13. Jahrgang | Nummer 1 | 18. Januar 2010

DAS NACHLASSVERZEICHNIS KURT TUCHOLSKYS

Vorwort

Fast 75 Jahre ist Kurt Tucholsky nun bereits tot, dahingeschieden im einsamen schwedischen Exil, verzweifelt an der erfahrenen Unfähigkeit menschlicher Majoritäten, dem Bösen zu widerstehen, das da mit den Nazis über Deutschland und auch, für den „gewesenen Dichter“ absehbar, über Europa und die Welt gekommen war.
Aber „Tucho“, wie ihn jene nannten, die – ob als persönlich Bekannte oder verehrende Leser – seine Freunde waren, lebt in vielen, vielen Herzen bis heute weiter. Dafür hat seine reiche literarische und publizistische Hinterlassenschaft Sorge getragen. Gerade wer sich heute mit Letzterer beschäftigt, weiß um die Weitsicht dessen, den seine Zeit darob so tief deprimierte.
Tucholskys Leben und Werk lassen jene, die sich einmal darauf eingelassen haben, nicht los. Zwei Berliner Tucholsky-Verehrern und gleichsam -Forschern geht es seit langem ebenso: Professor Sven Ekdahl, der als schwedischer Archivar und Historiker seit 30 Jahren in Berlin lebt und arbeitet, und dem Internisten Doz. Dr. sc. med. Hans-Christian Weber.
Den Kontakt zu seiner einstigen Arbeitsstätte, dem Landesarchiv Göteborg, nutzend, hat Sven Ekdahl nun das Original jenes Nachlaßverzeichnisses von Kurt Tucholskys persönlicher Habe aufgestöbert, es einsehen, mit seiner Kamera abfotografieren und übersetzen können, das dort nach seinem Tod am 21. 12. 1935 abgelegt worden ist. Bislang existiert nach Kenntnis der Autoren des folgenden Materials lediglich eine schwedischsprachige Kopie des Nachlasses im Deutschen Literaturarchiv in Marbach. Seine dank Ekdahls nun vorliegende vollständige Übersetzung kann Blättchen-online nun einer breiteren interessierten Öffentlichkeit vorstellen.
Das Blättchen, das Zeit seiner 12jährigen Existenz – nicht zuletzt durch den Nachdruck zahlreicher Weltbühnen-Texte – das Andenken an Kurt Tucholsky wachzuhalten versucht hat, dankt Sven Ekdahl und Hans-Christian Weber für dieses Vertrauen.
Wer Kontakt mit Sven Ekdahl und Hans-Christian Weber aufnehmen möchte, wende sich bitte an uns.

Die Redaktion


Spurensuche

von Sven Ekdahl

Es war zunächst ein übliches Arzt – Patient-Gespräch gewesen, zwischen dem Bucher Internisten Dr. Weber und mir, dem schwedischen Historiker aus Göteborg, der seit dreißig Jahren in Berlin lebt. Aber es dauerte nicht lange, und die Rede über Cholesterin- und Blutdruckwerte wich einem weit interessanteren und vor allem erfreulicherem Thema. Die Kette Schweden – Göteborg – Hindås führte bald zu einem angeregten Gespräch über Kurt Tucholsky, der in den Abendstunden des 21. Dezember 1935 in dem Sahlgrenska Krankenhaus in Göteborg starb, nachdem er einige Stunden zuvor in seiner „Villa Nedsjölund“ in Hindås bewußtlos aufgefunden worden war. Der Tucholsky-Enthusiast  und „Kümmerer“ Dr. med. Weber und ich, ehemaliger Mitarbeiter des Landesarchivs Göteborg, hatten schnell eine gemeinsame Antenne ausgemacht, und wir waren uns bald einig in der Ansicht, daß es noch viele ungeklärte Fragen zum Tode Tucholskys gebe, und daß andererseits auf viele Fragen zu vorschnelle Antworten gefunden worden waren. Der Arzt und ich nahmen uns heraus, jenseits von der etablierten Geschichtswissenschaft und unabhängig von ihr, quasi ein kleines „Forschungsprojekt“ zu etablieren. Wir hofften, so etwas zur Aufhellung bislang unbeantworteter Fragen beitragen zu können. Zunächst verabredeten wir, einen Aufenthalt H.-C. Webers in Göteborg zu nutzen, um dort mit dem ehemaligen Arzt und Tucholsky-Forscher Carl Olof (Olle) Hambert Kontakt aufzunehmen. Denn der hatte sich lange und intensiv mit den Krankheiten und mit dem Tode des Schriftstellers befaßt. Ergebnisse seiner Nachforschungen hatte er unter anderem in den „Tucholsky-Blättern“ publiziert (Heft 2/1994). Aber am 24. Mai 2009 teilte uns Hamberts Tochter mit, ihr Vater sei wegen einer fortgeschrittenen Alzheimer-Erkrankung mit totalem Gedächtnisverlust zu keinen konstruktiven Gesprächen mehr fähig und könne keinerlei Impulse mehr vermitteln oder Hinweise geben. Trotz dieser Enttäuschung beschloß ich, das Landesarchiv Göteborg, meine alte Arbeitsstelle, in der Hoffnung aufzusuchen, dort doch noch die eine oder andere bislang unbekannte Quelle in „Tucholsky-Angelegenheiten“ ausfindig machen zu können. Von der Archivarin Christine Hiller erfuhr ich dann zu meiner Überraschung, daß in Gerichtsakten das Nachlaßverzeichnis des Schriftstellers, aufgenommen am 20. März 1936 in Hindås, aufbewahrt werde. Und: Es sei noch nie zum Druck herausgegeben worden. Und: Es spräche absolut  nichts dagegen, wenn Dr. Weber und ich nun genau das täten … Übrigens hatte auch Christine Hiller schon zu Tucholsky publiziert: In der Publikation „A Presentation for the EU Summit June 2001, by the Regional Archives and the City Country Archives“, ed. by Beata Losman (Arkiv i Väst, Landsarkivets skriftserie 5), Göteborg 2001, Seiten 48 – 49 gibt es von ihr einen kurzen Beitrag „What did Kurt Tucholsky do in Hindås?“ Deshalb hatte sie natürlich sofort dafür Verständnis, daß wir uns so eine Gelegenheit nicht entgehen lassen wollten. Im Juni und Juli 2009 las ich in den Gerichtsakten „Ås, Vedens och Bollebygds tinglag [Gerichtsbezirk]. Bouppteckningar [Nachlaßverzeichnisse] 1936“ (Signatur: F II: 15). Über dem maschinenschriftlichen Text des Nachlaßverzeichnisses von Tucholsky ist mit schwarzer Tinte vermerkt: „Ås m. fl. VT 1936 [Ås und andere Gerichtsbezirke, Frühlingsthing 1936].“ Dann folgt gestrichen: „Bil. [Beilage] B § 67“. Sämtliche handschriftlichen Eintragungen und Unterschriften im Nachlaßverzeichnis sind mit schwarzer Tinte gemacht worden. Ende Juli 2009 kam dann H.-C. Weber nach Göteborg , und es verstand sich, daß wir dann nach Hindås fuhren, dem letzten Wohnort und dem Sterbeort Tucholskys. In Hindås gab es zunächst Gespräche mit dem dortigen Kulturreferenten Anders Fors, der uns über anspruchsvolle Tucholsky-Veranstaltungen mit Dichterlesungen und Musikabenden im Ort und über die Geschichte der „Villa Nedsjölund“ aufklärte. Mit Hilfe von EU-Geldern hofft er, den Tourismus in der Region beleben und dabei Tucholsky als hochkarätige Zugkraft verwenden zu können, vielleicht läge sogar ein Erwerb des „Tucholsky-Hauses“ im Bereich des Möglichen. Leider mußte aus Zeitgründen sein Angebot, Kontakt mit einer älteren Dame zu vermitteln, deren Mutter bei Tucholsky gedient hatte, aus Zeitgründen ausgeschlagen werden. Eine Bemerkung bei Hepp (Kurt Tucholsky, Seiten 529-531, Anmerkung 28) gab Anlaß zu einem anschließenden Besuch in der fünfhundert Meter von der „Villa Nedsjölund“ gelegenen  Jugendstilvilla „Waldesruh“ und zu einem Gespräch mit der gastfreundlichen Besitzerin Ingeborg Ilgner, der Tochter des früheren I. G. Farben-Direktors Dr. Max Ilgner. Ihre Großmutter, eine Deutsche, und die Eltern der Gertrude Meyer hätten in Hindas Umgang gepflegt,  und Ingeborg Ilgner kannte Gertrude und ihre Schwester Ruth. Wir erhielten verschiedene psychologische Einblicke, und auch wenn dabei nichts Konkretes über Kurt Tucholsky herauskam, erschien uns diese Begegnung mit Ingeborg Ilgner aus verschiedenen Gründen wie ein „Flügelschlag der Geschichte“. Vom Deutschen Literaturarchiv in Marbach erhielt ich am 23. Juli auf Anfrage von der Bibliothekarin Petra Weiß die Auskunft, daß es dort eine Kopie des Nachlaßverzeichnisses gebe. Eine Kopie der Kopie wurde von mir selbstverständlich umgehend bestellt. Wie ich dann bei der Lektüre feststellen konnte, geht daraus nicht hervor, wo sich das Original befindet. Inzwischen wissen wir es.


Das Verzeichnis über den Nachlaß Kurt Tucholskys

aus dem Schwedischen von Sven Ekdahl

[Bl. 1r]

Im Jahr 1936 am 20. März wurde von den Unterzeichneten ein Nachlaßverzeichnis aufgestellt nach dem Dr. jur. und Schriftsteller Kurt Tucholsky [über der Zeile mit Tinte eingefügt: aus Hindås, Gemeinde Björketorp], welcher, geboren am 9.1.1890, am 21.12. 1935 verstorben ist und als Erbberechtigte hinterlassen hat:

1) die Mutter Doris Tucholsky, Witwe, wohnhaft in Berlin, nähere Anschrift unbekannt, von Rechtsanwalt Arne Kullgren, Göteborg, in angegebener Eigenschaft als Nachlaßverwalter vertreten;

2) den Bruder Fritz Tucholsky, Kontorist, wohnhaft 75 Fort Washington [über der Zeile mit Tinte eingefügt: Avenue], New York, U.S.A. und

3) die Schwester, Frau Ellen Milo, Nassaulaan 1, Haag, Holland, beide von dem Polizisten S. A. Johansson, Bollebygd, laut Vollmachten vertreten, sowie

4) die Universalerbin Frau Mary Gerold, Berlin, von dem oben genannten Rechtsanwalt Kullgren laut Vollmacht vertreten.

