15. Jahrgang | Nummer 1 | 9. Januar 2012

Guttenbergs größte Dummheit und (s)eine neue Partei der Mitte

von Kai Agthe

So steil der Aufstieg, so tief der Fall. In den kurzen zehn Jahren seiner politischen Karriere hatte es Karl-Theodor zu Guttenberg so weit gebracht wie kaum ein aufstrebender Politiker. Er war, noch keine vierzig Jahre, erst Bundeswirtschafts- und dann Verteidigungsminister. Dass „KT“, wie der Sonnyboy der deutschen Politik gern genannt wurde, ausgerechnet über seine Dissertation stolpern musste, passt so gar nicht in diesen geradlinigen Lebenslauf. Im März 2011 trat er aufgrund der massiven Plagiatsvorwürfe von seinem Ministeramt zurück. In den folgenden Monaten war es ruhig geworden um den einstigen politischen Hoffnungsträger. Zu Guttenberg ist nicht nur in die USA übersiedelt, sondern seither auch für das „Center for Strategic and International Studies“ in Washington als so genannter „Distinguished Statesman“ tätig.
Man kann es drehen und wenden wie man will: Das Ende einer Karriere sieht anders aus. Oder? Nach einigen Wochen öffentlicher Enthaltsamkeit ist der Politiker nun auch haptisch und medial wieder da. Im November war zu Guttenberg bei einer Tagung in Kanada zugegen und kaum zu erkennen: keine Brille mehr und das kurze Haar ohne Gel. Ein klarer Fall von Imagewechsel. Wenig später erschien dann überdies ein Interview als Buch, das der Zeit-Chefredakteur und Tagesspiegel-Herausgeber Giovanni di Lorenzo geführt hatte. Das Gespräch wurde an drei Oktobertagen und auf neutralem Grund, in London, aufgezeichnet.
Di Lorenzo ist als Interviewer durchaus hartnäckig. Dennoch scheint Guttenberg das Heft des Handelns bei dieser Begegnung insofern in der Hand gehalten zu haben, da er, Guttenberg, verlangte, dass das Interview noch im Jahr 2011 in Buchform erscheinen müsse. Jeder, der sich im Verlagswesen auskennt, weiß, was es bedeutet, innerhalb von vier Wochen – so viel Zeit lag etwa zwischen dem Gespräch und dem Erscheinen des Bandes – ein Buch zu machen.
Guttenberg dürfte bei dieser Vorgabe wohl weniger auf das Weihnachtsgeschäft und mehr auf seine politische Zukunft in Deutschland spekuliert haben. Auch wenn er sagt, er wolle mit dem Interview in Zusammenhang mit seinem aberkannten Doktortitel reinen Tisch machen.
Denn über die „Affäre um seine Dissertation“ gibt es nichts Neues zu berichten. Er variiert seine Begrifflichkeit nur leicht, nennt es „die größte Dummheit meines Lebens“. Um ein Plagiat handele es aber dennoch nicht. Er konnte, da die Doktorarbeit parallel zu seiner politischen Arbeit entstand, nur irgendwann nicht mehr alle Zitate mit Quellen belegen. Ja, bei manchen Textfragmenten meinte er, wegen fehlender bibliographischen Angaben auch nicht mehr sagen zu können, ob diese von ihm oder einem anderen Autor stammten.
Dass er schlampig gearbeitet hat, gibt Guttenberg also zu. Er sollte aber klug genug sein um zu wissen, dass ein Autor immer unterscheiden kann, welcher Text seiner Feder entstammt und welcher nicht. Die Auskunft, dass er Texte nicht mehr namentlich zuordnen konnte, bleibt auch dann eine Ausrede, wenn die inkriminierte Dissertation, wie Guttenberg betont, auf vier PCs entstanden und auf 80 Datenträgern verteilt gewesen sei, bis ein Ganzes daraus wurde.
Natürlich wird auf den 206 Seiten von „Vorerst gescheitert“ nicht nur über die angeblich aus beruflicher Überforderung und groben Verstößen gegen das geistige Eigentum dritter Autoren resultierende Dissertations-Affäre gesprochen, sondern die Themen reichen deutlich weiter. So gibt Guttenberg unter anderem über seine Familie und ihre Geschichte freizügig Auskunft und erklärt auch, woran es der deutschen Politik im Moment gebricht. Je länger man liest, desto mehr kommt man zu dem Eindruck, das Buch sei ein Bewerbungsschreiben. Und das beileibe nicht nur in jener Passage, in der KT auf breitem Raum seine Vorstellungen über eine neue Partei der Mitte artikuliert, deren Parteiprogramm er scheinbar schon ausgearbeitet hat. Oder will er mit derlei Andeutungen potenziellen Arbeitgebern signalisieren, dass er wieder da und fit ist?
Am Ende seines Vorwort schreibt Lorenzo: „Wer also die Rückkehr des Karl-Theodor zu Guttenberg auf die politische Bühne befürchtet, der fürchtet sich nach diesem Buch vermutlich völlig zu recht.“ Das klingt nicht wie eine Verkündung, sondern wie eine sehr ernste Drohung. Denn auch der Buchtitel ist natürlich auf dem ersten Wort zu betonen.

Vorerst gescheitert. Karl-Theodor zu Guttenberg im Gespräch mit Giovanni di Lorenzo, Herder Verlag, Freiburg 2011, 206 Seiten, 19,99 Euro