14. Jahrgang | Nummer 7 | 4. April 2011

Jedermanns Liebling? Nein, danke.

von Regina General

Das wäre für Wolfgang Sabath keine Option gewesen. Ihn interessierte nicht, ob er sich beliebt oder unbeliebt machte. Ihn interessierte, ob er seine Meinung halbwegs deutlich formulieren und seinem Gegenüber vermitteln konnte. Das war oft gar nicht so einfach, denn er suchte den kurzen Weg. Was heißt, er präsentierte den Endpunkt seiner Überlegungen, ließ offen, wie er dahin gekommen war. Das provozierte bei dem einen oder anderen Missverständnisse (gern auch bei den jeweiligen Chefredakteuren), die gelegentlich in lautem Disput ausgeräumt wurden. Dabei schälte sich meist eine bedenkenswerte Logik heraus, die so oder ähnlich ohne ihn nicht beachtet worden wäre.
Als Wolfgang Sabath vom gerade eingestellten Forum zum Sonntag kam, ging ihm der Ruf eines Querkopfes voraus. Gerade so einen konnte der Sonntag gut brauchen, der sich gern als quer sah, aber selten quer war. Sabath verabscheute Floskeln und vorgestanzte Sätze, das ganze „Parteichinesisch“ kam ihm nicht über die Lippen. Seine Zugeständnisse an den in der DDR üblichen Pressebetrieb erschöpften sich darin, gelegentlich auch einmal still zu bleiben. Ansonsten schrieb er: Reportagen, die hinter die Fassade schauten, Kommentare, die sich an Details festmachten und den üblichen Strich verweigerten, Feuilletons, die – entgegen dem Eindruck, den der Mann so gerne hinterließ – einfühlsam, fast sanft daher kamen, Gute-Nacht-Geschichten für Kinder. Sein soziales und politisches Engagement galt immer denen, die selbst keine Stimme hatten. Das war in der DDR so, das blieb so im vereinigten Deutschland. Er konnte nicht anders. Er war einer derer, die Deutungen und Fakten streng unterschieden, sich so von äußeren Einflüssen frei halten konnten, aber niemals die eigenen Erfahrungen vergaßen. Er war geprägt von Herkunft und den 68-Diskussionen an den DDR-Universitäten. Sein umtriebiger Geist sammelte Fakten, stellte sie in das eigene Koordinatensystem und zog seine eigenen Schlussfolgerungen. Der Sonntag profitierte davon. Vor allem in den Wendejahren. Das Wahnsinn-Geschrei beeindruckte ihn wenig. Er verfolgte, was darüber hinaus passierte. Entwarf und betreute sofort eine Seite „Wochenchronik“, in der die Thesen und Debatten rund um die Veränderungen dokumentiert und kommentiert wurden, richtete die journalistische Aufmerksamkeit auf das, was an den trunkenen Wendegewinnern nach der überstürzten Maueröffnung vorbeischwappte. Für ihn war sehr schnell klar, das Interesse der Bundesrepublik würde nicht ewig dauern, wer sich unter die Fittiche von Großkonzernen begibt, gibt sich selbst auf. Eine so kleine Redaktion wie der Sonntag hätte da auch gleich schließen können.
Die Kontakte zur Volkszeitung, die schließlich in der Fusion beider Zeitungen und zum Freitag führten, stellte er her. Dass es diese gegen den Mainstream gebürstete Stimme heute noch gibt, ist mit sein Verdienst. Auch wenn ihm diese Zeitung später nicht mehr angriffslustig genug und oft nicht ausreichend sozial engagiert erschien. Er zog daraus den Schluss, es müsse mehrere Stimmen im linken Spektrum geben und beteiligte sich von Beginn an am Blättchen.