Außerdem anwesend war Rechtsanwalt Kullgren auf Grund der vom Gerichtssprengel Ås, Veden und Bollebygd am 7. Februar 1936 unter § 32 erlassenen Verordnung, als Nachlaßverwalter das Eigentum von Kurt Tucholsky in Obhut zu nehmen.

Die Hinterlassenschaft wurde von Fräulein Gertrude Meyer, Hindås, in ihrer Eigenschaft als ehemalige Sekretärin Tucholskys vorgestellt und in folgender Reihenfolge notiert und geschätzt:

Vermögen:

Kontant beim Todesfall – Kr. 13,69

Bankguthaben: Skandinaviska Kreditaktiebolaget,

Göteborg, Avistakonto Nr. 466 – Kr. 244,94

Bewegliche Habe:

In der Bibliothek:

1 Schreibtisch mit Glasscheibe – Kr. 75,-

7 Bücherregale – Kr. 20,-

verschiedene ausländische Bücher – Kr. 500,-

3 Paar grüne Gardinen – Kr. 6,-

9 weiße Spanngardinen mit Stangen – Kr. 9,-

1 Schreibtischlampe – Kr. 5,-

1 Chaiselongue mit Matratze und Überzug – Kr. 100,-

1 Papierkorb – Kr. -,25

3 Kissen – Kr. 1,50

_______________________

Übertrag Kr. 716,75 – 258,63

[Bl. 2r]

Übertrag Kr. 716,75 – 258,63

2 Rohrsessel – Kr. 100,-

4 Baststühle – Kr. 8,-

1 Rauchtischchen – Kr. 2,-

6 Gemälde – Kr. 3,-

1 Reisedecke – Kr. 1,-

14 Kleinigkeiten für Rauchtischchen und Schreibtisch – Kr. 3,-

1 weicher, angenagelter Fußbodenteppich – Kr. 50,-

 

Im Esszimmer:

1 Tisch aus Eiche – Kr. 10,-

1 Anrichte aus Eiche – Kr. 5,-

1 Anrichte aus Mahagoni – Kr. 200,-

1 Beistelltisch aus Mahagoni mit Glasscheibe – Kr. 50,-

2 Lehnstühle aus Mahagoni – Kr. 50,-

4 Stühle aus Mahagoni – Kr. 60,-

1 Nähtisch aus Mahagoni – Kr. 2,-

1 Liegestuhl – Kr. 5,-

1 Schreibtisch – Kr. 5,-

1 großer Messingkrug – Kr. 5,-

9 Gemälde – Kr. 4,50

1 Stehlampe [verschrieben: Stahllampe] – Kr. 2,-

6 Aschenbecher – Kr. 3,-

1 geblümtes Seidentuch – Kr. 2,-

2 echte Teppiche – Kr. 35,-

1 Holzbüste – Kr. 1,-

1 Tischglocke – Kr. -,50

16 weiße Spanngardinen – Kr. 16,-

4 Paar rosa Seidengardinen mit Kappen – Kr. 40,-

44 Teile geblümtes Essservice – Kr. 20,-

27 Teile blaues Tee- und Kaffeeservice – Kr. 10,-

8 Teile schwarzes Mokkaservice – Kr. 4,-

5 Kuchenplatten – Kr. 2,50

1 Butterdose – Kr. 1,-

_________________________

Übertrag Kr. 1.417,25 – 258,63

[Bl. 3r]

Übertrag Kr. 1.417,25 – 258,63

1 Senfdose und 3 Eierbecher – Kr. -,50

1 Zinnschüssel – Kr. -,50

2 Wasserkaraffen mit Glas – Kr. -,50

3 Kerzenhalter – Kr. -,50

2 Käseglocken mit Untersatz – Kr. 1,-

2 Vasen – Kr. 1,-

1 Suppenterrine – Kr. -,50

5 Schüsseln für Dickmilch – Kr. 1,-

10 Küchenteller – Kr. 1,-

2 Glasschüsseln – Kr. -,50

6 Dessertteller aus Glas – Kr. -,50

18 Teile bemaltes Fayenceservice – Kr. 1,-

3 Schnecken, 1 Mandelmühle, 1 Fleischwolf,

2 Brotplatten, 3 kleine Schüsseln, 5 größere Schüsseln,

1 Zitronenpresse, 1 Sahnetöpfchen mit Untersatz, 1 Platte,

1 Kaffeekocher, 1 Blumenkorb, 6 kleine Porzellantiere u.a.m. – Kr. 2,-

13 Gläser mit Gravur – Kr. 3,-

6 Schnapsgläser – Kr. -,50

6 Saftgläser – Kr. -,50

12 verschiedene Weingläser – Kr. 1,-

10 Likörgläser – Kr. 1,-

2 Grogg-Gläser, 5 Karaffen, 1 Essig- und Ölgestell,

1 Zuckerdose, 6 Salzstreuer, 3 extra Gläser, 3 Glasschalen – Kr. 3,-

1 Messingschale – Kr. 1,-

1 Kaffeemühle aus Messing – Kr. 1,-

1 Kaffeekanne aus Messing – Kr. 1,-

2 grüne Fayenceschüsseln – Kr. 1,50

6 Obstteller – Kr. 2,-

1 Kasten mit 12teiligem Fischbesteck – Kr. 12,-

_________________________

Übertrag Kr. 1.455,75 – 258,63

[Bl. 4r]

Übertrag Kr. 1.455,75 – 258,63

 

1 Suppenlöffel, 1 Saucenlöffel, 1 Käsehobel,

1 Käsemesser, [1] Buttermesser, 2 Silberkorken,

6 Teelöffel, 6 Esslöffel, 6 große Gabeln,

6 kleine Gabeln, 6 große Messer, 6 kleine Messer,

4 Obstmesser aus Messing, 6 Obstgabeln aus

Messing, 6 Messerständer aus Silber, 1 schwarzes

Bratmesser und [eine] Gabel, 1 Zange, 3 kleine

Gabeln, 1 Zitronenhalter, 5 Toddylöffel, 1 Geflügel-

Schere, 1 Salatbesteck, 10 Messerständer aus Glas,

1 Kasten mit 6 verschiedenen Aufschnittsbestecken,

1 Kasten mit 11 Teilen Obstbesteck – Kr. 25,-

Im Anrichtezimmer:

1 Nähmaschine – Kr. 10,-

1 gelber Küchenschrank – Kr. 5,-

1 Petroleumlampe – Kr. 2,-

2 weiße Spanngardinen – Kr. 1,-

4 5/12 Dutzend [4 Dutzend + 5 Flaschen] Vichywasser

[Mineralwasser] à 12 Öre – Kr. 6,36

In der unteren Halle:

1 Tisch mit Glasscheibe – Kr. 20,-

1 Spiegel mit Tisch – Kr. 20,-

1 kleiner Spiegel – Kr. 1,-

1 große Truhe – Kr. 10,-

7 Strohstühle – Kr. 7,-

2 Paar Cretonne-Gardinen – Kr. 5,-

3 Paar weiße Spanngardinen – Kr. 3,-

1 Kupfertopf – Kr. 2,-

1 Deckenleuchte – Kr. 10,-

6 Gemälde – Kr. 2,-

1 Kleiderbügel aus Messing – Kr. 5,-

1 Regenschirmständer – Kr. -,50

_____________________________

Übertrag Kronen 1.590,61 – 258,63

[Bl. 5r

Übertrag Kr. 1.590,61 – 258,63

1 Gipsmaske – Kr. 2,-

1 Wandlampe – Kr. 2,-

2 rote Kerzenhalter – Kr. 1,-

1 Glockenspiel – Kr. -,50

1 weicher, angenagelter Fußbodenteppich – Kr. 25,-

1 Paar Vorhänge mit Stange – Kr. 3,-

In der oberen Halle:

1 Deckenleuchte – Kr. 2,-

1 Wandlampe – Kr. 1,-

2 Vorhänge – Kr. 1,-

3 weiße Spanngardinen – Kr. 3,-

1 antike Kommode – Kr. 25,-

1 Gipsmaske – Kr. 1,-

1 weicher Treppenläufer mit Stangen – Kr. 35,-

Im Dienstmädchenkammer:

1 eisernes Bettgestell – Kr. 5,-

1 Stehlampe – Kr. 1,-

1 Matratze – Kr. 1,-

1 Keilkissen – Kr. -,50

1 große gelbe Decke – Kr. 1,-

Im Badezimmer:

1 Stuhl – Kr. -,50

1 Bidet – Kr. 5,-

1 Lampenglocke – Kr. 1,-

1 Porzellanschale – Kr. -,25

Im Arbeitszimmer:

1 Schreibtisch aus kaukasischem Walnussholz – Kr. 150,-

1 Schreibmaschinentisch aus Mahagoni – Kr. 50,-

1 Briefkommode – Kr. 5,-

1 kleine Kommode – Kr. 1,-

1 Schreibmaschinenstuhl – Kr. 2,-

1 drehbares Büchergestell – Kr. 5,-

1 kleiner Tisch – Kr. 2,-

_________________________

Übertrag Kr. 1.922,36 – 258,63

[Bl. 6r]

Übertrag Kr. 1.922,36 – 258,63

 

6 Drahtkörbe – Kr. 1,-

23 Pappkartons – Kr. 3,-

16 Leitzordner – Kr. 3,-

1 Bücherregal – Kr. 5,-

1 Deckenleuchte – Kr. 2,-

1 Schreibtischlampe – Kr. 5,-

1 Schreibmaschine – Kr. 50,-

1 Schreibtischgarnitur – Kr. 2,-

3 Tabakschachteln [Tabakdosen?] – Kr. 1,50

2 Pfeifengestelle – Kr. -,50

2 Briefwaagen – Kr. 2,-

1 Gipsmaske – Kr. -,50

2 Papierkörbe – Kr. 2,-

1 weicher, angenagelter Fußbodenteppich [oder: 1 weicher

Teppich, angenagelt am Fußbodenteppich?] – Kr. 10,-

1 Schreibtischstuhl – Kr. 2,-

Im Gästezimmer:

1 Schreibtisch – Kr. 1,-

1 Lehnstuhl – Kr. 2,-

1 Stehlampe – Kr. 1,-

Im Schlafzimmer:

