15. Jahrgang | Nummer 4 | 20. Februar 2012

Mein Freund Theo & die Bratsche

von Klaus Wallendorf

Mein vor einiger Zeit in gesegnetem Alter verstorbener Freund Theo, der Dachschindelhändler in Piding bei Freilassing war, ist schuld daran, dass ich in den Siebzigerjahren zu der Überzeugung gelangte, die Bratsche sei ein leicht spielbares Instrument, das zu Recht mit Hilfe eines Darms zum Klingen gebracht wird.
Wenn Theo nach getaner Arbeit einen schindelfreien Abend vor sich hatte, umgab er sich gern mit konzertierwilligen Studenten des Salzburger Mozarteums, die als Ausgleich für seine großzügige Bewirtung sein autodidaktisch entstandenes Bratschenspiel in Kauf nahmen, das er bei der Bewältigung von Streichquartetten bis hin zur Wiener Vorklassik zu häuslicher Geltung brachte.
Diese Musizierabende zogen sich oft bis in die frühen Morgenstunden hin und erlaubten Theo, die Lagen zumindest bei seinen Weinsorten zu wechseln. Auch der Unterschied zwischen Halben, Vierteln und Achteln ist ihm wahrscheinlich in jenem kühlen Gewölbe bewusst geworden, in dem Sechzehntel keine Rolle spielen.
An ein Werk wie das Kegelstatt-Trio von Wolfgang Amadeus Mozart (Trio für Klarinette, Viola und Klavier in Es-Dur, Köchelverzeichnis 498) etwa hätte sich Theo auch in solchen Zeiten nicht gewagt, in denen er beinahe täglich den Gebrauch der heiklen A-Saite in Erwägung zog.
In seinem Verhältnis zur Bratsche wie auch in der Ehe liebte Theo den Gegenstand seiner Anbetung, beherrschte ihn aber nicht, denn sonst hätte er sich sicher mit seinem Wunsch durchgesetzt, wenigstens eine der drei Töchter Viola zu nennen. So blieb Theo zu seinem und unser aller Glück zeitlebens einer jener zahl- und namenlosen Bratschen-Amateure, die spielerisches Unvermögen davor bewahrte, neben der Leidenschaft auch noch vom Beruf ergriffen zu werden.

Der Autor ist diplomierter Hornist und als solcher seit 1980 Mitglied der Berliner Philharmoniker, aber auch durchaus abwegig tätig. Mit einigen Kollegen zusammen huldigt er zum Beispiel seit etlichen Jahren klassischen und späteren Weisen in einer Form, die als „Kleine Lachmusik“ zu bezeichnen durchaus gerechtfertigt ist und die in größeren Abständen erhört und besichtigt werden kann – etwa in der Berliner „Bar jeder Vernunft“.