15. Jahrgang | Nummer 9 | 30. April 2012

Hans Havemann zum 125. Geburtstag

von Hartmut Pätzke

Hans Havemann ist am 5. Mai 1887 als achtes und letztes Kind eines Saathändlers in Grabow in Mecklenburg geboren, den Thomas Mann in den „Buddenbrooks“ leicht verfremdet als „Kassierer Havermann“ erwähnt. 1911 hat der Sohn an der Münchner Universität mit „Der erkenntnistheoretische Standpunkt Condillacs“, gedruckt in Jena 1912, promoviert.
Die Schaubühne unter der Redaktion von Siegfried Jacobsohn (1881-1926) druckte 1907 erst- und einmalig etwas von dem zwanzigjährigen Hans Havemann: „Der Chopintänzer“, ein Text, den er mehrfach in Zeitungen der zwanziger Jahre unterbringen sollte. Von dieser Begegnung mit dem Begründer der späteren Weltbühne, Siegfried Jacobsohn in dessen Redaktion in Charlottenburg, hat mir Hans Havemann einige Male erzählt. Hans Havemann, Vater von Robert Havemann, wird in Angaben zu dessen Lebenslauf immer als Lehrer bezeichnet. Das war er aber nur von 1914 bis 1924. Fast sieben Jahrzehnte war er Schriftsteller, Journalist und Wissenschaftler. Als Schriftsteller bereits seit 1920 hervorgetreten, ist er vielleicht am bekanntesten unter dem Pseudonym Jan van Mehan geworden, mit dem „Weltgericht. Die Tragödie der Urlaute ‚AEIOU’“. Auch sonst stand er dem avantgardistischen Verlag von Paul Steegemann und dessen Reihe „Die Silbergäule“ sehr nahe. „Das Gegenspiel“, Aphorismen, mehrfach angekündigt, zog er selbst zurück, weil er für die Druckkosten aufkommen sollte. Als Journalist war er bis 1945 für etwa drei Dutzend Zeitungen tätig. 1926 ging er als Feuilletonredakteur der Westfälischen Neuesten Nachrichten nach Bielefeld, Nachfolger von Alfred Kantorowicz (1899-1979), der dort eigene Gedichte unter dem Pseudonym Kant veröffentlicht hatte, für dessen OST UND WEST (Chefredakteur: Maximilian Scheer) er sowohl 1948/49 unter seinem Namen einen Beitrag zum 15. Todestag von Marie Curie als auch unter dem Pseudonym Martin Grabow Rezensionen schreiben sollte. Das Feuilleton der Westfälischen Neuesten Nachrichten war lesenswert, Havemanns zahlreiche eigene Beiträge und die der Autoren, gehörten zu ihnen doch Iwan Goll und Klabund. Als Dramatiker konnte sich Havemann nicht durchsetzen, Jedoch war Stefan Heym recht erstaunt, als er seinem Freunde Robert zum Geburtstag in dessen Wohnung am Strausberger Platz wegen der Namensgleichheit „Die Not in Calais“ von Hans Havemann schenkte, dass der Autor neben ihm saß. Um 1933 waren Vater und Sohn auf sehr unterschiedlichen Wegen, denn Hans Havemann war Mitglied der NSDAP und so Hauptschriftleiter der Westfälischen Neuesten Nachrichten geworden. „Die Not in Calais“ (geschrieben 1918, erschienen 1923) versuchte er gegen „Die Bürger in Calais“ (1914) von Georg Kaiser, (1878-1945) der inzwischen hatte emigrieren müssen, lange in Grünheide wohnhaft, wo später Robert Havemann mit seiner jungen Familie Drangsalierungen ausgesetzt war, auszuspielen, – ohne Erfolg.