1 Decke und 1 Bettdecke – Kr. 5,-

1 Bettgestell aus Messing mit Sprungfedermatratze,

Rosshaarmatratze, Keilkissen und 2 Kissen – Kr. 75,-

1 Nachttisch aus Mahagoni – Kr. 20,-

1 Sessel – Kr. 75,-

2 Stühle – Kr. 5,-

2 Mahagonischränke – Kr. 50,-

1 dreiteiliger Spiegel – Kr. 35,-

1 Waschbecken aus Marmor (nach Abzug der

Abbaukosten) – Kr. 10,-

2 Gemälde – Kr. 1,50

Straßenbekleidung – Kr. 200,-

Leinen (Betttücher, Handtücher u.a.m.) – Kr. 79,60

Koffer und Reisetaschen, 12 Stück – Kr. 40,-

________________________

Übertrag Kr. 2.611,96 – 258,63

[Bl. 7r]

Übertrag Kr. 2.611,96 – 258,63

1 Gipsmaske und 1 Bettvorleger aus Fell – Kr. 1,-

1 Paar blaue Vorhänge zum Zuziehen – Kr. 2,-

1 Paar gelbe Vorhänge zum Zuziehen – Kr. 2,-

3 weiße Spanngardinen – Kr. 2,-

1 weicher, am Fußboden angenagelter Teppich – Kr. 15,-

1 Deckenleuchte – Kr. 15,-

1 Stehlampe – Kr. 5,-

verschiedene Toilettenartikel – Kr. 2,-

elektrische Heizgeräte – Kr. 5,-

1 Laute – Kr. 2,-

3 Sanitätsartikel – Kr. 2,-

1 Reisebett – Kr. 5,-

1 Stück [sic] Silberuhr – Kr. 5,-

1 Zigarettenetui aus russischem Silber – Kr. 75,-

1 Goldring mit kleinem Brillanten und 2 Stück

Manschettenknöpfe aus Gold, insgesamt – Kr. 20,-

1 Revolver – Kr. 1,-

Im Keller:

Verschiedene Geräte für Heizungsanlage – Kr. 5,-

1 Paar Skier mit Stöcken – Kr. 10,-

1 Feuerlöschgerät der Firma Kustos – Kr. 15,-

1 Bastmatte – Kr. 10,-

1 Trittleiter – Kr. 2,- 2.812,96

____________________________

Vermögen insgesamt:Kr. 3.071,59

Abzuziehende Posten und Schulden:

Begräbniskosten – Kr. 757,15

Arzthonorare – Kr. 175,25

Kronsteuer für 1935 – Kr. 54,95

Gemeindesteuer für 1935 – Kr.86,41

Steuern für 1936, schätzungsweise – Kr. 225,-

Dienstmädchen Märta Andersson, Hindås – Kr. 45,-

Wäscherin Ellen Pettersson, Hindås – Kr. 12,-

Firma Carl Christoff, Göteborg – Kr. 2,20

Förenade Kol- & Koks Importörers A.-B., Göteborg – Kr. 57,-

Ernst Ljungqvists Fischhandlung, Hindås – Kr. 5,35

Fleischer Gustaf Persson, Hindås – Kr. 16,05

Firma E. W. Wahrén, Göteborg – Kr. 26,85

_______________________

Übertrag Kronen 1.463,21

[Bl. 8r]

Übertrag Kronen 1.463,21

Elektriker P. O. Frank, Hindås – Kr. 4,25

Stockagärde Hof, Hindås – Kr. 5,-

Café Lillstugan, Hindås – Kr. 5,23

Hindås Fleischerei, Hindås – Kr. 25,03

Gumperts Buchhandlung, Göteborg – Kr. 58,70

Hindås Elektriska Distributionsförening, Hindås – Kr. 57,40

Fräulein Gertrude Meyer, Hindås – Kr. 364,96

Rechtsanwälte Arvid Schulz und Gunnar Dellborg, Göteborg – Kr. 242,50

Fräulein Hedwig Müller, Zürich, 10.000,- Schweizer Franken,

nach dem beim Todesfall gültigen Kurs in schwedischer

Währung entsprechend – Kr. 12.800 ________________________________________________

Summe abzuziehende Posten und Schulden – Kr. 15.026,28

Defizit des Nachlasses – Kronen 11.954,69

Ferner wurden [über der Zeile mit Tinte eingefügt: im Original] die folgenden, den Nachlaß betreffenden Schriftstücke vorgelegt (Übersetzung aus dem Deutschen):

Kurt Tucholsky

Hindås, Schweden

Montag, den 2. Oktober 1935

Testament.

[Dieses Testament vom 2.10.1935 existiert nur noch in der schwedischen Übersetzung. Vgl. dazu Hepp, Seite 363 mit Anm. 128 auf Seite 522.]

Zur Universalerbin ernenne ich meine geschiedene Frau, Mary Tucholsky, geborene Gerold (aus Riga).

Meine Mutter weise ich auf ihren zwangsweise ausgehenden Pflichtteil hin, bitte sie jedoch, davon abzusehen.

Als Legat verordne ich:

a) Herrn Dr. Erich Danehl schenke ich meine Anzüge, Halstücher, sowie aus meiner Bibliothek einhundert Bücher, die er selbst auswählen darf, ebenso den hellbraunen Schreibtisch.

b) Mein Bruder Fritz soll meinen Mantel, meine Schuhe und meine Unterwäsche erhalten.

c) Fräulein Dr. Hedwig Müller (Zürich) soll meinen Ring mit der Inschrift „Et après“ erhalten.

d) Mme de Montaignac (Gégomos, France) soll meinen weißen Garderobenkoffer erhalten.

e) Fräulein Gertrude Meyer, Hindås, Bücher und Gegenstände unter meinen Sachen nach ihrer eigenen Wahl.

Kt Tucholsky

 

[Bl. 9r]

Bezeugen:

Gertrude Meyer

Astrid Andersson

Richtig übersetzt bezeugen:

Lilly Magnusson – Greta Carlson.

[Im Nachlaßverzeichnis folgt hier das aus dem Deutschen ins Schwedische übersetzte zweite Testament vom 30. November 1935. Anstelle einer Rückübersetzung aus dem Schwedischen wird auf die Originalurkunde aus der Akademie der Künste, Berlin, Sammlung Kurt Tucholsky (Signatur „D hpe-Dok“), hingewiesen. Siehe dazu die fotografische Wiedergabe bei Richard von Soldenhoff (Hrsg.), „Kurt Tucholsky. 1890-1935. Ein Lebensbild“, Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main, Olten, Wien (1988), Seite 249; vgl. Hepp, S. 363 mit Anm. 127 auf S. 521.]

 

KURT TUCHOLSKY [Briefpapier mit seinem gedruckten Namen] Hindås. 30-11-35.

Testament

Als Erben meines Vermögens setze ich meine zweite, von mir geschiedene Frau Mary, geb. Gerold, ein.

Meine Mutter und, falls meine Geschwister Fritz und Ellen nach schwedischem Recht erbberechtigt sein sollten, auch diese – setze ich auf ihren Pflichtteil, auf den ich sie zu verzichten bitte. Ich bitte dies insbesondere meine Mutter.

Ich schulde Fräulein Dr. Hedwig Müller, Zürich die Summe von 10 000 (zehntausend) schweizer Franken, die aus meinem Nachlaß bezahlt werden sollen.

Fräulein Gertrude Meyer, Hindås

Herr Dr. Erich Danehl in Leipzig

sollen als Legat aus meinem Nachlaß sich Bücher oder sonstiges nach ihrem Wunsch auswählen.

Kurt Tucholsky.

[Nach der schwedischen Übersetzung des Testaments im Nachlaßverzeichnis folgt:

Vom Original in Übersetzung richtig abgeschrieben bezeugen:

Greta Carlson – Lilly Magnusson]

Dieses ist mein Testament, geschrieben im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte und ohne Zwang.

Hindås, 2.12.35

Kurt Tucholsky

Bezeugt: Märta Andersson – Gertrude Meyer

Von einem mit zwei Siegeln „K.T.“ versiegelten Umschlag richtig abgeschrieben, bezeugen: Greta Carlson –  Lilly Magnusson.

[Die Bestätigung der Gültigkeit des zweiten Testaments durch Tucholsky vom 2. Dezember 1935 befand sich offenbar auf dem genannten Umschlag mit zwei Siegeln.]

 

Fräulein Gertrude Meyer, die den Nachlaß vorstellte, erklärte, daß sie

[Bl. 10r]

auf jedes ihr wegen der oben eingefügten Testamente zustehende Recht verzichtet.

Somit nach Angabe notiert und geschätzt, bezeugen

R. Enhammar [eigenhändige Unterschrift]

Provinzialstaatsanwalt, Bollebygd,

Fritz Bergman [eigenhändige Unterschrift]

Beisitzer, Bollebygd.

Das alles, was zum Nachlass gehört, richtig angegeben worden ist und nichts mit Wissen und Willen verborgen oder ausgelassen worden ist, sowie, soweit mir bekannt, der Verstorbene während der letzten vier Jahre keine Geschenke gemacht hat, bezeugt unter Eidespflicht.

Gertrude Meyer [eigenhändige Unterschrift].

Beim Errichten des Nachlaßverzeichnisses anwesend: [Namen am Rande mit Tinte]

Fritz Tucholsky

Ellen Milo

[vertreten] durch S. A. Johansson laut Vollmacht.

Arne Kullgren [eigenhändige Unterschrift]

trenner

Das Verzeichnis über den Nachlaß Kurt Tucholskys in schwedischer Sprache

nachlass

[Bl. 1r]

År 1936 den 20 mars förrättades av undertecknade bouppteckning efter doktor juris och skriftställaren Kurt Tucholsky [über der Zeile mit Tinte eingefügt: från Hindås, Björketorps socken], vilken, född den 9/1 1890, avlidit den 21/12 1935 och såsom sterbhusdelägare efterlämnat:

1)Modern Doris Tucholsky, änka, boende i Berlin, närmare adress okänd, vid förrättningen företrädd av advokaten Arne Kullgren, Göteborg, i uppgiven egenskap av god man;

2) Brodern Fritz Tucholsky, kontorist, boende 75 Fort Washington [über der Zeile mit Tinte eingefügt: Avenue], New York, U.S.A. och

3) systern, fru Ellen Milo, Nassaulaan 1, Haag, Holland, bägge vid förrättningen företrädda av polismannen S. A. Johansson, Bollebygd, enligt fullmakter, samt

4) universalarvingen fru Mary Gerold, Berlin, vid förrättningen företrädd av ovannämnde advokat Kullgren, enligt fullmakt.

