13. Jahrgang | Nummer 8 | 26. April 2010

Die Ossi-Legende, Teil 2

von Max Hagebök

Habe ich eigentlich Teil 1 schon geschrieben? Ist es überhaupt notwendig, über ein Volk zu sinnieren, welches in die Weiten des Alls verschwand? Sind uns die Vogonen nicht viel näher und deren Lyrik?

Genug, es gab einen Auftrag und den erfülle ich hiermit.

Wer darf sich als Ossi bezeichnen? Diese Klarstellung scheint mir von Nöten, wenn der Fall der Gabriela S. aus dem schwäbischen Höhen überhaupt ein Gleichnis für das Werden der Deutschen in der dritten Dekade ihres geglückten Mißverständnisses sein kann.

Alle Betrachter haben sich bisher an dieser eminent wichtigen Frage vorbei gemogelt. Sie wurden Opfer einer Schluderei des möglichen Arbeitgebers der S. Dieser hatte in seiner schwäbischen Borniertheit den Geburtsort gleichgesetzt mit dem letzten Wohnort. Sprich: in der DDR geboren, also für immer Ossi. Was den schwäbischen Wessis völlig abging, war die bittere Erkenntnis, daß die S. schon vor dem Mauerfall rüber machte. Also zum Zeitpunkt des Falles schon eine Wessi war. Betrachten wir den Fall unter diesem Gesichtspunkt, dann wird es bitter. Eine sich frühzeitig aus dem Lebenslauf als Ossi Verabschiedete klagt plötzlich etwas ein, was sie selbst und freiwillig aufgegeben hat. Das ist eine bodenlose Sauerei, aber typisch Wessi. Kaum fällt die Marmeladenstulle auf die falsche Seite, wird der Schwerkraft die Schuld gegeben.

Damit hat sich mein Auftrag erledigt und ich neige dazu, die Akte Gabriele S. zu schließen. Doch es wurmt mich trotzdem, dass ein solcher Fall zu wenig verstanden wird. Denn lassen Sie es uns genauer betrachten. Gesetzt den Fall, die gute Frau wäre als Beute den Schwaben zugefallen und sie hätte eine Ossi-basierte Ablehnung erhalten, dann kann ich nur sagen, es ist gerecht. Jawohl.

Was bilden sich die Ossis ein? Typisch ist deren fehlende Bereitschaft, sich auf ihre ursprünglichen Fähigkeiten zu besinnen. Wenn sie dies tun würden, dann kämen die Wessi-Arbeitgeber nicht in die unglückliche Lage, die Ossis in ihre natürlichen Arbeiten zu zwingen.

Was sind also typische Berufe für den Ossi?

Grandios ist der Ossi als Verkäufer. Übersehen wir einmal seine Meisterleistung, die DDR an die Wessis zu verkaufen. Gebraucht gegen neu. Mit einem Handgeld oben drauf. Macht ihnen keiner so schnell nach.

Doch es geht auch kleiner. Der Ossi kann großartig Versicherungen, Zeitschriftenabos und Gesinnungen verkaufen. Dies beruht auf seiner sagenhaften Fertigkeit, sich blitzschnell auf sein Gegenüber einzustellen. Dessen Wünsche zu erkennen und diese kompatibel für die eigenen Interessen zumachen, ist die Formel seines Erfolges.

Und wo hat er dies gelernt? Beim Altstoffsammeln. Knochenhartes Türgeschäft. Klingeln, freundliches Gesicht und sofort den ersten Eindruck verarbeiten. So bald das potentielle Opfer die Tür freigab, war der Sieg bei den Jungpionieren. Omas hatten immer gebündelte Zeitungen. Brachte Kohle. Opas hatten meistens Knüllpapier. Manchmal konnte nachträglich gebündelt werden. Härter waren die Turnhemden und Trainingshosen der Dickbäucher. An deren leeren Flaschenvorrat war schwer ranzukommen. Die rechneten selbst in Groschen. Aber auch sie verloren.

So gibt es verschiedene Merksätze, die den Ossis und den Wessis helfen, sich zu verstehen und den richtigen Platz für den Ossi in der Arbeits- und Lebenswelt zu finden.

Nur eine kleine Auswahl und unkommentiert.

Denunzieren geht vor integrieren. Siegen kann man nur allein. Menschelnd egoistisch sein. Unpolitisch an die Macht. Ohne Utopie erfolgreich sein. Mangel macht gesund. Improvisieren nach Plan. Verlust macht glücklich. Mit diesen wenigen und klarsichtigen Erkenntnissen findet sich für den Ossi immer die richtige Arbeit.

Nur sollte es ein richtiger Ossi sein. Dann wird es auch mit der Einheit.