13. Jahrgang | Nummer 10 | 24. Mai 2010

Filme aus dem Dreiländereck

von Frank Burkhard

Görlitz ist seit Jahrzehnten eine beliebte Filmkulisse. Erwin Geschonneck und Kate Winslet haben hier schon (nicht gemeinsam) vor der Kamera gestanden. Besonders in den letzten Jahren, da Görlitz jährlich die „Altstadtmillion“ von einem anonymen Spender erhält, sind ganze Straßenzüge denkmalgerecht saniert worden. Daß die Nachbarstadt Zittau keine Altstadtmillion erhält, sieht man. Im an sich schönen historischen Stadtkern finden sich noch viele Ruinen, deren Sanierung wünschenswert wäre.

Trotzdem oder gerade deshalb haben sich in jüngerer Zeit immer wieder Filmemacher die Stadt als Spielort gewählt. Das zeigte sich gerade wieder beim 7. Neiße-Filmfestival, das auf der Ausweichbühne des in Sanierung befindlichen Gerhart-Hauptmann-Theaters mit in Zittau gedrehten Filmen eröffnet und beschlossen wurde. In Andreas Kleinerts neuem Film „Barriere“ spielt Matthias Habich einen altersweisen Regisseur, der in Zittau junge Schauspieler für eine Hamlet-Aufführung auf der benachbarten Freilichtbühne Oybin testet, ohne ein Unglück verhindern zu können. In Robert Glinskis an der deutsch-polnischen Grenze angesiedeltem Sozialdrama „Ich, Tomek“ (derzeit in vielen Kinos) spielen neben dem Jungen Filip Garbacz (der ein Festivalliebling war) auch Rolf Hoppe in einer Nebenrolle und Zittaus Oberbürgermeister Arnd Voigt als Statist. Eine fehlgeleitete Jugendpolitik, Langeweile und der Wunsch nach Geld führen dazu, daß ein aufgeweckter Schüler in die Prostitution abgleitet.

Das gleiche Thema behandelt der Film „Galerianki“, das Debüt der Polin Katarzyna Roslaniec über eine Clique von Mädchen, die sich „Sponsoren“, also Freier suchen, um ihre Sucht nach der besten Markenware zu befriedigen. Jegliche menschlichen Gefühle bleiben dabei auf der Strecke. Der sehr harte Film erhielt den Zuschauerpreis des Neiße-Filmfestivals. Auch der Hauptpreis ging nach Polen. Xavery Zuławski hat den Roman „Polnisch-russischer Krieg“, den Dorota Masłowska als 18jährige über die Perspektivlosigkeit polnischer Jugendlicher der Gegenwart schrieb, unter dem Titel „Schneeweiß und Russenrot“ in einem anspielungsreichen, mit surrealistischen Elementen versehenen Film umgesetzt, dessen Symbole sich aber nicht immer erschlossen.

Den zweiten Preis erhielten mit Nepomuc von Kornmann und Alexander F. Zieglarski, eindrucksvoll improvisierende Hauptdarsteller des deutschen No-Budget-Films „18 Bilder/Sek“ von Tobias Greber, der auf dem Festival seine Uraufführung erlebte. Er schildert die Odyssee zweier junger Männer in einer ihnen fremd gewordenen Welt, die sie mit einer Schmalfilmkamera neu sehen.

Unter den anderen deutschen Wettbewerbsfilmen ragte Tatjana Turanskyjs „Eine flexible Frau“ heraus. Mit starkem Stilwillen erzählt sie von einer Architektin, die in ihrem Beruf keine Arbeit findet und verbindet Privates mit Sozialem und Betrachtungen über die Funktion der Architektur.

Unter den tschechischen Wettbewerbsbeiträgen fanden die Filme „Operation Donau“ (in Koproduktion mit Polen) und „Englische Erdbeeren“, die auf ihre Weise von skurrilen Episoden in Zusammenhang mit der Besetzung der CSSR im Jahre 1968 erzählten, beim Publikum Anklang. Sie waren weniger verbissen als beispielsweise deutsche Produkte zu Themen der jüngeren Vergangenheit.

Ergänzt wurde das Programm, das nicht nur in Großhennersdorf und Zittau, sondern auch in anderen Städten der Region und in tschechischen und polnischen Spielstätten stattfand, von einem Kurzfilmwettbewerb, einer der Schauspielerin Monica Bleibtreu gewidmeten Retrospektive, einer Balkan-Filmschau und einem Dokumentarfilmprogramm, in dem unter anderem Volker Koepps sehenswerter Film „Berlin – Stettin“ und Bernhard Sallmanns vielleicht etwas selbstverliebter Streifen „Träume der Lausitz“ (auch derzeit im Kinoeinsatz) zu sehen waren.

Die Leistung, ein solches Festival im Dreiländereck zu veranstalten, wiegt umso schwerer, wenn man weiß, daß die Festivalorganisatoren ehrenamtlich arbeiten und viele von ihnen für ihre Kinoleidenschaft Urlaub nehmen. Hut ab!