Dessutom närvar advokat Kullgren på grund av Ås, Vedens och Bollebygds häradsrätts den 7 februari 1936 under § 32 utfärdade förordnande att såsom god man taga vård om egendomen efter Kurt Tucholsky.

Boet uppgavs av fröken Gertrude Meyer, Hindås, i egenskap av Tucholskys f. d. sekreterare, samt antecknades och värderades i följande ordning:

Tillgångar:

 

Kontant vid dödsfallet – kr. 13:69

Banktillgodohavande: Skandinaviska Kreditaktiebolaget,

Göteborg, avistakonto nr 466 – kr. 244:94

Annan lösegendom:

I biblioteket:

1 skrivbord med glasskiva – kr. 75:-

7 bokhyllor – kr. 20:-

diverse utländska böcker – kr. 500:-

3 par gröna gardiner – kr. 6:-

9 vita spänngardiner med stänger – kr. 9:-

1 skrivbordslampa – kr. 5:-

1 schäslong med madrass och överkast – kr. 100:-

1 papperskorg – kr. -:25

3 kuddar – kr. 1:50

___________________________

Transport kr. 716:75 – 258:63

[Bl. 2r]

Transport kr. 716:75 – 258:63

2 rottingfåtöljer – kr. 100:-

4 baststolar – kr. 8:-

1 rökbord – kr. 2:-

6 tavlor – kr. 3:-

1 resfilt – kr. 1:-

14 småsaker för rök- och skrivbord – kr. 3:-

1 mjuk, påspikad golvmatta – kr. 50:-

I matsalen:

1 ekbord – kr. 10:-

1 ekbuffé – kr. 5:-

1 buffé i mahogny – kr. 200:-

1 sidebord i mahogny med glasskiva kr. 50:-

2 karmstolar i mahogny – kr. 50:-

4 stolar i mahogny – kr. 60:-

1 sybord i mahogny – kr. 2:-

1 liggstol – kr. 5:-

1 skrivbord – kr. 5:-

1 stor mässingskruka – kr. 5:-

9 tavlor – kr. 4:50

1 stålampa [verschrieben: stållampa] – kr. 2:-

6 askkoppar – kr. 3:-

1 blommig sidenduk – kr. 2:-

2 äkta mattor – kr. 35:-

1 träbyst – kr. 1:-

1 bordsringklocka – kr. -:50

16 vita spänngardiner – kr. 16:-

4 par rosa sidengardiner med kappor – kr. 40:-

44 pjäser blommig matservis – kr. 20:-

27 pjäser blå thé- och kaffeservis – kr. 10:-

8 pjäser svart mockaservis – kr. 4:-

5 kakfat – kr. 2:50

1 smördosa – kr. 1:-

____________________________

Transport kr. 1.417:25 – 258:63

[Bl. 3r]

Transport kr. 1.417:25 – 258:63

1 senapsdosa och 3 äggkoppar – kr. -:50

1 tennskål – kr. -:50

2 vattenkaraffiner med glas – kr. -:50

3 ljusstakar – kr. -:50

2 ostkupor med fat –kr. 1:-

2 vaser – kr. 1:-

1 soppterrin – kr. -:50

5 filbunksskålar – kr. 1:-

10 kökstallrikar – kr. 1:-

2 glasskålar – kr. -:50

6 glasassietter – kr. -:50

18 pjäser målad fajansservis – kr. 1:-

3 snäckor, 1 mandelkvarn, 1 köttkvarn,

2 brödfat, 3 små skålar, 5 större skålar,

1 citronpress, 1 gräddsnipa med fat, 1 fat,

1 kaffekokare, 1 blomsterkorg, 6 små djur i

porslin m.m. – kr. 2,-

13 graverade glas – kr. 3:-

6 snapsglas – kr. -:50

6 saftglas – kr. -:50

12 olika vinglas – kr. 1:-

10 likörglas – kr. 1:-

2 grogglas, 5 karafinner, 1 ättiks- och olje-

ställ, 1 sockerdosa, 6 saltdosor, 3 extra glas,

3 glasskålar – kr. 3:-

1 mässingsskål – kr. 1:-

1 mässingskaffekvarn – 1:-

1 mässingskaffekanna – kr. -:50

2 gröna fajansskålar – kr. 1:50

6 frukttallrikar – kr. 2:-

1 låda innehållande 12 st. fiskbestick – kr. 12:-

___________________________

Transport kr. 1.455:75 – 258:63

[Bl. 4r]

Transport kr. 1.455:75 – 258:63

1 soppslev, 1 såssked, 1 osthyvel, 1 ost-

kniv, [1] smörkniv, 2 silverkorkar, 6 te-

skedar, 6 matskedar, 6 stora gaffler,

6 små gafflar, 6 stora knivar, 6 små

knivar, 4 mässingsfruktknivar, 6 mäs-

singsfruktgafflar, 6 silverknivställ,

1 svart stekkniv och gaffel, 1 tång,

3 små gafflar, 1 citronhållare, 5 toddy-

skedar, 1 fågelsax, 1 saladbestick, 10

glasknivställ, 1 låda, innehållande 6

olika påläggsbestick, 1 låda, innehållande

11 st. Fruktbestick – kr. 25:-

I serveringsrummet:

1 symaskin – kr. 10:-

1 gult köksskåp – kr. 5:-

1 fotogenlampa – kr. 2:-

2 vita spänngardiner – kr. 1:-

4 5/12 duss. vichyvatten à 12 öre – kr. 6:36

I nedre hallen:

1 bord med glasskiva – kr. 20:-

1 spegel med bord – kr. 20:-

1 liten spegel – kr. 1:-

1 stor kista – kr. 10:-

7 stråstolar – kr. 7:-

2 par cretonne-gardiner – kr. 5:-

3 par vita spänngardiner – kr. 3:-

1 kopparkruka – kr. 2:-

1 taklampa – kr. 10:-

6 tavlor – kr. 2:-

1 mässingsklädhängare – kr. 5:-

1 paraplyställ – kr. -:50

______________________________

Transport kr. 1.590:61 – 258:63

[Bl. 5r]

Transport kr. 1.590:61 – 258:63

1 gipsmask – kr. 2:-

1 lampett – kr. 2:-

2 röda ljusstakar – kr.1:-

1 klockspel – kr. -:50

1 mjuk påspikad golvmatta – kr. 25:-

1 par draperier med stång – kr. 3:-

I övre hallen:

1 taklampa – kr. 2:-

1 lampett – kr. 1:-

2 förhängen – kr. 1:-

3 vita spänngardinger – kr. 3:-

1 antik byrå – kr. 25:-

1 gipsmask – kr. 1:-

1 mjuk trappmatta med stänger – kr. 35:-

I jungfrukammaren:

1 järnsäng – kr. 5:-

1 stålampa – kr. 1:-

1 madrass – kr. 1:-

1 snedkudde – kr. -:50

1 stor gul filt – kr. 1:-

I badrummet:

1 stol – kr. -:50

1 bidet – kr. 5:-

1 lampkupa – kr. 1:-

1 porslinsskål – kr. -:25

I arbetsrummet:

1 skrivbord i kaukasisk valnöt – kr. 150:-

1 skrivmaskinsbord i mahogny – kr. 50:-

1 brevbyrå – kr. 5:-

1 liten byrå – kr. 1:-

1 skrivmaskinsstol – kr. 2:-

1 vridbart bokställ – kr. 5:-

1 litet bord – kr. 2:-

__________________________

Transport kr. 1.922:36 – 258:63

[Bl. 6r]

Transport kr. 1.922:36 – 258:63

6 ståltrådskorgar – kr. 1:-

23 pappkartonger – kr. 3:-

16 leitzordnare – kr. 3:-

1 bokhylla – kr. 5:-

1 taklampa – kr. 2:-

1 skrivbordslampa – kr. 5:-

1 skrivmaskin – kr. 50:-

1 skrivbordsgarnityr – kr. 2:-

3 tobaksaskar – kr. 1:50

2 pipställ – kr. -:50

2 brevvågar – kr. 2:-

1 gipsmask – kr. -:50

2 papperskorgar – kr. 2:-

1 mjuk matta påspikad golvmatta – kr. 10:-

1 skrivbordsstol – kr. 2:-

I gästrummet:

1 skrivbord – kr. 1:-

1 länsstol – kr. 2:-

1 stålampa – kr. 1:-

I sängkammaren:

1 filt och 1 täcke – kr. 5:-

1 mässingssäng med resår, tagelmadrass,

snedkudde och 2 kuddar – kr. 75:-

1 nattduksbord i mahogny – kr. 20:-

1 fåtölj – kr. 75:-

2 stolar – kr. 5:-

2 mahogny-skåp – kr. 50:-

1 tre-delad spegel – kr. 35:-

1 marmortvättställ (efter avdrag av ned-

monteringskostnad) – kr. 10:-

2 tavlor – kr. 1:50

Gångkläder – kr. 200:-

Linne (lakan, handdukar m.m.) – kr. 79:60

Koffertar och resväskor, 12 st. – kr. 40:-

__________________________

Transport kr. 2.611:96 – 258:63

[Bl. 7r]

Transport kr. 2.611:96 – 258:63

1 gipsmask och 1 sängmatta av skinn – kr. 1:-

1 par blå draggardiner – kr. 2:-

1 par gula draggardiner – kr. 2:-

3 par vita spänngardiner – kr. 2:-

1 mjuk matta fastspikad på golvet – kr. 15:-

1 taklampa – kr. 15:-

1 stålampa – kr. 5:-

div. toalettsaker – kr. 2:-

elektriska värmeapparater – kr. 5:-

1 luta – kr. 2:-

3 sjukvårdssaker – kr. 2:-

1 turistsäng – kr. 5:-

1 st. silverur – kr. 5:-

1 cigarettetui av ryskt silver – kr. 75:-

1 guldring med liten briljant samt 2 st. man-

schettknappar av guld, tillhopa – kr. 20:-

1 revolver – kr. 1:-

I källaren:

Diverse redskap till värmeledningspanna – kr. 5:-

1 par skidor med stavar – kr. 10:-

1 Kustosspruta – kr. 15:-

1 bastmatta – kr. 10:-

1 trappstege – kr. 2:-

kr. 2.812:96

___________________________

Summa tillgångar kr.:

