Des Blättchens 10. Jahrgang (X), Berlin, 17. September 2007, Heft 19

Ana-Lytik

von Heinz W. Konrad

Eine »Ana«, das weiß zumindest jeder Kreuzworträtsler, ist eine Zitatensammlung. Eine solche möge im folgenden jene Liste umranken, die jüngst vom amerikanischen Wirtschaftsmagazin Forbes veröffentlicht worden ist. Darin sind die fünfzig reichsten Deutschen mit deren geschätztem Privatvermögen aufgezählt. Addiert ergibt sich da die stolze Summe von 214,24 Milliarden Euro; der Etat des Bundeshaushalts für 2007 sieht Gesamtausgaben von 270,5 Milliarden Euro vor. Während laut des Zweiten Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung im Jahr 2003 die unteren fünfzig Prozent aller Haushalte zusammen 3,8 Prozent des Gesamtvermögens besaß, verfügten die oberen zehn Prozent der Haushalte über 46,8 Prozent des privaten Vermögens in Deutschland. 1998 lag dieses Verhältnis noch bei 3,9 zu 44,4 Prozent. Den Gegensatz zum privaten Vermögensreichtum bildet bekanntlich die Überschuldung von knapp 2,8 Millionen Haushalten und die öffentliche Verschuldung – laut der Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler im September 2006: 1,523 Billionen Euro.
Wie man zu Reichtum gelangt, ist sonnenklar: Durch Fleiß und Geschick! »Ohne Fleiß kein Preis« – dieses Sprichwort ist jedermann geläufig, nur beherzigt wird es – siehe obige Reichtumsverteilung – offenbar sehr unzureichend. »Wenn’s gehen soll, muß man den Daumen rühren«, erklärt ein weiteres ganz recht, auch wenn man sich die Daumen eines Milliardärs dann schon aus ästhetischen Gründen nicht so recht vorstellen mag. Im übrigen: »Reich ist man erst dann, wenn man sich in seiner Bilanz um einige Millionen Dollar irren kann, ohne daß es auffällt«, sagte Jean Paul Getty, und der mußte es als Betroffener ja wissen. Wie auch solche Völker, aus deren Erfahrungsreichtum diese Sentenz stammt: »Um Fleiß und Mühe gibt Gott Schaf und Kühe.«
Aber auch die Neider haben ihre Sprichwörter. »Viel Fleiß und wenig Gewissen macht den Beutel voll« – das attestiert zwar immerhin noch eine Kausalität von Fleiß und Belohnung, fügt dem denn aber auch eine fiese Unterstellung hinzu. Nicht anders jenes jüdische Sprichwort, das voller Häme anmerkt: »Der eine hat Arbeit und Fleiß, der andre Nutzen und Preis.« Und des Ausspruches eines Leo Tolstoi, von dem man ja weiß, daß er zumindest am Ende seines Lebens im Kopf nicht mehr ganz richtig war, getraut man sich seiner Gemeinheit wegen kaum noch zu zitieren: »Reichtum und Geld sind ebenso Gewalt wie die direkte« – so reden heute nur noch die militanten Gruppen der Autoanzünder. Was man von einem Sprichwort gar zu halten hat, das aus Afrika stammt, wo man gar nicht weiß, was Reichtum ist, muß hier nicht gesondert kommentiert werden: »Wer sich mit Wein betrinkt, wird wieder nüchtern, wer sich mit Reichtum betrinkt, niemals«; nun ja.
Aber »Glück und Ehre haben Neid zum Gefährten«, weiß ein anderes Sprichwort völlig zu Recht. Das ist des Blättchens Sache freilich nicht. Freuen wir uns also vielmehr an all jenen, die es schon geschafft haben. Es werden ja schließlich immer mehr. Sie hören die Aufnahme:

