13. Jahrgang | Nummer 4 | 1. März 2010

Feuchte Gebiete

von Henryk Goldberg

Nein, ich werde wohl wieder keine Blumen gekauft haben. Daran kann man deutlich erkennen, daß ich mich durch das Regime nicht habe beeinflussen lassen. Anders als viele unserer Frauen und Mädchen. Vor allem diese, die ganz jungen Mädchen wurden ideologisch und moralisch manipuliert. Deshalb neigen in der DDR geborene Mädchen wie der Magdeburger Gynokologe und Hobby-Soziologe Wolfgang Böhmer einmal darlegte, dazu, heute als erwachsene Frauen ihre Kinder umzubringen. Der Autor vermag aus eigenem, leidvollen Erleben zu bestätigen, wie brutal, wie verroht unsere Frauen und Mädchen waren.

Der 8. März war so etwas wie Vatertag für Frauen. Eines schlimmen Märztages, das Theater Erfurt war auf Abstecher in Arnstadt, muß irgendwie der Bus ausgefallen sein, mit dem sie uns Kulissenschieber wieder nach Hause fuhren, wenn die Kulissen abgebaut waren. Und irgendwie müssen sie dann diesen anderen Bus aufgetrieben haben, der uns mitnahm. Darinnen befanden sich fröhliche Bürgerinnen, rückkehrend von der Frauentagsfeier, bei welcher Gelegenheit der BGLer wohl den einen oder anderen Eierlikör ausgereicht haben mußte. Ich trug, wir kamen von der Arbeit, eine Fellweste über dem Unterhemd und Jeans mit Löchern. Hallo, Kleiner, begrüßten die Damen mich, 18, 19 Jahre alt, launig und begannen, meine Verwertbarkeit zu diskutieren, nicht ohne mich gelegentlich um Bestätigung oder Verneinung ihrer heiter angestellten Vermutungen zu bitten. Vielleicht habe ich auch deshalb noch nie einem Mädchen hinterhergepfiffen, weil ich seit dieser Busfahrt ahne, wie es sich anhört. Auch ahne ich, daß die Töchter dieser brutalen Frauen-Generation beinahe zwangsläufig zu Kindsmörderinnen werden müssen. Vielleicht aber gibt es einen therapeutischen Ansatz, vielleicht vermag fremdes Leid unsere Frauen und Mädchen zu sensibilisieren. Vielleicht, daß Sie, liebe Frauen und Mädchen, heute einmal erfahren sollten, was sie sich nie zu fragen trauten. Alle sprechen über die Feuchtgebiete von Charlotte Roche, aber niemand über die des Mannes. Das Jungs-Klo.

Wenn Frauen gezwungen wären, diesen Ort auf diese Weise zu benutzen, dann würden sie aufhören, wegen diesem klitzkleinen Problemchen, daß sie einmal im Monat für ein paar Jahre haben, so ein Gedöhns zu machen. Unsereins hat ein tägliches Problem und das ein Leben lang, und es wird, am Rande zu erwähnen, nicht leichter mit den Jahren. Zur Vermeidung dieses Problems sind die längeren Wartezeiten, etwa in der Theater-Pause, ein geringer Preis. Es ist nämlich, unter uns Frauen gesagt, ein Erlebnis von sehr eingeschränktem Unterhaltungswert, neben einem urinierenden Mann zu stehen.

Links, rechts. Und angestrengt die Wand anschauen und denken: Ich bin das gar nicht, das ist nur mein Körper, mein Astralleib hingegen schwebt irgendwo in esoterischen Fernen. Derweil bleibt die urologische Nähe. Und die des Nachbarn. Irgendeiner der benachbarten Benutzer verspürt häufig noch einen anderen Drang, den, sich mitzuteilen. Schöner als hier ist es nur beim Arzt, wenn die Patienten ihre frische Urinprobe durch das Spalier der wartenden Damen und Herren tragen. Aber die Herrentoilette, das ist der tägliche Horror. Wenn ich mich traute, dann hinge ich mir ein Schild um den Hals oder worum auch immer: Bitte nicht stören, ich pinkele gerade. Aber ich trau mich nicht, ich antworte.

Vielleicht, das war der aristoetelisch-kathartische Gedanke, daß es zur Sensibilisierung unserer im Osten verrohten Frauen und Mädchen beitrüge, wenn diese zwangsverpflichtet würden zu einer Führung durch eine in Benutzung befindliche Herrentoilette. Aber nicht am Frauentag.