3.071:59

Avgående poster och skulder:

Begravningskostnader – kr. 757:15

Läkarearvoden – kr. 175:25

Kronoskatt för 1935 – kr. 54:95

Kommunalskatt för 1935 – kr. 86:41

Utskylder för 1936, förslagsvis – kr. 225:-

Hembiträdet Märta Andersson, Hindås – kr. 45:-

Tvätterskan Ellen Pettersson – kr. 12:-

Firma Carl Christoff, Göteborg – kr. 2:20

Förenade Kol- & Koks Importörers A.-B., Göteborg – kr. 57:-

Ernst Ljungqvists Fiskaffär, Hindås – kr. 5:35

Charkuterist Gustaf Persson, Hindås – kr. 16:05

Firma E. W. Wahrén, Göteborg – kr. 26:85

_______________________

Transport kr. 1463:21

[Bl. 8r]

Transport kr. 1463:21

Elektriker P. O. Frank, Hindås – kr. 4:25

Stockagärde gård, Hindås – kr. 5:-

Kafé Lillstugan, Hindås – kr. 5:23

Hindås Charkuteri, Hindås – kr. 25:03

Gumperts Bokhandel, Göteborg – kr. 58:70

Hindås Elektriska Distributionsförening, Hindås – kr. 57:40

Fröken Gertrude Meyer, Hindås – kr. 364:96

Advokaterna Arvid Schulz och Gunnar Dellborg, Göteb[org] – kr. 242:50

Fröken Doktor Hedvig Muller [sic], Zurich [sic], 10.000:-

schweiziska france, efter vid dödsfallet gällande kurs utgörande i svenskt mynt ” 12800:-

____________________________________

Summa avgående poster o. skulder kr. 15026:28,

utvisade boet alltså en brist av kr. 11.954:69.

Vidare uppvisades [über der Zeile mit Tinte eingefügt: i original] följande boet rörande handlingar:

(Översättning från tyskan)

Kurt Tucholsky

Hindås, Sverige

Måndag, den 2 oktober 1935.

Testamente.

Till universalarvinge insätter jag min frånskilda hustru, Mary Tucholsky, född Gerold (från Riga).

Min moder hänvisar jag till hennes tvångsvis utgående laglott, men beder henne avstå därifrån.

Såsom legat förordnar jag:

a) Herr Dr Erich Danehl skänker jag mina kostymer, halsdukar, såväl som ur mitt bibliotek etthundra böcker, som han själv får utvälja ävensom det ljusbruna skrivbordet.

b) Min bror Fritz skall få min överrock, mina skodon och mina underkläder.

c) Fröken Dr. Hedwig Müller (Zürich) skall få min ring med inskriften ”Et après”.

d) Mme de Montaignac (Gégomos, France) skall få min vita garderobskoffert.

e) Fröken Gertrude Meyer, Hindås, böcker och föremål bland mina saker efter sitt eget val.

Kt Tucholsky

[Bl. 9r]

Bevittnas:

Gertrude Meyer – Astrid Andersson

Rätt översatt betyga: Lilly Magnusson – Greta Carlson.

(Översättning från tyskan)

Hindås 30-11-35

Testamente.

Såsom universalarvinge till min kvarlåtenskap insätter jag min andra, frånskilda fru Mary, född Gerold.

Min moder och, om mina syskon Fritz och Ellen efter svensk rätt skulle vara arvsberättigade, också dessa, tilldelar jag deras dem tvångsvis tillkommande laglott, vilken jag ber dem avstå. Härom ber jag särskilt min moder.

Till fröken doktor Hedwig Müller i Zürich är jag skyldig en summa stor 10000 (tiotusen) schweiziska francs, som ur min kvarlåtenskap skall betalas.

Fröken Gertrude Meyer, Hindås och herr doktor Erik Danehl i Leipzig skola såsom legat ur min kvarlåtenskap utvälja sig böcker eller annat efter sin önskan.

Kurt Tucholsky

Från originalet i översättning rätt avskrivet betyga: Greta Carlson Lilly Magnusson

Detta är mitt testamente skrivet i besittning av mitt fulla förstånd och utan tvång.

Hindås 2-12-35

Kurt Tucholsky

Bevittnas:Märtha Andersson – Gertrude Meyer

Från ett med tvenne sigill ”K.T.” förseglat kuvert rätt avskrivet intyga:

Greta Carlson – Lilly Magnusson.

Bouppgivaren, fröken Gertrude Meyer förklarade, att hon avstode

[Bl. 10r] från varje henne tillkommande rätt på grund av ovan intagna testamenten.

Sålunda efter uppgift antecknat och värderat, betyga.

R. Enhammar [eigenhändige Unterschrift]

Landsfiskal, Bollebygd.

Fritz Bergman [eigenhändige Unterschrift]

Nämndeman, Bollebygd.

Att allt vad till boet hörer blivit riktigt uppgivet och ej något med vilja och vetskap dolt eller utelämnat samt att, såvitt jag har mig bekant, den avlidne under de sistförflutna fyra åren icke utgivit någon gåva, betygar under edlig förpliktelse.

Gertrude Meyer [eigenhändige Unterschrift].

Vid bouppteckningen närvarande [Namen am Rande mit Tinte]:

Fritz Tucholsky

Ellen Milo

gn/S. A. Johansson enl. fullmakt.

Arne Kullgren [eigenhändige Unterschrift]

trenner

villa

Villa Nedsjölund in Hindås im Sommer 2009. Das lange heruntergekommene Haus ist renoviert worden, die einst geräumige Veranda wurde abgerissen. Die Leute erzählen, der neue Besitzer habe keinen Sinn für Geschichte.

weber

Üppig wuchert der Waldgeißbart vor der Gartenmauer am Tucholskys Heimstatt. Er verdeckt die Tafel, die der “Freundeskreis Tucholsky” fünfzig Jahre nach Tucholskys Tod hier anbringen ließ. Hans-Christian Weber legte sie für dieses Foto wieder frei.

treppe

Durch dieses Tor verließ Tucholsky bei seinen Spaziergängen zum Nedsjön-See das Grundstück. Der Bogen trägt die Initialien H F W — wohl dies des Erbauers des Hauses, des verstorbenen Ehemannes der Vermieterin Ida Widegren aus Göteborg.

see

Das war Tucholskys Blick aus seiner Villa auf den See Nedsjön. Das alte Badehaus rechts im Bild ist heute ein Restaurant.

krankenhaus

Das Sahlgrenska-Krankenhaus heute. In seiner Notaufnahme starb Kurt Tucholsky am Abend des 21. Dezember 1935.

grab

Das Grab Kurt Tucholskys auf dem Friedhof von Mariefred.

ekdahlweber

In Hindås begegnen die Autoren dem kundigen und aufgeschlossenen Kulturreferenten der Stadt, Anders Fors (rechts im Bild, links Sven Ekdahl)

Fotos: Sven Ekdahl, H.-C. Weber, Dagmar Sjöholm

trenner

Vermutungen über T.

von H.-C. Weber

Das von Sven Ekdahl im Landesarchiv Göteborg aufgefundene Nachlaßverzeichnis erscheint unseres Wissens hier erstmals vollständig in deutscher Sprache und ist zweifellos kulturgeschichtlich bedeutsam. Des Dichters Habseligkeiten geben Aufschlüsse über ihren Besitzer. Tucholsky hatte seine Lieblingsgegenstände 1924 von Berlin nach Paris und – nach dem französischen Zwischenspiel – mit nach Hindås genommen. Bei Helga Bemmann heißt es dazu in ihrem Buch „Kurt Tucholsky – Ein Lebensbild“ (Frankfurt/Main 1992): „Für die Einrichtung bezog er Möbel und Hausrat von verschiedenen Göteborger Firmen. Auch ein Klavier gehörte wieder dazu.“

Das Nachlaßverzeichnis der Gertrude Meyer erlaubt Einblicke in die Besitzverhältnisse des vormals situierten Schriftstellers und beleuchtet schlaglichtartig die Psychologie der handelnden Personen nach seinem Tode. Für die „rund fünftausend“ (Bemmann) Exemplare umfassende kostbare Bibliothek, Tucholskys Lieblingsbücher aus aller Welt, viele in deutscher Sprache, veranschlagt die fließend deutsch sprechende Gertrude Meyer unter dem lapidaren Titel „verschiedene ausländische Bücher“ fünfhundert Kronen. Das sind acht Öre pro Buch.

Gab es schon erhebliche Lücken in der Sammlung, fehlten bereits Bücher? Seit Tucholskys Tod sind drei Monate vergangen. Und es waren inzwischen viele Besucher da gewesen. Walter Hasenclever, der Freund, erhielt zum Beispiel nach Tucholskys Tod zwei Bände mit Goethe-Gedichten. Von Michael Hepp („Kurt Tucholsky – Biographische Annäherungen“, 1993) wissen wir, daß die Widmung „Für Clever 21/12 1935“ von Gertrude Meyer in das Buch geschrieben wurde.

Die Nachlaßliste führt auch dreiundzwanzig Gemälde auf, die Namen der Maler sind nicht vermerkt. Tucholsky war mit vielen Künstlern befreundet und bekannt. Im Nachlaß sollten sich keine wertvollen Originale befunden haben? Eigentlich unvorstellbar. Aber wir wissen es nicht, wir wissen fast nichts. Wir wissen nur, daß die Bilder, die heute möglicherweise hoch im (Kunsthandels-)Kurs stünden und fünf- oder sechsstellige Summen einbrächten, im Nachlaßverzeichnis mit 11 Kronen bewertet sind – weniger als fünfzig Öre pro Gemälde … Das ist in höchstem Grade merkwürdig. Wie andere Bewertungen auch: Achtzehn Teile bemaltes Fayenceservice – zusammen eine Krone! Vier Gipsmasken, „verteilt auf verschiedene Zimmer des Hauses“ werden erwähnt – Gesamtwert: 4,50 Kronen. Handelte es sich um Tucholskys Totenmasken (drei wurden angefertigt)? Wenn ja – warum hat Frau Meyer sie auf verschiedene Räume verteilt? Und: Wen stellte die vierte Maske dar? Auch kein Wort zu seinen mehr als hundertzwanzig geliebten Taschentüchern “aus allerfeinstem teuerstem Batist“ – Aline hat sie gezählt (Michael Hepp) … .

