Des Blättchens 12. Jahrgang (XII), Berlin, 3. August 2009, Heft 16

Alle auf den Mond schießen

von Helmut Höge

Im Berliner Haus der russischen Kultur traten einmal der US-Astronaut Charles Duke und seine Ehefrau Dotty auf. Den beiden ging es primär um ihren Gottesbeweis. »Charlie« leitete den Vortrag mit seinem Spaziergang auf der dunklen, »erdabgewandten Seite des Mondes« und seiner anschließenden Ehekrise ein: »Wenn ich zu Hause war, gab ich meinen Kindern Befehle, als wäre ich ein General, der ich auch tatsächlich war.« Dotty wurde derweil immer depressiver: »Als er vom Mond zurückkam, hatte er sich nicht geändert!« Dazu konnte man für zwei Euro ein Büchlein von ihr erwerben: »Die Gattin eines Astronauten. Von der Traurigkeit zur Freude«.
Ihr Mann ist inzwischen Priester in Texas, sein Geld verdient er als Bierhändler – wobei er einer seiner besten Kunden sei, wie der Berliner Kurier schrieb. Ich unterhielt mich anschließend noch mit dem letzten – ebenfalls religiös gewordenen – US-Kommandanten des Spandauer Kriegsverbrechergefängnisses Eugene K. Bird, der in einem von Albert Speer im Knast entworfenen Haus in Dahlem lebt und Vertreter für Ofenrohrreiniger ist. Er meinte, Martin Bormann habe nach dem Krieg für den CIA gearbeitet und wäre erst 1992 in Argentinien gestorben, einer seiner Söhne sei von Walter Scheel adoptiert worden, und Rudolf Hess, der zuletzt ebenfalls zum Christentum zurückfand, sei von den Westalliierten ermordet worden … Der Nazismus, der Wahn von der Überlegenheit einer Rasse, sei im übrigen nicht tot, sondern lebe in Amerika weiter. Vor allem der Wahn von der Überlegenheit des christlichen Gottes – zum Beispiel gegenüber dem Mondgott »Trival« der Fulbe in Burkina Faso. Immerhin hat dieser noch jeden Ami-Astronauten, der den Mond betrat, durchknallen lassen: Der größenwahnsinnige Ed Mitchell (Apollo 14) behauptet seitdem, Außerirdische hätten ihn zu einem »Guru« ausgebildet. Der Schwachkopf Jim Irwin (Apollo 15) suchte danach die Arche Noah auf dem Berg Ararat und wurde Wanderprediger. Der Alkoholiker Edward Aldrin (Apollo 12) vergnügte sich oben angeblich mit »Weltraum-Groupies« und schreibt seitdem Sciene-Fiction-Pornos. Der »erste Mensch auf dem Mond« – Neil Arrnstrong – unterstützte zuletzt die beiden Bush-Präsidenten. Dazu muß man wissen, daß die NASA die Astronauten rein nach physischen Kriterien auswählte. Sie durften nicht intelligenter als Schimpansen sein.
Allerdings waren und sind auch ihre NASA-Chefs nicht gerade Zierden der Menschheit: Wernher von Braun und sein Spezi Arthur Rudolph ließen vor ihrer US-Karriere tausende von Zwangsarbeiter in Peenemünde zu Tode schinden, Rudolph flüchtete 1984 zurück in die BRD, weil man ihn deswegen in den USA gerichtlich belangen wollte. Der jetzige NASA-Manager Jesco von Puttkamer war für das Geldeintreiben zuständig, dazu trat er regelmäßig in der BRD auf, wo er über den »Weltraum als Markt« schwafelte und seine »Visions « von der »Humanisierung des Alls« verbreitete. Im Spiegel schwärmte er kürzlich von der geplanten »Mondstation«, die es den Astronauten erlaubt, länger dort oben zu bleiben und an der sich auch Rußland beteiligen wird.
Während jedoch für die gottlosen Sowjets die Erde harmonisch mit dem Kosmos verbunden war, stellt dieser für die Amis eine »New Frontier« dar, die kolonisiert werden muß. Dazu gibt es nicht nur einen Grundstücksmakler inzwischen, der bereits tausende von Mond-Quadratkilometer verkauft hat, sondern seit den Prophezeiungen des Club of Rome zu Umweltverschmutzung, Hunger, Ressourcenknappheit und Überbevölkerung 1973 auch jede Menge NASA-Szenarios für »Human Colonies in Space«. In dem ersten kam der Princeton-Physiker Gerard O’Neill zu dem Schluß, »daß es weniger Dreck mache, einen Menschen in den Weltraum zu befördern, als ihn auf der Erde zu lassen«. Dazu müßte jedoch der amerikanische Kongreß ein Gesetz verabschieden, das den Kolonieerbauern den Wunschtraum des Amerikaners erfüllt, nämlich ein schuldenloses Eigenheim in der Weltraumkolonie.
»Diese Maßnahme wird die Kolonisierung des Weltraums fördern.« Neben unentfremdeter Arbeit und extraterrestrischem Kunsthandwerk würde es dort neue, unschuldige Freizeitvergnügen geben, wie 3-D-Fußball, schwebende Schwimmbäder, meditative Weltraumausflüge oder Sex bei zero-gravity. Noch irrer war das Konzept des Harvard-LSD-Psychologen Timothy Leary: Wir seien dazu bestimmt, im Weltraum zu siedeln, behauptete er und legte dazu das Programm S.M.I.L.E. auf: Space Migration, Intelligence Increase und Lifespan Extension. Als er darüber im Westberliner Tempodrom referierte, wollte die Popsängerin Nina Hagen anschließend sofort die Erde verlassen.