„Das Bild des Menschen. Mensch und All im Lichte einer Philosophie des Raums“ ist bei Eugen Diederichs 1937 erschienen. Wissenschaftlich war Hans Havemann seit den zwanziger Jahren tätig.  Sowohl mit Max Planck als auch mit Albert Einstein, der auch einmal in Bielefeld auftrat, hat er korrespondiert. Als „Zeugen des Jahrhunderts“ wollte Hans-Jürgen Treder (1928-2006), eine der drei Personen aus der DDR, die genannt wurden, wenn es um die Verleihung eines Nobelpreises ging, mit Hans Havemann einen Film für das Fernsehen machen. Dazu ist es leider nicht gekommen. Jedoch konnte er ihm 1985 für seine astronomischen Forschungen die „Einstein-Medaille“ der Akademie der Wissenschaften der DDR verleihen.
Ein recht umfangreiches Romanmanuskript, zirka 500 Seiten: „Mensch gib acht! Ein Roman vom Segen und Schrecken der Atomherrschaft“ hatte Hans Havemann aus Mühlberg an der Elbe, wo er zu der Zeit mit seiner Frau lebte, 1948 im Greifen Verlag zu Rudolstadt bei Dr. Rudolf Dietz eingereicht. Es war schon angenommen, geriet dann aber in die stalinistischen Zwänge, erschien so nicht. Von 1949 bis 1952 gehörte Hans Havemann als Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Redaktion des Sonntag, der Zeitschrift des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands, an. Er schrieb lesenswerte zum Teil ganzseitige Beiträge philosophischen und naturwissenschaftlichen Charakters. Mit Detlev Lücke (1942-2007), in den achtziger Jahren Redakteur beim Sonntag, hatte ich einen Nachruf auf Hans Havemann vereinbart. Einer der stellvertretenden Chefredakteure sah sich jedoch genötigt, mir schriftlich zu erklären, dass der Nachruf nicht wegen des Namens Havemann nicht erscheine, sondern weil es nicht üblich sei, eines Redakteurs zu gedenken. Nach seinem Ausscheiden mit 65 Jahren aus der Redaktion des „Sonntag“ war Hans Havemann seit 1959 Mitglied des Redaktionsbeirates der von Reimar Gilsenbach (1925-2001) geleiteten Zeitschrift des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands Natur und Heimat, die im Oktober 1962 mit Wissen und Leben vereinigt wurde. Er war für Geologie zuständig, ein Gebiet, auf dem er auch in der Deutschen Akademie der Wissenschaften arbeitete. Von Gilsenbach sprach er stets mit höchster Achtung. Befreundet war Hans Havemann auch mit dem Maler und Photographen Edmund Kesting (1892-1970).
Ende der siebziger Jahre hat Hans Havemann „Erinnerungen“ aufgeschrieben, die aber nur bis 1914 reichen. Sie bieten ein Bild vieler Begegnungen, bekannter Namen, zu denen Franz Blei, Martin Buber, die Mutter von Wilhelm Furtwängler und dieser selber, als er noch an einen Weg als Komponist und keineswegs als Dirigent dachte, Claire und Iwan Goll, Katia Pringsheim (Mann), Reinhard Piper gehören.
Die Trauerfeier für den am 23. September 1985 nach einem Sturz in der Charité im 99. Lebensjahr Verstorbenen fand am 27. September auf dem Friedhof in Borgsdorf statt, wo seine erste Frau, Else (Elisabeth, von ihm liebevoll El genannt) Havemann geb. von Schoenfeldt (1874-1959), Mutter seiner beiden Söhne, Robert und Hans Erwin (1911-1943), begraben lag. Seine erste Frau, Malerin, hatte schon in München vor dem Ersten Weltkrieg für wichtige Kontakte gesorgt, so zu Iwan Lazang (Iwan Goll) und Reinhard Piper, die in seinem Leben  eine Rolle spielen sollten. Sie unterrichtete Kunstgeschichte an der Kunstgewerbeschule Bielefeld und hatte für die Westfälischen Neuesten Nachrichten unter dem Pseudonym H. Roberwin (zusammengesetzt aus Silben der Namen ihrer Söhne) Kunstkritiken geschrieben.