Der Trommelrevolver der Firma Colt, Hartfort, Connecticut, nach 1926 hergestellt – im Nachlaßverzeichnis mit 1 Krone bewertet – befindet sich (mit Genehmigung des einstigen Alliierten Kontrollrats und entschärft) seit 1984 im Kurt-Tucholsky-Archiv der Akademie der Künste Berlin; Hans-Jörg Schirmbeck hat darüber im Berliner „Tagesspiegel“ geschrieben (18. August 1999).

Und: Wo ist das Klavier geblieben? Tucholsky, hieß es, spielte Klavier „wie eine kleine Dampfmaschine“; Spaziergänger, die ihn in Hindås nachts am offenen Fenster hörten, hielten ihn für einen Komponisten. Als im schwedischen Exil die Tantiemen für seine Bücher ausblieben, wollte Tucholsky das gute Stück verkaufen – und war beunruhigt, als sich kein Interessent fand. In der Nachlaß-Liste allerdings ist es auch nicht.

Hat Gertrude Meyer das Klavier – wertgemindert – an den Hersteller zurückgegeben? Oder gab sie es bei einem Musikalienhändler in Kommission? Oder hat Nuuna, Frau Dr. Hedwig Müller aus Zürich, bei ihrem Besuch im Februar 1936 das Klavier als Anrechnung gegen die Tucholsky geborgten 10 000 Schweizer Franken mitgenommen? Dann dürften allerdings diese Schulden Tucholskys nicht mehr im Nachlaßverzeichnis stehen. Fragen über Fragen. Es könnte durchaus ein Verdacht Nahrung finden, all diese Unklarheiten seien irgendwie beabsichtigt.

Wer beglich Tucholskys Schulden? Waren die niedrigen Bewertungen in der Nachlaßliste quasi die Vorwegnahme einer Versteigerung? Was wurde aus den Dingen? Finden sich Gegenstände aus Tucholskys Hausstand noch heute in Hindås und Umgebung? Oder wurden sie in alle Welt zerstreut?

In Hindås erlebt Tucholsky einen fulminanten psychologischen Abstieg, von „ganz oben“ nach „ganz unten“. Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre gehört er zu Deutschlands beliebtesten Schriftstellern. Er wird von einem Millionenpublikum verehrt, geradezu angehimmelt, materielle Sorgen sind ihm noch fremd.

Aber im Januar 1930 mietet er die Villa Nedsjölund am romantisch-schönen Nedsjön-See in Hindås – für 1 440 Kronen im Monat. Trotz seiner stattlichen Einkünfte ist die Anmietung der Villa für Tucholsky ein schon damals abenteuerliches Unterfangen, das seine finanziellen Reserven angreift. Er lebt in dem Haus mit einem kleinen Troß Bediensteter, angemessen herrschaftlich, in schönem Ambiente. In der Erinnerung alter Einwohner aus Hindås ist er ein „feiner Herr, der seine Anzüge beim Schneider aufbügeln ließ“. Tucholsky unternimmt weite Reisen, ist einmal fast anderthalb Jahre unterwegs. Miete und Besoldung der Angestellten zahlt er weiter.

Seit 1931 machen ihm Krankheiten zunehmend zu schaffen: Eine verschleppte Nasennebenhöhlenentzündung führt zu rezidivierenden Infekten und wird erst Mitte 1935 erfolgreich operiert. Später hat er unklare Bauchschmerzen, von Hepp als Reizdarm fehldiagnostiziert. Erst die Obduktion zeigt: Die sehr unangenehmen Beschwerden waren Ausdruck von Verwachsungen bei chronischer Umgebungsentzündung des Appendix, der sogenannten Perityphlitis.

Psychische Probleme nehmen zu. Trennung von Lisa. Ossietzkys Schicksal bedrückt ihn, fühlt er sich doch mitverantwortlich. 1932, noch bevor die Nazis an die Macht kommen, verstummt er.

1933 kommt es schlimm. Tucholsky wird ausgebürgert. Er verliert über Nacht sein Publikum. Der „aufgehörte Dichter“ (Tucholsky über Tucholsky) erlebt den Totalverlust seiner Einkünfte. 1935 zeigt ihn in tiefer Resignation. Im Mai ist er finanziell am Ende und von Nuunas Hilfe abhängig. Gleichzeitig finden sich in seinen Briefen noch Zeichen des Aufbegehrens. Sein letzter Satz im Sudelbuch: „Ich will sehen, ob ich da was drehen kann …“ Es geht um den vormals so hochgeschätzten Hamsun, dessen Übertritt zu den Nazis ihn in Rage bringt.

Der Rückzug nach Hindås erweist sich als Fehlentscheidung: zu teuer, zu nahe an Deutschland, zu einsam. Am 21. Dezember 1935 stirbt er. Michael Hepp schreibt: „Selbstmord? Mord? Für beide Thesen gibt es keine stichhaltigen Beweise.“ Inzwischen attestieren viele Nachschlagewerke (selbst seriöse wie Encyclopaedia Britannica oder Brockhaus ) Tucholsky ungeniert Selbstmord. Zwar ist die Intoxikation durch Schlafmittel (und Alkohol) unstrittig, aber so lange nichts Genaueres gewußt wird, wiegt aus – wissenschaftlicher Sicht – jede plausible Theorie gleichschwer:

Nahm er die Überdosis bewußt, das heißt bei klarem Verstand und in tödlicher Absicht? Das wäre Selbsttötung. Aber: Es fehlt ein Abschiedsbrief – bei einem Schriftsteller, der sein Befi nden unermüdlich kommentiert hat, zumindest sehr ungewöhnlich.

Nahm er die Überdosis aus Versehen? Hepp konstruiert einen „Tabletten-Automatismus zur Selbsttötung aus Versehen“: Der alkoholisierte Tucholsky nimmt nachts die übliche Dosis Schlafmittel, findet trotzdem keine Ruhe – er hatte schwerste Schlafstörungen – und nimmt, schon benommen von Veronal und Wein, eine zweite, diesmal tödliche Dosis.

Oder war es politischer Mord? Wurde Tucholsky das Opfer politischer Heimtücke der Nazis? Wurde ihm die tödliche Dosis untergeschoben oder beigebracht?

Tucholskys Spottlust war Legende, sie machte auch vor dem eigenen Sterben nicht halt: „Wenn tot, werde ich mich melden.“ Seine Korrektur des Testaments vom 30. November 1935 aber deutet darauf hin, daß er sich ernsthaft mit dem Ableben beschäftigte.

Tucholskys Tod im Dezember 1935 ist Geschichte. Sein Werk hat ihn überlebt und gehört heute zum Kanon europäischer Kultur. Der linke Literat Kurt Tucholsky, Gegner des Militärs und des Faschismus fand Diktaturen aller Couleur abscheulich – und setzte sich sauber zwischen die Stühle. Tucholsky, kleiner dicker Mann mit Stöckchen, „der mit seiner Schreibmaschine eine Katastrophe aufhalten wollte“ (Kästner), elegant und rotzfrech, Diva und Verlierer, Gourmet, Entertainer, Bohemien, glänzender Stilist, Troubadur, „Bourgeois revolutionaire“ (Mary Tucholsky), ein „feiner Herr“ mit unfehlbarem Gespür für soziale Gerechtigkeit.

H.-C. Weber arbeitete zwanzig Jahre (1970-1990) in der Klinik für Leistungsmedizin Berlin-Buch. Nach Habilitation 1985 folgte Berufung zum Chefarzt. Als die Einrichtung nach der Wende abgewickelt wurde, ließ sich H.-C. Weber als Internist nieder

trenner

Ein Brief an Mary Gerold

von Kurt Tucholsky

Hindås1

Sollte Er2 verheiratet oder ernsthaft gebunden sein, so bitte ich Ihn, diesen Brief ungelesen zu vernichten. Ich mag mich nicht in ein fremdes Glück drängen – ich will ja nichts. Ich habe nichts zu enthüllen, nichts zu sagen, was Er nicht besser wüßte als ich. Ich habe Ihn nur um Verzeihung bitten wollen. Verspricht also zu verbrennen, wenn das so ist – es soll nichts mehr aufgerührt werden.

Wünscht Ihm das Glück.

N.

Liebe Mala,3

will Ihm zum Abschied die Hand geben und Ihn um Verzeihung bitten für das, was Ihm einmal angetan hat.

Hat einen Goldklumpen in der Hand gehabt und sich nach Rechenpfennigen gebückt; hat nicht verstanden und hat Dummheiten gemacht, hat zwar nicht verraten, aber betrogen, und hat nicht verstanden.

Ich weiß, daß Er nicht rachsüchtig ist. Was er damals auf der Rückfahrt nach Berlin durchgemacht hat; was späterhin gewesen ist –: ich habe es reichlich abgebüßt. Ganz klar, so klar wie das Abbild in einem geschliffenen Spiegel, ist mir das ganz zum Schluß geworden. Nun kommt alles wieder, Bilder, Worte, diese unsäglichen nuits blanches, die ich mir völlig bis auf den heutigen Tag nur damit erklären kann, daß ich es zu hoch angefangen habe, so daß jede Berührung mit der Erde wie eine Entweihung war – die paar Male, wo ich Ihn gefühlt habe, wie nur ein Mann eine Frau fühlen kann, und wie ich Ihn habe gehen lassen – jetzt, wo alles vorüber ist, weiß ich: ich trage die ganze, die ganze Schuld.

Die letzten Nächte habe ich im Bett die Hand nach rechts ausgestreckt, da war keiner. Es ist dasselbe Bett, in dem zum letzten Mal mit Ihm in der Nacht vom 2. zum 3. Dezember 1926 geschlafen hat, wo er gekommen ist, wie ein Tier, das etwas wittert – und hat, wie immer, richtig gewittert. Und jetzt sind es beinah auf den Tag sieben Jahre, daß weggegangen ist, nein, daß hat weggehen lassen – und nun stürzen die Erinnerungen nur so herunter, alle zusammen. Ich weiß, was ich in Ihm und an Ihm beklage: unser ungelebtes Leben. Wäre die Zeit normal (und ich auch), so hätten wir jetzt ein Kind von, sagen wir, 12 Jahren haben können, und, was mehr ist, die Gemeinsamkeit der Erinnerungen.

Hat nicht mehr zu rufen gewagt. Hofft, daß Er meiner Bitte auf dem Umschlag entsprochen hat – das andere wäre nicht schön. Ich darf also annehmen, daß, wenn Er dies liest, er nicht ein Glück stört, das ich mir nicht habe verdienen können.