1. Karl Albrecht, Aldi Süd (20,0 Milliarden Euro Vermögen), Mülheim an der Ruhr

2. Theo Albrecht, Aldi Nord (17,5), Föhr

3. Michael Otto und Familie, Otto Versand (13,3), Hamburg

4. Adolf Merckle, Ratiopharm und Phönix Pharma (12,8), Mannheim

5. Susanne Klatten, BMW und Altana Pharma (9,6), Bad Homburg

6. Reinhold Würth, Würth-Gruppe (9,0), Künzelsau

7. Maria-Elisabeth Schaeffler und Sohn Georg F. W. Schaeffler, Schaeffler KG (8,7), Herzogenaurach

8. August von Finck Junior, Investmentbanking (8,4), Weinfelden/ Schweiz

9. Stefan Quandt, BMW (7,6), Frankfurt am Main

10. Johanna Quandt, BMW (6,7), Bad Homburg

11. Curt Engelhorn, ehemals Boehringer Mannheim (6,4), Gstaad/ Schweiz

12. Erivan Haub und Familie, Tengelmann-Gruppe (6,0), Mülheim an der Ruhr

12. Hasso Plattner, SAP (6,0), Heidelberg

14. Klaus-Michael Kühne, Kühne + Nagel (5,9), Schindellegi/Schweiz

15. Karl-Heinz Kipp, Massa-Immobilien (5,7), Arosa/Schweiz

16. Madeleine Schickedanz, KarstadtQuelle (5,5), St. Moritz/Schweiz

17. Otto Beisheim, Metro (4,5), Baar/Schweiz

18. Hubert Burda, Hubert Burda Media (4,3), München

18. Rainer & Michael Schmidt-Ruthenbeck, Metro (4,3), Duisburg

20. Michael Herz, Tchibo Holding (4,0), Hamburg

20. Wolfgang Herz, Tchibo Holding (4,0), Hamburg

20. Andreas Strüngmann, Hexal Pharma (4,0), Tegernsee

20. Thomas Strüngmann, Hexal Pharma (4,0), Tegernsee

24. Anton Schlecker, Schlecker (3,8), Ehingen

25. Reinhard Mohn und Familie, Bertelsmann (3,5), Gütersloh

26. Friede Springer, Axel Springer Verlag (3,2), Berlin

27. Otto Happel, Gea Group (3,0), Meggen/Schweiz

27. Stefan Schörghuber, Schörghuber Gruppe (3,0), München

27. Klaus Tschira, SAP (3,0), Heidelberg

30. Hugo Mann und Familie, ehemals Wertkauf (2,7), Karlsruhe

30. Axel Oberwelland, Storck Süßwaren (2,7), Berlin

32. Heinz Bauer, Bauer Verlagsgruppe (2,6), Hamburg

32. Heinz-Horst Deichmann, Deichmann (2,6), Essen

34. Joachim Herz, Tchibo Holding (2,5), Hamburg

35. Hermann Schnabel, Helm Chemie (2,4), Hamburg

36. Günter Herz, ehemals Tchibo Holding (2,3), Hamburg

37. Daniela Herz, ehemals Tchibo Holding (2,2), Hamburg

38. Eugen Viehof und Familie, ehemals Allkauf (2,1), Mönchengladbach

39. Albert Prinz von Thurn und Taxis (2,0), Regensburg

40. Andreas von Bechtolsheim, Sun Microsystems und Google (1,9), Palo Alto/Kalifornien

40. Hans-Werner Hector, ehemals SAP (1,9), Weinheim

40. Sylvia Ströher, ehemals Wella (1,9), Darmstadt

43. Ingeburg Herz, Tchibo Holding (1,8), Hamburg

44. Rolf Gerling, Gerling Versicherung (1,7), Zürich/Schweiz

45. Dieter Schnabel, Helm Chemie (1,6), Hamburg

46. Paul Riegel, Haribo (1,5), Bonn

46. Hans Riegel, Haribo (1,5), Bonn

46. Martin Viessmann, Viessmann Heiztechnik (1,5), Allendorf

49. Anneliese Brost, WAZ-Mediengruppe (1,3), Essen

49. Peter Unger, Auto Teile Unger (1,3), Weiden

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»Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als daß ein Reicher eingeht in
das Reich Gottes«, hatte Jesus gepredigt. Ich fürchte nur, Nadelöhre sind wohl auch nicht mehr das, was sie zu Gott-Sohnes Zeiten gewesen sind.

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Und gehts gut, so ist der Kapitalist ein tüchtiger Kerl, auch zeigt dies, daß die Wirtschaft nicht auf private Initiative verzichten kann. Gehts aber schief, so ist das ein elementares Ereignis, für das natürlich nicht der Nutznießer der guten Zeiten, sondern die Allgemeinheit zu haften hat.
Wirf den Bankier, wie du willst: er fällt immer auf dein Geld.

Kurt Tucholsky