13. Jahrgang | Nummer 1 | 18. Januar 2010

Horrorskop 2010

Januar: Bereits der erste Monat des neuen Jahres hält einen Paukenschlag bereit: Wie der Leiter der Stasi-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, mitteilt, haben lückenlose Nachforschungen ergeben, daß der ehemalige Westberliner Polizeibeamte Karl-Heinz Kurras im Auftrag der Stasi nicht nur den Mord an dem Studenten Benno Ohnesorg, sondern auch die Attentate auf Wolfgang Schäuble, Oskar Lafontaine, Walter Rathenau, Erzherzog Franz Ferdinand und Frau, Abraham Lincoln, John F. Kennedy sowie Julius Cäsar verübt hat.
Mit der langerwarteten Fusion von Müntes- und Rudis-Resterampe steigert die SPD unter Siegmar Gabriel ihre Basisorientierung und Anziehungskraft auf Anhieb um das Halbfache.

Februar: Anknüpfend an positive Erfahrungen aus dem afghanischen Kundustal, beschließt Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg, die Prävention weiter zu erhöhen und künftig Luftschläge auf die Taliban-Lieferanten Kalaschnikow im russischen Ischewsksowie sowie der amerikanischen Waffenschmiede Waltham zu veranlassen. Das Betroffenheitsressort der Hardt-Höhe arbeitet bereits an entsprechenden Presseerklärungen.
Unschlagbarer Höhepunkt der närrischen Zeit ist kurz vor deren Abschluß eine vom Bundesverband Deutscher Banken und dem Vorstand der Deutschen Börse gemeinsam verfaßte „Ehrenerklärung“, die als neutraler Gast BDA-Chef Dieter Hundt in der Bütt des Deutschen Bundestages verliest.

März: Nach dem Vorbild des Hauptmanns von Köpenick putscht der Erfurter Linken-Chef Bodo Ramelow, ruft die Sozialistische Republik Thüringen aus und läßt sich auf Überlebenszeit zu Bodo dem Ersten und Letzten küren.
Der Marx-Engels-Forschung gelingt eine bedeutende Entdeckung: Nach dem Abgleich mit verschiedenen handschriftlichen Entwürfen der Autoren zum berühmten „Manifest der kommunistischen Partei“ erweist es sich, daß die irrtümliche verwendete Präposition „in“ im Eingangssatz „Ein Gespenst geht um in Europa“ dem Original getreu durch einen Doppelpunkt zu ersetzen ist!

April: Deutschland übernimmt neuerlich die Vorreiterrolle in der globalen Klimapolitik, indem die schwarz-gelbe Regierung die Erderwärmung – nach vorheriger Prüfung durch den Bundesgerichtshof – verbietet, für überzähliges CO2 eine Abwrackprämie aussetzt und das Klima durch eine Treuhandgesellschaft abwickeln läßt.
Zur weiteren Förderung des innereuropäischen Vertrauensverhältnisses beschließt das Europäische Parlament in Brüssel die Errichtung von gleichwertigen und -berechtigten EU-Zentralen in allen 27 Mitgliedsländern, wo die 736 Abgeordneten künftig im wöchentlichen Wechsel tagen werden.
Die nach der Schweizer Volksabstimmung ermutigten Initiative Pro Köln gegen den Bau von Moscheen in der Rheinmetropole beugen sich einem Kompromißvorschlag der Stadt, demzufolge muslimische Gotteshäuser grundsätzlich nur mit unterirdischen Minaretten errichtet werden dürfen. Überschattet wird diese einvernehmliche Lösung durch einen Streit über die maximale Tiefe dieser Türme.

Mai: Aufsehen erregt eine Sammelklage, die Benedikt XVI in Rom von einer Abordnung der „Kirche von ganz unten“ zwecks Weiterleitung an seinen Vorgesetzten entgegennimmt. „Wenn es stimmt, daß der Mensch die Krone der Schöpfung ist“, so heißt es in dem Schreiben, “müßte der HERR zumindest wegen groben Unfugs belangt werden können.“
Schalke 04 wird deutscher Fußballmeister 2010, die stolze Heimatstadt des Klubs nimmt umgehend ihre Umbenennung in Gazpromkirchen vor.

Juni: Der nach einer Operation wiedergenesene Linken-Chef Oskar Lafontaine trennt sich wie allgemein erwartet von seiner Ehefrau Christa Müller, heiratet überraschend aber nicht Sahra Wagenknecht oder Erika Steinbach sondern Elisabeth Noelle-Neumann, womit die Linkspartei die Lufthoheit in der bundesdeutschen Demoskopie übernimmt.
Nach einer Expertise durch den namhaften Plastinator Gunther von Hagen handele es sich beim Tokio-Hotelier Bill Kaulitz sowie dem Modemacher Harald Glööckler entgegen landläufiger Gewißheiten um wirkliche Lebewesen, was die „Kirche von ganz ganz unten“ neuerlich veranlaßt, beim Heiligen Stuhl vorstellig zu werden.