Nein, zu rufen hat nicht mehr gewagt. Ich habe aus leicht begreiflichen Gründen niemals irgendwelche „Nachforschungen“ angestellt; ob Er verheiratet ist, hätte man mir sagen können – das andere nicht. Und hat vor allem nicht gewagt, weil Ihn nun noch ein zweites Mal aus der Arbeit und allem nicht hat herausreißen dürfen –: ist krank und kann sich nicht mehr verteidigen, geschweige denn einen andern. Mir fehlt nichts Wichtiges und nichts Schweres – es sind eine Reihe kleiner Störungen, die mir die Arbeit unmöglich machen. Ins Elend, das sicher gewesen wäre, konnte Ihn nicht herausrufen – ganz abgesehen davon, daß ich niemals gehofft habe, ob gekommen wäre. Doch. Hat gewußt.

Wäre Er jetzt gekommen, Er hätte nicht einen andern, aber einen verwandelten, gereifteren gefunden. Ich habe über das, was da geschehen ist, nicht eine Zeile veröffentlicht – auf alle Bitten hin nicht. Es geht mich nichts mehr an. Es ist nicht Feigheit – was dazu schon gehört, in diesen Käseblättern zu schreiben! Aber ich bin au dessus de la mêlée,4 es geht mich nichts mehr an. Ich bin damit fertig.

Und so viel ist nun frei geworden, jetzt, jetzt weiß ich – aber nun nützt es nichts mehr. Hat anfangs Dummheiten gemacht, den üblichen coup de foudre5 für 2.50 francs, halbnötige Sachen und hat auch gute Freundschaften gehabt. Aber ich sehe mich noch nach Seiner Abfahrt im Parc Monceau sitzen, da, wo ich mein Paris angefangen habe – da war ich nun „frei“ – und ich war ganz dumpf und leer und gar nicht glücklich. Und so ist es denn auch geblieben.

Seine liebevolle Geduld, diesen Wahnwitz damals mitzumachen, die Unruhe, die Geduld, neben einem Menschen zu leben, der wie ewig gejagt war, der immerzu Furcht, nein, Angst gehabt hat, jene Angst, die keinen Grund hat, keinen anzugeben weiß – heute wäre sie nicht mehr nötig. Heute weiß. Wenn Liebe das ist, was einen ganz und gar umkehrt, was jede Faser verrückt, so kann man das hier und da empfinden. Wenn aber zur echten Liebe dazu kommen muß, daß sie währt, daß sie immer wieder kommt, immer und immer wieder –: dann hat nur ein Mal in seinem Leben geliebt. Ihn.

Es war wie Glas zwischen uns – ich war schuld. Hat nicht gewagt, die paar Witzchen zu machen, die ein junger Mensch gern machen will, und dabei hat Er sie ja grade gewollt. Hat eine lächerliche „Freiheit“ auf der andern Seite vermutet, wo ja in Wahrheit gar nichts ist. Hat immer stiller und stiller gelebt, jetzt ist wie an den Strand gespült, das Fahrzeug sitzt fest, will nicht mehr.

Will Ihn nur noch um Verzeihung bitten.

Ich bin einmal Schriftsteller gewesen und habe von S. J.6 geerbt, gern zu zitieren. Wenn wissen will, wie sich das bei den Klassikern ausnimmt, so lies den Abschiedsbrief nach, den Heinrich von Kleist an seine Schwester geschrieben, in Wannsee, 1811. Und vielleicht auch blättere ein bißchen im „Peer Gynt“ herum, ich weiß nicht, ob wir das Stück zusammen gesehen haben, es ist nicht recht aufführbar. Da kraucht der Held gegen den Schluß hin im Wald herum, kommt an die Hütte, in der dieses Schokoladenbild, die Solveig, sitzt, und sie singt da irgend etwas Süßliches. Aber dann steht da: „Er erhebt sich – totenbleich“ – und dann sagt er vier Zeilen. Und die meine ich.

„o – Angst“ … nicht vor dem Ende. Das ist mir gleichgültig, wie alles, was um mich noch vorgeht, und zu dem ich keine Beziehung mehr habe. Der Grund, zu kämpfen, die Brücke, das innere Glied, die raison d´être7 fehlt. Hat nicht verstanden.

Wünscht Ihm alles, alles Gute –

Und soll verzeihen.

Nungo 8

Anmerkungen:

1 Dieser im Original undatierte Brief wurde bereits Ende November 1935 verfaßt, wird aber, da bis zum Todestag zurückgehalten, dem 19. Dezember zugerechnet. Mary Gerold, die zwischen 1924 und 1933 mit Kurt Tucholsky verheiratet war, hatte nach der Scheidung im Einvernehmen mit T. wieder ihren Mädchennamen angenommen. Sie erhielt den Brief aus den Händen Hedwig Müllers erst nach seinem Tode. Die vorangestellten Zeilen waren auf das verschlossene Couvert des Briefes geschrieben

2 Die indirekte Anrede Mary Gerolds geht auf die Anfänge ihrer Bekanntschaft zurück. Ursprünglich ein „Eroberungsspaß“ (M. Hepp), wurde sie im schriftlichen Umgang weitgehend beibehalten

3 Einer der Kosenamen T.´s für Mary

4 über dem Schlachtgetümmel

5 hier für flüchtige Liaison

6 Siegfried Jacobsohn (1881–1926), ab 1905 Herausgeber der „Schaubühne“, ab 1918 dann „Weltbühne“

7 Daseinsberechtigung

8 Kosename Marys für T.

trenner

Ein Brief an Dr. Hedwig Müller

von Kurt Tucholsky

19.12. 1935

Edel–Voll–Saft–Milch–Stromlinien–
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Trocken–Beeren–Auslese–Tagebuch
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ge4t 4 die un2felhafte Nuna 1
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Ich kann mich irren: mir ist so, wie wenn aus meinem Brief nach Oslo etwas kommen wird. (Aus Basel wird gar nichts kommen.) Sollte das Arbeiterbladet nicht anspringen, wende ich mich an die Studenten, die einen großen, von hundert und mehr Namen unterzeichneten Aufruf für Oss2 erlassen haben. Es scheint doch da ganz anders auszusehen als hier. Die Frauen haben protestiert; einer schreibt über Hamsun3 «Feigling oder Narr», und es geht munter her; er hat mächtig auf den Kopf bekommen. Sein Aufsatz selbst ist nicht einmal hämisch – er ist so dumm, daß man gar nichts sagen kann. Nur einen Fußtritt. Melodie: O. habe ja fliehen können, er habe es selbst geschrieben. Aber das hat er 1932 geschrieben, als Antwort auf ein, sagen wir, ordnungsgemäß ergangenes Reichsgerichtsurteil – nicht jetzt, wo sie ihn widerrechtlich eingesperrt haben. Eine Frau berichtet in einem ausführlichen Artikel, wie es ihm geht. Mir fehlen natürlich manche Vokabeln, im großen ganzen sieht es so aus:

Der letzte Besuch, den er gehabt hat, soll im Juli 35 stattgefunden haben; die Besucherin (seine Frau) soll entsetzt gewesen sein über die Veränderung, die mit ihm vorgegangen ist. Ein alter Mann, der zittert. Viele Herzattacken, daraufhin Dispens von der Arbeit, dann Wiederaufnahme. Einer der Knechte: «Wenn ich Dich Schwein niederschießen könnte, würde ich meinen Urlaub draufgeben!» Die Tatsache, daß er für den Nobelpreis vorgeschlagen worden ist, soll einen «Übergriff niederer Instanzen» bisher verhindert haben – andererseits ist die Gefahr gewachsen, weil er ihn nicht bekommen hat. Kameraden sollen ihm in der aufopferndsten Weise geholfen haben, aber das ist für sie selbst gefährlich. Bei den mindesten Vergehen gibt es Prügelstrafe – 25 Hiebe, die der Gefangene zählen muß, die Schläge, die er nicht zählt, gelten nicht und werden nachgeholt. Es sind bis zu 60 Schlägen vorgekommen. Nach der Schilderung habe ich den deutlichen Eindruck, daß sie ihn eines natürlichen Todes sterben lassen wollen. Er scheint im letzten Jahr nicht geprügelt worden zu sein.

Bitte lach mich nicht aus, daß ich immerzu hin und her schwanke – die Sache ist sehr einfach: ich habe ein böses Gewissen. Die Frage «Deutschland» ist für mich gelöst – ich hasse das Land nicht, ich verachte es. Aber im Falle Oss bin ich ein Mal nicht gekommen, ich habe damals versagt, es war ein Gemisch aus Faulheit, Feigheit, Ekel, Verachtung – und ich hätte doch kommen sollen. Daß es gar nichts geholfen hätte, daß wir beide sicherlich verurteilt worden wären, daß ich vielleicht diesen Tieren in die Klauen gefallen wäre, das weiß ich alles – aber es bleibt eine Spur Schuldbewußtsein. Dazu kommt, daß der Mann natürlich für mich wie für alle seine Mitarbeiter mitleidet. Daher mein Schwanken.

Lassen mich die in Oslo heran, so gehe ich so scharf heran, wie noch nie – und ich lasse mich auch davon nicht abbringen. Etwa im Stile der Frau, die mir im Sommer geschrieben hat … also das nicht. Über den Nobelpreis werde ich nichts sagen und kaum etwas schreiben – darauf hat keiner einen Anspruch, und es erscheint mir als ein Denkfehler, die Kommission zu beschimpfen, die ihm den nicht gibt – natürlich aus Feigheit nicht gibt, was die Norweger auch ganz deutlich sagen.4 Aber diese Kritik gefällt mir nicht, wenn sie von mir kommt.

Daß ich ihm schade, glaube ich nicht. Alles Schweigen hat ja auch nichts geholfen. Natürlich schweige ich, wenn ich auf einen Widerstand in Norwegen stoße, mit Gewalt ist da nichts zu machen. Artikel in den Blättchen … davon verspreche ich mir gar nichts. Das mache ich unter keinen Umständen.

Im Grunde würde natürlich auch mein Appell wirkungslos sein – ich weiß das. Das, was die Kaffern «europäisches Weltgewissen» nennen, gibt es gar nicht. Aber, wie es in einem alten Stück heißt: «Man muß protestieren». Wenn möglich, werde ich das tun.

