Des Blättchens 10. Jahrgang (X), Berlin, 17. September 2007, Heft 19

Politiker und andere Possierlichkeiten

von Max Hagebök

Seit einiger Zeit schreibe ich Drohbriefe an den Berliner Zoo. Natürlich nicht wirklich; aber ich würde es tun wollen, wenn ich es täte. Dabei ist das Anstößige meines Begehrens nicht mein Brief, den ich nicht geschrieben habe, sondern dieser kleine Bär aus weißem Fell. Er läßt mir keine Ruhe. Und nicht nur mir. Eine Kollegin träumte, daß sie ihn abgefackelt habe. Grausig, diese Frauen. Sicherlich nicht jede, denn es gibt viele, die kaufen von ihrem Schuhgeld alle möglichen »Knut«-Dinge. Meine Frau kauft keine Schuhe oder nur, wenn sie welche braucht. Das ist für mich dann rational nachvollziehbar, und deshalb haben wir keinen weißen Freund in unserem kuscheligen Zuhause.
Was stört mich also an den Berliner-Zoo-Verantwortlichen? Es ist diese völlig mißratene Patenschaft des Herrn Gabriel, unseres sozialdemokratischen Umweltministers. Da wurde dem armen dicken Kleinen gewaltig geschadet.
Ich weiß das genau, weil ich Marktforschung betrieben habe. Wahllos drängte ich mich auf Straßen und Plätzen den Berlinern und deren Gästen mit den Fragen auf, »Wer ist Knuts Pate? Wer rettet Deutschland? Wer rettet das Klima? Wer gewinnt den Krieg, egal welchen? Wer tut nichts und ist trotzdem mächtig?«. Die Antworten waren nur bei der letzten Frage etwas unübersichtlich. Außer den sich gegenseitig beschuldigenden Ehepartnern, den typischen Chefbeschimpfungen und der Verunglimpfung bekannter Trainer gab es keine heraushebbaren Nennungen.
Anders bei den restlichen Fragen. Da leuchteten die Augen der Befragten merklich auf. Erst wurde ein Blick nach einer imaginären Kamera gezoomt, und dann erkundigten sie sich nach dem Gewinn. Gott im Himmel, steht mir bei, dachte ich alter Atheist. Ein Volk von Bettlern. Wo sind wir hingekommen, wenn nicht einmal mehr eine einfache Antwort ohne Gegenleistung gegeben wird? Statt endlich die richtige Antwort zu geben, fingen manche an zu fälschen. Von wegen Telefonjoker oder Volksbefragung. Das nervte mich mörderisch. Ich habe es dann irgendwie doch geschafft. Unter Androhung einer Geiselnahme, wobei hier interessanterweise einige Männer plötzlich einige Schritte zurücktraten, flossen die Informationen.
The winner is: Angela Merkel. Eine überwältigende Mehrheit war sich einig, daß es die Kanzlerin ist, die mit übermenschlichen Kräften das Glück der Menschheit erzwingt.
Bei meinen Nachfragen bezüglich Beck, Müntefering, Schmidt, Glos, Seehofer, Koch und ähnlichen erntete ich erstaunliche Einwürfe. Seehofer wurde als alter geiler Bock tituliert, wobei dies besonders Frauen erklärten. Die Männer sahen das etwas weltoffener. Beck punktete bei der Jugend. Mehrheitlich wurde ihm die Becks Brauerei zugeordnet. Der Rest kam auf niedrige Prozente.
Abends wurde ich immer kleinmütiger. Hatte ich doch überall getönt, daß die Merkel unpolitisch sei und – nur von den westlich männlichen Heilsbringern geduldet – bald ausgespielt habe. Und jetzt?
Ich lag auf der Couch meines Analytikers. Wir haben meine vier Wochen DDR-Kindergarten, meine Pionier- und FDJ-Zeit und viele andere sozialistische Irrwege gewogen, gemessen und dann für nicht schuldig befunden. Meine West-Vergangenheit ist schuld. Ich hatte geglaubt, daß der Wessi-Mann hart und karrieristisch sei. Ein Irrtum. Diese Pfeifen haben alle ein Mutti-Syndrom. Durch ihre kindergartenlose Zeit an Muttis Rockzipfel können sie nicht gegen die Merkel antreten. Angela Merkel ist der Mutterersatz. Deswegen sitzen sie greinend um den Kanzlertisch herum und lassen sich von Mutti das Spielzeug geben und nehmen. Wenn sie dann doch etwas zu verkünden haben, dann hauen sie sich untereinander. Die Merkel schaut dabei zu, und das Volk bewundert diese Mutterschaft. Phänomenal, die Frau, sie wird immer mehr zur Angela der Herzen. Die kann das, ohne vorher geübt zu haben. Deswegen macht sie jetzt die Kanzlerin. Und bleibt es auf Lebenszeit. Es lebe das Matriarchat.
Andererseits schreibe ich jetzt Drohbriefe an Platzeck und Thierse. Die beiden haben genug Übung, mit Frauen aus dem Osten umzugehen. Natürlich schreibe ich die Briefe nicht, denn: Besser eine von uns als die Männer von drüben.