Juli: General Motors läßt sich Rainer Brüderles Porträt im Verbund mit dessen Lautschöpfung „Schell Moohders“ als neues Firmenlogo patentieren und sieht so der raschen Gesundung des Konzerns entgegen.
Nachdem der Alkoholismus unter Bankern und Brookern unhaltbare Zustände angenommen hat, verfügt die Bundesregierung, daß deren Löhne und Boni künftig nur noch in Form von Knäckebrotgutscheinen ausgezahlt werden dürfen, was die Burger Produktionsstätte umgehend zu einem Dax-Unternehmen aufwertet.

August: Nach brutalstmöglicher Überprüfung mehrerer hunderttausender in ihrem Verantwortungsbereich ausgetragenen Fußballspiele präsentiert die UEFA in Lausanne während einer aufsehenerregenden Presskonferenz ein Match, das ebenso unmanipuliert wie ungedopt abgelaufen sein soll. Für die Korrektheit der freundschaftlichen Begegnung zwischen dem gastgebenden walisischen Verein Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllanttsiliogogogoch* gegen das neuseeländische Team von Taumatawhakatanghangakoauauotamateaturipukakapikimaungaoronukupo-kaiwnenuakitanatahu** verbürgen sich die insgesamt neun teilnehmenden Spieler, das einköpfige Schiedsrichterkollektiv sowie der Platzwart und die sieben teilweise anwesenden Zuschauer.

September: Wie durch aufmerksame Mitarbeiter des Entwicklungshilfeministeriums erst jetzt entdeckt wird, ist Amtschef Dirk Niebel bei einem Arbeitsbesuch im Februar auf der südpazifischen Insel Tonga entführt worden. Das Kabinett Merkel erklärt sich gegenüber einer Lösegeldforderung von 60 000 Kaurimuscheln als in diesem Falle nicht erpreßbar, zumal es mit seinem knappen Bestand dieser unentbehrlichen Währungsreserve im Gegensatz zu Mi nisterdarstellern nicht nach Belieben aasen könne.

Oktober: Als Symbol nachhaltiger Anerkennung für all jene Ostdeutsche, die in der DDR ein richtiges Leben im falschen führen mußten (die Namen sind der Regierung bekannt), beschließt das Parlament, den Bundesadler im Wappen der deutschen Republik durch das gesamtdeutsch anerkannte Sandmännchen zu ersetzen.
Henryk M. Broder gibt seine Kandidatur als künftiger Präsident der Taliban bekannt und wird in Tora Bora aufgrund seiner unerreicht schreckenverbreitenden Fähigkeiten einstimmig in dieses Amt gewählt.

November: Nachdem im Zuge der weiteren Hochschulreform die Wiedereinführung von Kopfnoten für Studierende, des Staatsbürgerkundeunterrichts, sowie des Unterrichtstages in der kapitalistischen Produktion (UKP) in Kraft getreten ist, meldet die 4. Generation der RAF ihre Organisation in Wiesbaden als eingetragenen Verein an und erhält eine amtliche Steuernummer. Zu den ersten Forderungen der Terroristen gehören die Ersetzung der Studienfächer BWL, katholische Soziallehre sowie Steuerrecht durch Handgranatenweitwurf, Sprengstoff- und Entführungskunde.

Dezember: Wolfgang Schäuble meldet sich aus seinem wohlverdienten Ruhestand als Bundesfinanzminister mit einer kreativ-fiskalischen Initiative zur Haushaltsanierung und Konjunkturbelebung. Bei Wegfall der Lohnfortzahlung auch im Gesundheitsfall und die Überführung dieses Finanzpostens in das Steueraufkommen, so der Kern einer von ihm eingebrachten Gesetzesvorlage, könnte Deutschland seinen langjährigen Platz als Exportweltmeister mühelos gegen die asiatischen Anfechtungen verteidigen. Da diese Maßnahme zudem auch Arbeitsplätze bis hin zur Vollbeschäftigung sichere, sagen die Gewerkschaften eine wohlwollende Prüfung des Vorschlags zu.

Für Freunde der deutschen Sprache:
*„Kirche der heiligen Maria am Teich der weißen Haselnussbäume, in der Nähe des schnellen Strudels an der roten Grotte der Kirche des heiligen Tysilio”
** “Der Felsgipfel, den Tamatea, der Mann mit den dicken Knien, hinabglitt, als er auf einer Flöte seiner Geliebten vorspielte.”

Für die Verbindlichkeit der Vorhersagen verbürgt sich: Heinz W. Konrad