Des Blättchens 10. Jahrgang (X), Berlin, 19. März 2007, Heft 6

Liedermacher braucht man ewig

von Thomas Behlert

Seit zwanzig Jahren nimmt die Liedermacherei immer mehr ab – so denkt jeder, der nur das Fernsehprogramm oder die Programme der allgemeinen Radiosender betrachtet. Selten und dann zu ganz später Stunde werden Musikstücke gebracht, die etwas zu sagen haben, bei denen Zuhören zur Pflicht wird. Ausnahmen sind Künstler-Tode und runde Geburtstage. Wer sich mit dieser Situation nicht zufriedengeben will, der sollte auf Live-Veranstaltungen oder Tonträger ausweichen. Pläne-Records verschafft dem Freund deutscher Worte einen Überblick der Konzertreihe Songs an einem Sommerabend. Diesen Abend gibt es nun schon seit zwanzig Jahren auf den Wiesen vor dem Kloster Banz. Hier traf das interessierte Publikum unter anderem auf Reinhard Mey, Konstantin Wecker, Hannes Wader und Klaus Hoffmann. Nach wenigen Jahren lud man sich auch internationale Musiker ein, denn zum Beispiel Riltons Vänner und Giora Feidman passen gut zu diesem Sommerabend.
In jedem Jahr wollen über fünftausend Menschen, trotz der manchmal auftretenden Naturunbilden, die singenden Künstler erleben. Da dieses Festival im vergangenen Jahr ein Jubiläum beging, war es an der Zeit, daß der Macher dieses Festivals, Ado Schlier, eine Art Best-of-Konzert mit den bekanntesten und interessantesten Künstlern organisierte. 2006 sangen und musizierten Bodo Wartke, Hans-Jürgen Buchner von Haidling, Giora Feidman, Klaus Hoffmann, Reinhard Mey, Hannes Wader und Konstantin Wecker. Jeder brachte seine besten Lieder mit. Wader sang über Vater’s Land, Konstantin Wecker über eine Flaschenpost und Giora Feidman blies sich bei Gershwins Summertime die Seele aus dem Leib. Als dann am Ende der langen Nacht May, Wader und Wecker schließlich zusammen den ewigen Hit Gute Nacht Freunde sangen, wußte das Publikum endgültig, daß sie die Liedermacher noch ewig brauchen werden. Wer sich noch nicht von der Gleichschaltung des Geschmackes hat anstecken lassen, sollte unbedingt zu 20 Jahre – Songs an einem Sommerabend greifen.
Noch ein zweites Album gehört in den Warenkorb: Hannes Waders neues Album Mal angenommen. Hier interpretiert der Meister des schlauen Wortes endlich wieder eigene Lieder. Nach etlichen Jahren und einigen Alben, auf denen er seine Lust am Vertonen, Übertragen und Interpretieren fremder Werke auslebte, überrascht er nun mit einem tief anrührenden Werk, mit ausdrucksstarken und sehr persönlichen Liedern. Der Künstler meint dazu: »Irgendwann hatte ich eine Einsicht, daß es jetzt sein muß. Der Druck war so groß, von außen, aber auch von innen – das sind zum Teil Lieder, die ich schon seit über 20 Jahren schreiben wollte.« Neben gesungenen Anspielungen auf das eigene Werk und auf die gemeinsamen Erfahrungen, die ihm mit dem Publikum verbinden, erzählt Wader sechzehn Minuten lang die Familiengeschichte. Zwanglos verbindet er dabei die Geschichte der Arbeiterbewegung mit der Geschichte seiner Familie, erwähnt Bismarcks Sozialistengesetze und seinen Opa samt dessen Kuh. Mal angenommen bietet noch einmal Waders musikalische Wurzeln: Es gibt Gitarren, Baß und Perkussion. So frisch und neu hat man Hannes Wader lange nicht gehört.

Songs an einem Sommerabend, Bestell-Nr: 88935, 17,95 Euro; Hannes Wader: Mal angenommen, Bestell-Nr: 88936, 12,97 Euro – Preise bei www. amazon.de, beides pläne records