Des Blättchens 12. Jahrgang (XII), Berlin, 30. März 2009, Heft 7

Nach der Krise ist nicht vor der Krise

von Max Hagebök

In allen Blättchen dieser Welt ist »Die Krise« eine nie endenwollende Geschichte.
Da wird hoch und runter geschrieben, was der Welt ökonomisch droht. Apokalypsenartig werden die Bilder des ökonomischen Desasters gemalt. Die demokratischen und ökologischen Themen bleiben außen vor. Die politischen Ränkespieler versprechen gleichzeitig, dies und das zu lösen. Doch der politische Aktionismus schlägt Purzelbaum und kracht in das Eingemachte der herrschenden Wirtschaftslehre.

Es ist paradox, daß die, die das wirtschaftliche Desaster seit Jahrzehnten vorbereitet haben, also die Politiker und die Manager, plötzlich retten wollen, was sie nicht mehr verstehen. Sollten sie es geglaubt haben, die Geister zu verstehen, die sie riefen, dann saßen sie dem Irrglauben vom selbst regulierenden Markt auf.

Was bleibt?

Alle sind mit ihrem Latein am Ende. Hilflos werden Gelder in den wirtschaftlichen Kreislauf gepumpt, der gerade schlapp macht. Ungefähr so ähnlich würde sich ein Arzt verhalten, wenn er gegen Bluthochdruck ein Mittel verschreibt, welches diesen nach oben treibt.

Die Helden der Neuzeit machen gerade diesen Fehler. In ihrer eindimensionalen Sicht auf den Fortschritt dieser Welt setzen sie ihn mit wirtschaftlichem Wachstum gleich. Obwohl sie wissen können, daß die Krise durch ein unkontrolliertes Wachstum in fast allen volkswirtschaftlichen Bereichen erst entstand.

Die Immobilienkrise in den USA entstand dadurch, daß allen und jedem ein Haus und der damit notwendige Kredit aufgequatscht wurden. Die Finanzkrise beruht in allen seinen Verästlungen auf einen hemmungslosen Konsum und: Geld sollte Geld erwirtschaften. In immer kürzeren Abständen erkauften sich die Erwerber marginal veränderte Alltagsbewältiger. Ich konsumiere also bin ich. Der moderne Mensch wechselt sein Handy, sein Auto, seinen Computer immer schneller. Im Schnäppchengalopp einmal runderneuert in zwei Jahren.

Wachstum sollte der Motor und die Lösung für die Probleme dieser Welt sein. Dabei wurde das Wachstum zum Problem. Es ist nicht möglich, in den endlichen Grenzen eines Lebens und dieser Welt hemmungslos zu wachsen. Die körperlichen Begrenzungen der natürlichen Welt und somit auch des Homo sapiens beenden irgendwann den Wahn vom immer neueren Produkt fürs Nichts. Die klassische Industriepolitik und Konsumsteuerung sind Ausdruck einer Welt, die sich von der Natur emanzipiert hatte und somit zum Totengräber ihrer selbst wurde. Die Massenproduktion geht ihrem Ende entgegen. Sicherlich nicht in den nächsten zehn Jahren, dafür gibt es zu viele weiße Flekken auf der Konsumlandkarte der Unternehmen, aber in Zukunft werden nur die Entwicklungen wachsen, die die Erde und die Menschheit erhalten.

Und trotzdem ist die jetzige Krise ein politisches Lehrstück.

Erstens fällt etwas Grundlegendes zu den Geschlechtern auf. Es ist bewiesen, daß Weib und Mann gleich dämlich und arrogant sein können. Ob in Politik oder Wirtschaft, ob in Medien oder in der Wissenschaft, die eindimensionale Dummheit verbindet die Geschlechter.

Zweitens ist festzustellen, daß die moralische Reife proportional zur internationalen Verschmelzung der Volkswirtschaften wächst. Früher hätte sich die jetzige Krise in einem Weltkrieg aufgelöst. Dies bleibt uns diesmal – so ist zumindest zu hoffen – erspart.

Drittens ist die reine Lehre vom selbst regulierenden Markt praktisch gescheitert. Jeder Euro an Steuergeldern für marode Banken und Unternehmen läßt den Glauben an die Marktkräfte schwinden.

Viertens wird immer deutlicher, daß die Propaganda fest in den Händen der Wachstumsbefürworter ist. Jede Gegenaufklärung steht auf verlorenem Posten.

Fünftens ist anzumerken, daß die politische Linke von allem etwas weniger will als die herrschenden Politiker, aber deswegen nichts anderes.

Sechstens bedeuten die anderen Erkenntnisse: Es wird wohl ohne Politiker gehen müssen.