtete, um eine Million D-Mark zu gewinnen. Der Mann rannteum sein Leben. Die Zuschauer wurden aufgefordert, sich zu melden, wenn sie ihn sehen. Werbeblöcke unterbrachen die Sendung. 120 Zuschauer riefen an und wollten bei der nächsten Sendung mitmachen, als Kandidaten oder als Killer. Das war die Vorwegnahme der Schrecknisse des Privatfernsehens, das diese bisher Gott sei Dank nicht zur Gänze eingelöst hat. Unvergessen Ihr Ekel Alfred in „Ein Herz und eine Seele“ (1973-76): „Pizza! Weiß doch kein Mensch, woraus die besteht. Da wird so ein Stück Kuhfladen ausgerollt, dann kommt ein Klecks Tomatensoße drauf und das Ganze kostet dann fünf Mark. Und schmecken tut’s wie toter Friseur!” Unvergessen auch Ihr Ekel „Motzki“ (1993): „Ohne uns wärt ihr doch schon vor Jahrzehnten verhungert. Typisch Ossis. Kriegen es hinten und vorn reinge­steckt. Ihr seid jetzt schon fast drei Jahre Deutsche, wie lang soll das noch dauern, bis ihr alles kapiert habt?“ Sie wurden 88 nicht zuletzt dank uralter Videokasetten mit Aufzeichnungen des DDR-Dauerbrenners „Medizin nach Noten“: Jeden Morgen legten Sie eine Kassette ein und turnen die gymnastischen Übungen mit. Bis zu dieser Art sinnvoller Unvoreingenommenheit haben es manche Ihrer Landsleute auch 22 Jahre nach Vollzug der deutschen Einheit noch nicht geschafft.

Silvana Koch-Mehrin, Ex-Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und Trägerin des Doktorgrades a. D. Der Promotionsausschuss der Universität Heidelberg hat Ihnen im vergangenen Jahr den Doktortitel aberkannt, weil auf den rund 80 Textseiten Ihrer Dissertation über 120 Stellen gefunden worden waren, die als Plagiate zu klassifizieren seien. Diese Episode Ihrer wissenschaftlichen Vita – also sowohl den Erwerb wie auch den Verlustiggang des Titels – halten Sie inzwischen auf Ihrer Homepage (www.koch-mehrin.de) keiner Erwähnung mehr für wert. Mit Stillschweigen übergehen Sie dort auch Ihre Chuzpe, die Entscheidung der Universität gerichtlich anzufechten, weil Sie in ihrer Dissertation zwar Fehler gemacht hätten, Ihnen die Fakultät aber „in Kenntnis dieser Fehler den Titel verliehen“ habe. So meinten Sie jüngst im Interview mit einem Hamburger Nachrichtenmagazin. Die Vorhaltung des Magazins, dass Sie in Ihrer politischen Karriere „nicht als besonders fleißig galten“, ließen Sie im Übrigen nonchalant im Raum stehen, verkündeten aber, 2014 nicht zur Wiederwahl ins Europa-Parlament antreten und der Politik den Rücken kehren zu wollen. Das ist schon mal keine ganz schlechte Nachricht. Zu Ihrer Perspektive äußerten Sie: „Ich […] kann mir auch für die Zeit nach 2014 interessante Tätigkeiten vorstellen.“ Nun – Kurt Tucholsky schrieb einmal: „Die Titelsucht ist heute in Deutschland genau so groß und so gefährlich, wie sie es im Mittelalter gewesen ist. Der Titel […] erspart dem Titelträger jede Tüchtigkeit.“ Ihr Titel ist ja nun perdu – da dürfen wir ab 2014 also richtig gespannt sein, was sonst noch in Ihnen steckt.

Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen), von der Saula zur Paula – Wir haben noch Ihre ebenso euphorischen wie euphemistischen Worte von 2003 im Ohr: Die Arbeitsvermittlung bei angedrohter Leistungskürzung sei „persönliches Coaching durch das Job-Center“, das letztlich ein „Bewegungsangebot“ unterbreite. Und sie setzten noch einen drauf: Es müsse nun „sehr schnell weitere Schritte bei der Rente und der Gesundheit“ geben. Unter Parteifreunden galten Sie fürderhin als Galionsfigur der verhassten neoliberalen Reformpolitik. Jetzt sagen Sie: Sozialpolitik müsse „zuallererst den Menschen im Blick haben“, und natürlich müsse der Hartz-IV-Regelsatz erhöht werden, und Arbeitslose „brauchen ausdrücklich keine Sanktionen“. Wir staunen. Ach so – der neoliberale Touch hat sich nicht ausgezahlt? Sie verloren 2005 ihre Funktion als Fraktionschefin im Bundestag und flogen ein Jahr später auch aus dem Parteirat? Mit Ihrem aktuellen Job im Bundestagspräsidium fühlen Sie sich abgeschoben und wollen nun wieder durchstarten? Ja dann – hoffen Sie wohl auf das kurze Gedächtnis der Wähler …

Peer Steinbrück (SPD), Möchtegern-Bundeskanzler – „Europa ist weit mehr als ein Wechselbalg der Ratingagenturen“, warfen Sie jüngst der Bundeskanzlerin im Hohen Hause den Fehdehandschuh hin. Aus Ihrer Zeit als Bundesfinanzminister an der Seite der Kanzlerin sind uns derart markige Worte und vor allem irgendwelche dementsprechenden Taten Ihrerseits nicht erinnerlich. Aber vor ein paar Jahren tönten Sie ja auch noch in laufende Kameras: Bundeskanzler? Der Zug sei raus. Vielleicht sollte es besser dabei bleiben. Wäre ja nicht das erste Mal, dass das vermeintlich kleinere Übel alle negativen Erwartungen in den Schatten stellte, wenn wir da nur an Kanzler Gerhard Schröder und seinen sozialen Kahlschlag denken. An dem Sie als damaliger Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen tätig mitbeteiligt waren.