Und ich habe den Eindruck, daß da ein ganz anderer Widerhall sein wird als hier, im Lande des Kartoffelmehls.

Woselbst – ohne die ungeheuerliche Ironie zu ahnen – ein nach der bürgerlichen Seite umgefallener Mann neulich bei dem hiesigen Ullstein geschrieben hat: «Der König, der am sichersten in Europa auf seinem Thron sitze, sei der hiesige. Vorausgesetzt, daß alles so bleibt, und daß die Monarchisten nicht zur Macht kommen. Aber solange er von Sozialdemokraten umgeben sei …» Dies aber durchaus nett gemeint. Genau so sind sie. Eine verächtliche Gesellschaft.

Und während der im Konzentrationslager leidet, muß man photographiert sehn, wie der große Sportredakteur Stockholms wohnt … wie ein Fürst. Er wird zu den Olympischen Spielen fahren, und es wird ein großer Erfolg sein.

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Brüning5 hat um die Erlaubnis gebeten, nach Deutschland zurückzukehren. Ein Jude, auch er. Wenn Du damals erlebt hättest, wie dieser Kerl, der den Faschismus vorbereitet hat, das Maul aufgerissen hat, wie er Hitlern bekämpft hat … und nun kommt er gekrochen. Natürlich haben die Deutschen verlauten lassen, sie hätten ihm nie den Aufenthalt in Deutschland verboten. Wie sagt Halperin?6 «Und was ist jetzt –?» Aber sage das den Herren Brüning, Wolff pp. – sie werden es gar nicht verstehen.

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Aus den Erinnerungen des alten berliner Zeichners Zille:

In der Malplaquet-Straße war ein Pferd gefallen. Schutzmann, Auflauf. Nun konnte aber der Schutzmann das Wort «Malplaquet» nicht schreiben. Daraufhin schleiften sie das Tier in die See-Straße, und da wurde denn das Protokoll aufgenommen.

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Die Argumentation von Frauen ist überall die gleiche. Bei Fontane, der das wohl bei seiner Frau gelernt hat, stehen solche Sachen. Die Zimmervermieterin, die mit ihrer Tochter ins Theater zu «Kabale und Liebe» geht, sagt, als der alte Kammerdiener auftritt: «Sieh doch mal auf dem Zettel nach, wie der heißt – er zittert ja so furchtbar», eine logische Verbindung, die nur eine Frau fertig bringt. Und ganz herrlich bei Simenon, wie der Held seiner kleinen Negerin (die mich übrigens merkwürdig an die Gräfin erinnert, in ihrer Vogelhaftigkeit – o wie o) – also er macht ihr Vorwürfe, sie habe mit einem Neger etwas gemacht. «Mais ça ne fait rien», sagt sie, «je ne le connaissais même pas.»7

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Aus dem einzigen pornographischen französischen Buch, das ich besitze: «Elle ne savait si le savoir-vivre de cet acte réclamait qu’elle avalât tout. Une femme de bonne éducation ne crache pas.»8

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Daß ich mein Leben zerhauen habe, weiß ich. Daß ich nicht allein daran schuld bin, weiß ich aber auch. Mein Gott, wäre ich in Frankreich geboren …! Ich brauche mich nur ans Klavier zu setzen und an den Heggitschwyler9 zu denken, dessen Namen ich nie richtig schreiben werde, und mir fallen die Chansonskizzen haufenweise ein. Ich will nicht sagen, daß das alles so herrlich witzig und schön auf Anhieb ist – ich arbeite natürlich nichts aus, denn wozu? Dazu müßte ich die Stadtchronik kennen, mit dem Kollegium, das diese Sachen da baut, zusammen saufen, lachen und leben – dann flutschte es nur so. Wie also zum Beispiel der Emil unter einem triefenden Regenschirm steht, alles an ihm trieft, und hinter der Bühne arbeitet eine Regenmaschine, (Erbsen auf Blech, das kostet gar nichts), und er singt ein Lied, dessen einzelne Strophen alle anfangen:

Wenn es in Zürich regnet – –

ein langsamer Walzer in Moll. Und dann zählt er lauter Sachen auf, die man bei Euch vermißt, und dann heißt es immer: z. B. (Daß die – wo die Fronten verwalten – auch ihre Versprechungen halten –)

Das ist mir noch nie begegnet –
Wenn es in Zürich regnet – –

Texte im Dreivierteltakt kann man übrigens nicht aufschreiben, dazu gibt sich die deutsche Sprache nur sehr schwer her. Ich kenne Noël-Noël (den Du nicht versäumen solltest, wenn er mal im Film auftritt, wo er eine Figur namens Ademai erfunden hat) – ich weiß, wie man das macht. Französisch könnte ich das natürlich nie – dazu muß man mit einer Sprache aufgewachsen sein. Aber ich weiß, daß dieses Talent in mir beinah tot schlummert – wenn man Bellmann, den Schweden, und die französischen Chansonniers nicht ermuntert hätte, dadurch, daß man ihnen zuhört, wären sie auch nichts geworden. Mich haben sie falsch geboren.

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«Menschen in Weiß» sollte man ganz anders auffassen. Heute, wo sich jeder einen weißen Schutzrock anzieht, wenn er seine Sache macht, bekommt dieser Rock eine gradezu symbolische Bedeutung. Nämlich die der Verantwortungslosigkeit nach außen. Es ist viel leichter, in der Schweiz das Kaisertum einzuführen, als vom Publikum her den Fahrplan der städtischen Straßenbahn zu ändern. Wer Humor hat, prüft sich selbst –: wir sind alle so. («Da könnte ja jeder kommen – irgend jemand von außen!») Diese Selbst-Aufgabe des Individuums, wenn es in der Gruppe aufgeht, ist eine Sache, die jedesmal, im Einzelfall, fast mystisch vernebelt wird – aber wäre dieses soziologische Gesetz, denn es ist eines, ins Bewußtsein der Massen gehoben, wäre manches getan. Die Vergottung der Institution und ihrer Spielregeln ist etwas unsagbar Widerwärtiges. «Aber sonst könnte keine Ordnung sein!» – Ohne Regeln: nein. Ohne Vergottung: ja. Wieviel Fehler werden damit verborgen.

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Daß Du mich nicht für einen Troppel hältst: ich schreibe dieses alles so kunterbunter für Dich auf, dies ist ja keine Literatur. Ich gebe mich also bezüglich Oslos keinen Illusionen hin – wenn ich dahinkäme, wird es so aussehen wie überall auch. Kaffern – die dicken Koofmichs – idealistische Studenten, die leider, leider, ihren Idealismus nach dem russischen Winde hängen – ich weiß das alles. Irgend eine Hoffnung für die Zukunft ist das nicht. Aber immerhin – – –

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Daß Bern einmal ein Exempel an einem Boche statuiert hat, freut mein Herz. Dieser Bundesstenograph, der erst dem Nationalsozialismus abgeschworen hat, um seine Pension nicht zu verlieren, ist so recht ein schönes Beispiel für die Couillons. Entweder und oder. Behandelte man sie aber alle so, hätte man diese Sache von Anfang an so behandelt –: wir ständen heute anders da.

Über die klägliche Haltung Brünings gibt es übrigens eine Prophezeiung Ossens aus dem Jahre 1932, die etwas Staunenswertes hat. Diese Satire, die damals wild ausgreifend erschien, wirkt heute fast zahm – sie ist zu optimistisch. Aber er hat gesagt, Brüning bitte dann um Eintritt in die Reichswehr, unter Schleicher als Feldwebel. Im Geistigen ist das ganz richtig. Und schließt, im Hinblick auf die liberalen Republikaner, Ullsteine und andern:

«Wir haben keine Wähler mehr und keine Leser, man hat uns windelweich geprügelt, man hat uns das Rückgrat gebrochen, aber nicht unsere unbeugsame Entschlossenheit, uns so lächerlich wie möglich zu machen.»

Heiliger Hilferding!10 Bitte für uns.

P.S. Daß der Mann im Februar nicht gegangen ist, halte ich jetzt für eine klare Haftpsychose.

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Pladderadatsch. Die Osloer haben gesagt, wenn es etwas früher gekommen wäre, dann hätten sie sich sehr gefreut. Das glaube ich deshalb, weil sie der Sache sehr viel Raum gewidmet haben – man kann da nichts sagen. Schade. Ich berichte dann weiter; ich muß mal sehn, ob ich man nicht doch etwas drehn kann.

 

1 Nuna, auch Nuuna, Kosename T.´s für seine enge Zürcher Freundin, die Ärztin Hedwig Müller

2 Carl v. Ossietzky (1889-1938), Journalist und Schriftsteller. Seit 1927 unter Mitarbeit von Kurt Tucholsky Herausgeber der „Weltbühne“. Im Weltbühne-Prozeß von 1931 war Ossietzky wegen der Aufdeckung der noch verbotenen Aufrüstung der Reichswehr des Landesverrates und der Spionage angeklagt, zudem auch für den Satz von Tucholsky „Soldaten sind Mörder“. T. hatte erwogen, diesem Prozeß beizuwohnen, wegen der großen Gefahr, ebenfalls inhaftiert zu werden, darauf aber verzichtet

3 Knut Hamsun (1859-1952), norwegischer Schriftsteller und Literatur-Nobelreisträger des Jahres 1920. Lange von T. verehrt , kollaborierte H. mit den Nazis, verunglimpfte die Vergabe des Nobelpreises an Ossietzky und rechtfertigte die Existenz von Konzentrationslagern

4 Entgegen T.´s Vermutung ,bekam Ossietzky 1936 den Friedensnobelpreis rückwirkend für das Jahr 1935, erhielt von den Nazis, die ihn in den KZs Sonnenburg und Esterwegen zu Tode marterten, jedoch keine Ausreise zur Entgegennahme

5 Brüning (1885-1970), von 1930 bis 1932 deutscher Reichskanzler

6 Josef Halperin (1891-1975), Schweizer Journalist, Schriftsteller und Gewerkschafter

7 „Aber das macht doch nichts“, sagte sie, „ich kannte ihn ja nicht einmal.“

8 „Sie wußte nicht, ob der Anstand es erforderte, dabei alles herunterzuschlucken. Eine Frau von guter Erziehung spuckt nicht.“

9 Emil Heggitschwyler (1887-1959) populärer Volksschauspieler der Schweiz

10 Rudolf Hilferding, (1877-1941), sozialdemokratischer Politiker, zweimal Reichsfinanzminister

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