Des Blättchens 10. Jahrgang (X), Berlin, 12. November 2007, Heft 23

Seltene Pflanze

von Renate Hoffmann

Zwei Teller. Das elegante, durchscheinende Weiß ihrer Mitte schmückt ein Wappenschild. Um den Tellerrand legt sich – auf kräftigblauen Grund gesetzt – Rankenwerk, aus dem orangefarbene Blüten hervorleuchten. Paradiesvogelblumen. Florale Zier und heraldisches Merkmal trennt ein breites Goldband. Edel ausgeführte Malereien auf Porzellan bester Herkunft. Es trägt das Markenzeichen der Königlichen Porzellan Manufaktur Berlin (KPM). Die Schaustücke findet man im Museum der Stadt Neustrelitz.
Diese Teller sind zwei von vielen, nun verstreut, auch zerbrochen, die vor Zeiten zu einem umfänglichen Speiseservice gehörten. Es kam in den Jahren um 1835 auf den großherzoglichen Tisch von Mecklenburg-Strelitz. Friedrich Wilhelm III. von Preußen, mit dem Hause verschwägert, hatte den Einfall dazu und ließ ihn in seiner hauseigenen Manufaktur umsetzen.
Auch das Hauptgericht, wenn es denn schon auf den kostbaren Stükken Porzellan serviert werden würde: Hirschkalbsrücken »Nimrod« mit Wacholderrahm, Preiselbeerbirnen, Rotkohl und getrüffeltem Kartoffelsalat, lauwarm (die Nachspeise: Bourbon-Vanilleeisparfait auf warmen Schattenmorellen, wird separat in Schälchen gleichen Dekors gereicht), vermag nicht, von den farbfrohen Paradiesvogelblumen auf dem Tellerrand abzulenken. Sie drängen sich aus dem Blattgrün mit ihren orange und blauschimmernden Blütenblättern, die sie aufstellen wie den Kamm eines Hahnes – besser noch, wie den eines Paradiesvogels.
Exotisches Geblühe auf Mecklenburg-Strelitzschem Tellerrand? Der damaligen Mode gehorchend? Oder um Neugier und Staunen zu erwecken?
Die schöne Blume entfaltet ihren eitelstolzen Blütenstand in Südafrika und gehört zu den Bananengewächsen. Englischen Naturforschern war sie aufgefallen und reiste 1773 direkt von ihrem tropischen Standort in die Königlichen Gärten von Kew (nahe London), der damals artenreichsten botanischen Sammlung, die man kannte. Dort wurde sie gehätschelt und gedieh prächtig. Sir Joseph Banks (1743-1820), weithin gerühmter Direktor der Royal Botanic Gardens, überdachte die Namensgebung seiner attraktiven Neuerwerbung. Ihrem Erscheinungsbild nachempfunden, hieß sie bereits Bird-of-Paradise-Flower. Aber es fehlte noch die amtliche lateinische Bezeichnung, ohne die keine Pflanze – auch nicht die Brennessel – Aufnahme in das Botanische System findet.
Banks ging seine Queen durch den Sinn: Sophie Charlotte (1744 bis 1818), mit Georg III. von England ehelich verbunden. Außer den fünfzehn Kindern, die sie zur Welt brachte, und karitativen Aufgaben, die sie engagiert übernahm, war Sophie eine Pflanzenfreundin aus Leidenschaft. Man nannte sie deshalb »Königin der Botanik«. Von dieser Aura umgeben, lag es nahe, Sir Banks und die Gärten von Kew großzügig zu unterstützen. Sie tat es. Und der Gartendirektor revanchierte sich.
Die seltene, auserlesene Afrikanerin erhielt einen königlichen Namen. Er nennt vordergründig Sophie Charlottens Heimat, die sie als siebzehnjährige Prinzessin verließ, um im fernen Land verheiratet zu werden. Mecklenburg-Strelitz. Botanisch beurkundet heißt die Schönheit nun: Strelitzia reginae Banks (als Vater des Gedankens) 1789.
Das Gewinde aus Paradiesvogelblüten auf dem Tellerrand gibt seinen tieferen Sinn preis: Das Auge erfreuend – und ruhmreich für Strelitz und Großbritannien.