13. Jahrgang | Nummer 16 | 16. August 2010

Vaterrecht und Mutterpflicht

von Ines Fritz

„Es verletzt das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes aus Art. 6 Absatz 2 Grundgesetz, dass er ohne Zustimmung der Mutter generell von der Sorgetragung für sein Kind ausgeschlossen ist und nicht gerichtlich überprüfen lassen kann, ob es aus Gründen des Kindeswohls angezeigt ist, ihm zusammen mit der Mutter die Sorge für sein Kind einzuräumen oder ihm anstelle der Mutter die Alleinsorge für das Kind zu übertragen.“

So lautet der Leitsatz zum Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 (Aktenzeichen: 1 BvR 420/09). Die Diskussion in den Medien rankt sich nun darum, ob den bis dahin diskriminierten Vätern mehr Rechte eingeräumt werden müssen und wie diese konkret auszusehen haben. Im Kern besteht jedoch Einigkeit, weiterhin die Mütter zur Mutterschaft zu verpflichten, aber dabei das väterliche Sorgerecht nicht mehr an die Zustimmung der ledigen Mutter zu binden. Die Rechtsposition der ledigen Väter wird gestärkt, der Rest bleibt so zweifelhaft wie vorher. Auch morgen hat ein geborenes Kind auf jeden Fall eine zur Sorge berechtigte und verpflichtete Mutter, aber auf einen Vater darf es nur hoffen. Der Familienrechtsexperte Horst Luthin bestätigt im Interview mit der Süddeutschen Zeitung die schlimmen Vermutungen: „Der Vater muss ja nicht von seinem neuen Recht Gebrauch machen. Die, die nichts von ihrem Kind wissen wollen, werden nicht zu ihrem Glück gezwungen.“ Mütter werden zu ihrem Glück gezwungen, mit der Geburt. Sobald ein Kind geboren wird, erhält die Mutter das Sorgerecht und die Sorgepflicht. Es heißt: Im Übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge. Darüber wird nicht gestritten. Gleichberechtigung sieht anders aus.

Beginnt die Debatte um Elternrechte aber mit der „Diskriminierung der ledigen Väter“ und fordert mehr Rechte für Väter, so ändert sich rein gar nichts an der Ungleichheit. Jedenfalls nicht für Frauen. Immer noch sind Mütter mit der Geburt der erste Elternteil, der Verantwortung zu übernehmen hat und dem Kind gegenüber verpflichtet ist. Ein lediger Vater kann das Sorgerecht fordern, muss es aber nicht. Mütter gehen mit der Geburt und wegen der Rechtslage die erste und oft genug einzige Verpflichtung gegenüber ihrem Kind ein. Das väterliche Sorgerecht von der Zustimmung der Mutter abhängig zu machen, ist nicht gerecht, aber in Deutschland wird der Gebärenden ab der Geburt des Kindes das Recht eingeräumt, einen Vater zu suchen oder es zu lassen. Darauf verzichten kann sie nicht, sobald sie entbindet, ist sie die Mutter. Die Leiblichkeit ist Voraussetzung für das mütterliche Sorgrecht, nach dieser Sicherheit streben auch Väter. Darum sind Leihmutterschaften in Deutschland verboten. Für Mütter gibt es das Sorgerecht und vor allem eine Sorgepflicht. Die Bindung des mütterlichen Sorgerechts an die Geburt steht derzeit leider nicht zur Diskussion. Zukünftig soll jedoch das mütterliche Sorgerecht nicht mehr gegen den ledigen Vater einsetzbar sein, wenn der denn das Sorgerecht will. Kindlicher Umgang mit diesem Vater heißt das nicht. Auch steht ihm frei, das Sorgerecht zu wollen. Ihm steht auch frei, es gegen Mutter und Kind einzusetzen. Eigentlich eine großartige Angelegenheit, wenn es denn für alle gelten würde, auch Frauen.

Es sieht nach dem Stand der Diskussion nicht nach einer vernünftigen, egalitären Lösung aus. Männer wie Familienrechtsexperte Luthin finden es ungerecht, wenn nur die Vaterschaft das Sorgerecht mit sich bringt. Über den Zusammenhang zwischen Mutterschaft und Sorgerecht macht er sich keine Gedanken. Auf Grund der besonderen Interessen der Diskutanten gibt es leider keine qualifizierte Auseinandersetzung: Diskutiert wird — wie so oft — lediglich der Ausbau der Väterrechte. Die Besserstellung der willigen, ledigen Väter ist politisches und populistisches Hauptziel. Die Gleichberechtigung der Eltern ist leider kein Thema. Die ideale Lösung für beide Probleme, die Zwangsverpflichtung der Mütter sowie die Ohnmacht williger Väter, bestünde in einer freiwilligen und selbst bestimmten Elternschaft per Anerkenntnisverfahren, und zwar unabhängig von der Biologie und der Beziehung der Eltern zueinander. Mit dem Anerkenntnis wird das Sorgerecht gewährt. Selbstbestimmte Elternschaft fordert nämlich keine leibliche Abstammung. So ist es jedenfalls seit 1998 in Frankreich für meine Begriffe optimal und mit vorzeigbaren Erfolgen geregelt. Solange die Fähigkeit zu gebären die Rechtslage begründet — so wie derzeit im Bürgerlichen Gesetzbuch der Fall — kann Gleichberechtigung nicht erreicht werden.

Hier muss der Feminismus als Korrektiv einer einseitigen Diskussion noch mal etwas lauter werden.