Des Blättchens 12. Jahrgang (XII), Berlin, 30. März 2009, Heft 7

Blasenschwäche

von Franz Schandl, Wien

Kredite, das lehrt diese Krise, sind organischer Bestandteil des Kapitals und können daher zu faulen beginnen. Die Frage ist nur, fault der Kern, oder ist er wie alle Apologeten behaupten, noch kerngesund. Es ist wohl so, daß nicht nur einige Kredite faul sind. Morsch sind die Balken und Stützen des Systems. Immer weniger überzeugt die vermeintliche Festigkeit. Der Kapitalismus bewegt sich wohl im Zustand einer modernden Modeme. Dagegen helfen nur neue Duftformate. Wir sind auf Blasensuche.

Geldeigner befinden sich zur Zeit in einer komischen Situation. Geben sie es auf der einen Seite aus, das Geld, kommt es möglicherweise auf der anderen nie wieder zurück. Halten sie es jedoch fest, fiirchten sie (mehr instinktiv als bekußt), daß es – gleich anderen Anlagen – verfallen könnte. Wahrlich, die Geschäftsgrundlagen, die wanken. Aufgabe der ideologischen Apparate ist es, die Verunsicherung zu eskamotieren. Da helfen nur noch Fürbitten in der Art: »Mehr Stimmung bitte! Auf das richtige >mindset< kommt es an.« (Die Presse, 15. März 2009)

Im autosuggestiven Stadium geht Innovation in Animation über. Das aktuelle Beispiel etwa sind die Verschrottungsprämien für Altautos und Anreize verschiedenster Art, nur um das Geld ja zirkulieren zu lassen. Politik und Medien sind fieberhaft auf Blasensuche.

So will das bürgerliche Gemüt die Blasenstörungen auch nicht als Platzen von Organen wahrnehmen, sondern bloß als zeitweiligen Blasenkatarrh. Es mag zwar brennen, einiges Kapital sogar verbrennen, aber morgen, nach der Kur mit Blasentee Marke Earl Keynes wird alles wieder ganz normal laufen. »Das Weltfinanzsystem – vom Absturz zum Neuanfang. Ist ethisches Investment ein Ausweg aus der Krise?«, lautet eines dieser typischen Symposien, wie sie jetzt laufend abgehalten werden. Und es ist auch nicht gänzlich auszuschließen, daß staatlich oder gar überstaatlich organisierte Megablasen entstehen und die Menschen mit neuem Kredit erfüllen können. In der Wirtschaft sei vieles Psychologie, sagen die Vertreter der ersteren. Dem ist noch viel mehr so. Eifrig wird diskutiert, welche Narkose noch wirken könnte. An welche Blasen gedenken wir noch zu glauben?

Am Wichtigsten ist jetzt die Rekonsolidierung der Kreditwürdigkeit. Daher tritt die öffentliche Hand auf den Plan, um die unsichtbaren Hände des Markts wieder zum Handeln zu bringen. Der viel gescholtene Staat hat jetzt Vertrauen zu schaffen mit Bürgschaften und Unterstützungen, also einer Sicherung durch Geld, das er zwar nicht hat, aber von dessen Verzinsung er sich sogar Gewinne einredet. Dann, wenn die Krise vorbei ist und alles brav retourniert wird. Notfalls wird Geld gedruckt und gehofft, daß es sich am Finanzmarkt doch noch einmal rechnet. Blasen wir uns nochmals auf.

Daß hingegen die Steuerzahler einspringen könnten, um die drohenden Verluste zu decken, ist unwahrscheinlich, denn woher sollen sie das viele Geld nehmen. Zu Hause drucken? Trotz allem Privatisierungswahn, hat das noch niemand vorgeschlagen. Es ist somit die Frage zu stellen, ob Verluste dieser Dimension überhaupt noch sozialisierbar sind. Ob »Wir zahlen eure Krise nicht« nicht eher ein Faktum als eine Forderung ist, weil die staatlichen Garantien durch die Steuerzahler nicht mehr aufgebracht werden können. Aber selbst wenn es ginge und man tatsächlich den Leuten das Letzte wegnähme – womit sollen sie dann die Autos und Lebensversicherungen bezahlen? Die Melkkuh ist erschöpft, was also kann man ihr wegschneiden, auf daß die Schulden gedeckt werden, und Staat und Wirtschaft florieren? Brust oder Keule?

Der ehemalige österreichische Finanzminister und jetzige Unternehmer Hannes Androsch hat vorgeschlagen, mit dem Helikopter über das Land zu fliegen und Geld abzuwerfen. Das ist keineswegs verrückter als das, was sonst läuft. Blasen wir das Geld doch einfach aus den Hubschraubern …