13. Jahrgang | Nummer 8 | 26. April 2010

Der Bomber vom Kundus

von Martin Nicklaus

Nur, damit wir alles richtig verstehen: Zwei im Schlamm festsitzende Tanklaster waren eine Bedrohung für ein Bundeswehrcamp, das sich eigentlich selbst gegen fahrende verteidigen können sollte, andernfalls seinen Untergang beinahe verdient hätte. Anderntags waren dann hochrangige Taliban der Bombengrund, obwohl man auf Seiten der Bundeswehr Freund und Feind nicht zu trennen weiß und schon mal die eignen Verbündeten abschießt. Und dem Gegner dabei ein Höchstmaß an Verblödung unterstellt, sich an derart prominenter Stelle zum Abschuß einzufinden, daß man ihn als wahrhaften Gegner eigentlich schon kaum noch respektieren möchte.

Dann war der Einsatz von Seiten des umgangssprachlichen Kriegsministers zuerst angemessen, weil Subalterne wichtige Unterlagen vorenthielten. Nach der Literaturrecherche erkannte der Minister den Einsatz als unangemessen und meinte später, die Beiden, inzwischen wegen Insubordination gefeuerten Militärs, hätten selbstverständlich diese Insubordination nicht begangen.

Suspendiert wurden die beiden Bomberpiloten und der dem Haupttäter unterstellten Funker, während beim Haupttäter Oberst Klein, trotz aller Unangemessenheit, trotz der Kompetenzüberschreitung, der Amtsanmaßung, der Unterbindung der für solche Fälle vorgeschriebenen Verfahrensweise, lediglich das Ermittlungsverfahren suspendiert wurde und er fröhlich durch die Lande tingelt und Interviews gibt, in denen er sich ausbreiten darf über sein seelische Not beim Schießbefehl.

Nun, so wie die Dinge stehen, wird da wohl bald ein Trostpflaster in Form höchster Auszeichnung drübergeklebt. Immerhin darf er sich stolz Erster Staatlicher Massenmörder seit 1945 nennen. Nebenbei sehen wir an diesem Beispiel, was der oft geschmähte Staat zu leisten vermag, stellt doch die Arbeit des Oberst am Kundus die in privater Initiative erreichten Ergebnisse von Winnenden und Erfurt deutlich in den Schatten.

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Sie lebt noch

„Im Krieg stirbt zuerst die Wahrheit“ heißt es gemeinhin, was insofern einer Grundlage entbehrt, als auch der Weg in den Krieg, nach Clausewitz die „Fortführung der Politik mit anderen Mitteln“, in Abwesenheit der Wahrheit beschritten wurde. Politik und Wahrheit stellen an sich zwei inkompatible Komplementäre dar. Beispielsweise fand gerade Greenpeace heraus, Gorleben hätte nach den wissenschaftlichen Voruntersuchungen nie in der engeren Wahl für ein Atomendlager stehen können. Erst nachdem jemand den Standort handschriftlich auf der Liste ergänzte, fiel die politische Entscheidung – trotz fehlender Eignung, innerhalb kürzester Zeit – zu seinen Gunsten. Soll man jetzt sagen, als erstes wurde die Wahrheit verstrahlt und starb einen qualvollen Krebstod? Nein, denn politische Beratungen finden, wie gesagt, gänzlich ohne Wahrheit statt. So lautet die Frohe Botschaft: Die Wahrheit lebt! Sie lustwandelt, unabhängig von Jahreszeiten und Moden, nackt durch die Lande. Jene, die fein von Sinnen, können ihre Botschaft hören:

„Wer einen Krieg führt, und sei es ein umgangssprachlicher, begeht Massenmord. Er mordet die vermeintlichen Gegner und er mordet jene eigenen Mitbürger, die er im Gewand von Soldaten zu seinen Schlachtwerkzeugen instrumentalisiert. Wer vorgibt, den Terror zu bekämpfen und dabei Zivilpersonen, insbesondere Kinder tötet, ist selbst der Terror“.