Des Blättchens 12. Jahrgang (XII), Berlin, 16. März 2009, Heft 6

Lift me up

von Henryk Goldberg

Das wird ein Tag, das volle Programm. Erst die Rede, dann die Party. Nur der Termin steht noch nicht fest. Das wird bestimmt ein Heidenspaß. Und Heidenspaß kostet Heidengeld. Bis zu 7000 Euro, schreiben sie mir jetzt. Und das sei doch ziemlich viel Geld, und ob ich da nicht etwas ansparen möchte. Ich bin nicht sicher, aber schön wär’s schon.

Sonst lästern sie vielleicht alle bei der Party. Nee, was der wieder für ein Geld kostet. Alles für das bißchen Spaß heute. Und damit das nicht geschieht, bieten sie mir an, anzusparen. Damit ich entspannt mein Leben genießen kann. Und meine Beerdigung.

Aber ich glaube doch eher nicht. Ich glaube, ich will meine Beerdigung nicht versichern. Ich spare lieber ein bißchen was für die Zeit davor. Ich bin da, was Fortbewegungsmittel betrifft, sehr leicht manipulierbar durch Werbung. Die Garantie für Mobilität und Unabhängigkeit, so was spricht mich an. Oder der garantierte »24-Stunden-Notdienst«. Oder leise-sauber-sicher. Das sind so die technischen Details. Aber Mobilität ist heute etwas anderes als der Weg von hier nach da. Es ist Lifestyle, ist Lebensgefühl, Lebensfreude. Da fällt ein formschönes Design schon ins Gewicht.

Und überhaupt, das Outfit. Die Kommunikationswissenschaftler kommunizieren, daß der Leser heute mehr gucke als lese, irgendwie geht mir das auch so. Dieses Bild zieht mich immer wieder voll in das Thema und seine Botschaft. Irgendwann fand ich, es gab wohl noch ein paar andere, Don Johnsohn cool und lässig, heute sehe ich meine Zukunft in diesem Mann und seiner souveränen Grandezza. Irgendwie hat der Beruf mit Schlipsen nie recht zusammengepaßt. Heute eine konspirative Recherche in der Kanalisation unter dem Theater, morgen nächtlicher Beobachtungsposten im Blumenbeet unterm Fenster der bekannten Schauspielerin, na, Sie wissen schon, da ist das irgendwie nicht passend mit dem Schlips. Es ist einfach nicht angemessen für uns Rechercheschweine.

Aber dann, aber später, dann will ich sein wie dieser Typ. Der hat eine feine Fliege unterm Hals, einen schönen Schnurrbart unter der Nase, eine chice Strickjacke über der Schulter und eine große Zufriedenheit im Gesicht. Und er fährt und fährt. Die Treppe rauf und runter. Denn er fährt diesen wirklich tollen Treppenlift. Und es scheint, als blicke er mit mildem Bedauern auf die armen Mitbewohner des Hauses, die es nicht so schön haben, die müssen laufen. Und außerdem hat er vermutlich die 7000-Euro-Party finanziell abgesichert. Er hat gewißlich seiner Familie wertvolle emotionale und finanzielle Unterstützung geschenkt und sich selbst das Gefühl, verantwortungsvoll, vorgesorgt zu haben. Da kann ein Mann schon einen Stolz bekommen und eine Souveränität. Vielleicht auch, daß er bald 81 wird, da freut er sich besonders. Dann nämlich braucht er keine Beiträge mehr zu zahlen, dann geht die monatliche Prämie in die Familienkasse. Und dann, hat ihm die Familie vielleicht versprochen, dann wird es richtig schön. Dann gibt es ein Vollbad.

Endlich wieder ein Vollbad, ruft unser Mann entzückt sowie begeistert. Denn von dem eingesparten Geld kauft ihm die Familie jetzt einen Wannenlift. Und vielleicht so einen richtig guten. Mit allen Funktionsteilen aus Edelstahl, mit Rückenlehne und Notruf. Oder der, wo versprochen ist: Sie sitzen direkt am Wannenboden und kein Gestell in der Wanne.

Ohne Zweifel, es gibt viele Gründe, sich auf das Alter zu freuen, auf die Zeit, die vielleicht zehn Jahre nach der Rente beginnt. Ich wüßte sie nur gern. Indessen, wenn gar nichts mehr geht mit Treppen- und Wannenlift, dann bleibt immer noch der Stoßseufzer: Lift me up.