13. Jahrgang | Nummer 7 | 12. April 2010

Mozartiade

von Renate Hoffmann

Herr Mozart junior (1756-1791), der die Taufnamen Johannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus trug,  sich aber Amadeus nannte, weil es gefälliger, „anmachiger“ klang – wie man in Salzburg sagt – übersiedelte 1773 mit der Familie von der linksufrigen Getreidegasse Nr. 9 zum rechtsufrig der Salzach gelegenen damaligen Hannibalplatz. Es geschah wegen der  häuslichen Enge. Herr Mozart senior schrieb an seine Frau (1771): „So wie wir unter einander schliefen, können wir nicht mehr seyn; der Wolfgang ist nicht mehr 7 Jahre alt …“

Nein, beim Wohnungswechsel zählte der Knabe bereits siebzehn Jahre. Seine Produktivität war in vollem Gange. Zwischen Reisen und Rückkehr nach Salzburg komponierte er bis 1780 in diesem Hause, fast rauschhaft, eine Fülle musikalischer Werke.

Das Gebäude zu bewahren, verstand sich von selbst. 1944 erlitt es durch einen Luftangriff schweren Schaden, wurde nach alten Vorlagen sorgfältig rekonstruiert – und kann zu Nutz und Frommen wieder besucht werden, am Makartplatz Nr. 8.

Nicht in die Beletage der Mozartschen Familie wollte ich, das Heiligtum des Hauses, den Autographenkeller, darf ich betreten. Hochgesicherter Eingang. Vollklimatisierte Ehrfurcht. In den Vitrinen liegen die Raritäten. Briefe vom Vater an den Sohn, vom Sohn an den Vater. Mit rascher Hand beschriebene Notenblätter, kaum von einer Korrektur unterbrochen. Lustvolles Spiel mit Wörtern (waren es ihr Rhythmus und ihr Klang, denen Wolfgangus verfiel?). Verschollene Autographen, die ein glücklicher Umstand wieder ans Licht und in die Schatzkammer brachte, wie das unlängst erworbene Thema mit Variationen der Nummer 265 im „Köchel“, welches jedem als „Morgen kommt der Weihnachtsmann …“ im Ohr klingt.

Und das allerletzte (bisher bekannte) Porträt des Maestros, direkt aus dem Leben gegriffen; von dem man weiß, wo, wann und von wem es mit Silberstift und schwarzer Kreide in feinster Manier gezeichnet wurde. – Die Umstände: Der Compositeur M. auf der Reise nach Dresden. In Begleitung des Fürsten Karl Lichnowsky. Eintreff in der Stadt: den 12. April 1789; Abstieg im „Hôtel de Pologne“.

Besuche bei Musikerkollegen und bei Hofe; eifriges Konzertieren; Orgelwettstreit in der Hofkirche. Und Einkehr – wiederholt – bei Oberkonsistorialrat Christian Gottfried Körner. Des Hausherrn wegen – mehr noch Dorchen (Dorothea) Stock (1760-1832) zuliebe, Schwägerin des angesehenen Herrn Körner und geschätzte Malerin. Dazu von Geist und Anmut. Amadé verguckt sich geschwinde in Doris. Und Doris, einfühlsam wie sie ist, porträtiert Amadé.

Ein zartes Köpfchen mit einem Zöpfchen, geringelte Härchen um das Öhrchen. Ein hoher Kragen, umgeschlagen. Und am Halse, Comme il faut – ein Jabot.

Doris Stock gibt ihn im Profil, den Wolfgang Amadeus. Das Medaillon, klein und zierlich wie die Zeichnung, hat die Ausmaße von 76 x 62 Millimetern. Mund und Kinnpartie dem Genuß nicht abgeneigt; die Nase, von der es hieß, sie sei „knollig“ gewesen, veredelt Dorchen klassisch. Nun erst das Auge. Mit einem Tupfen Deckweiß gehöht, schaut es konzentriert, als sähe es in überirdische Gefilde. – Das ist nicht das quirlige, lustige Wolferl. Es ist der, seinen „geschwinden Noten“ verfallene, von ihnen besessene W.A. Mozart.

Es mag zur Mittagsstunde am 16. oder 17. des Monats im Körnerschen Hause gewesen sein. Amadeus war willkommen. Er ging zum Pianoforte und begann zu spielen. Ohne Unterlaß. Am gedeckten Tisch wurde die Suppe kalt, erzählt Doris Stock. Die Einladung zum gemeinsamen Mittagessen hörte er und hörte sie auch nicht. Auf diese Weise genoß die Gesellschaft „die ausgesuchteste Mozartsche Tafelmusik, und (wir) fanden ihn nach Tische noch am Instrumente sitzen.“

Da wohl griff Dorchen zum Zeichenstift und setzte den von Tönen trunkenen, in Töne versunkenen Herrn Mozart ins Bild.