Des Blättchens 8. Jahrgang (VIII), Berlin, 25. April 2005, Heft 9

Monteverdi und Purcel

von Liesel Markowski

Die Cadenza-Barocktage der Berliner Lindenoper sind zum Magnet geworden. Das zahlreiche interessierte Publikum überfüllt die Säle. Alte Musik in gediegener Interpretation macht hier erfreulich Furore. Die Musik tat es auch diesmal wieder, die Szene weniger. Fürs musikalische zeichnete erneut vor allem René Jacobs, Kenner und Spezialist der Barockoper. Nach Claudio Monteverdis Orfeo stellte er nun Il ritomo d’ulisse in patria des genialen Italieners vor: in eigener Rekonstruktion nach nur spärlich überlieferten Quellen des 1640 in Venedig uraufgeführten Werkes. Ein Faszinosum der Klänge ist ihm gelungen.
Aber: Die Geschichte von der Heimkehr des griechischen Helden Odysseus aus Homers Epos, der totgesagt und trotz mancher Widrigkeiten Haus, Gattin Penelope und Sohn Telemaco wiedergewinnt, wird von Regisseur Immo Karaman in unsere Gegenwart gezerrt. Natürlich klaffen – wieder einmal – historische Musik und Bühne auseinander. Im kahlen oder mit schicken Klubsesseln und Festtafel bestückten Gemäuer tummeln sich sporty Dressmen in Jeans und Jackets, sind Hostessen in Kurzrock, Strapsen und Bluse dienstbar bemüht um die Lady im Negligé und Unterwäsche (Bühnenbild, Kostüme: Johann Jörg, Marie-Luise Walek).
Pathos der Musik und Theater stehen gewissermaßen konträr. Im Prolog und ersten Akt breitet sich Langeweile aus. Durch ironische Gags hebt sich im folgenden die Stimmung, etwa wenn Jupiter und Poseidon auf hoch- und runterfahrenden griechischen Säulenpodesten Statements abgeben, wenn die Pappmaché-Kuh des Hirten Eumete als Kühltruhe fungiert oder der dicke gefräßige Iro Possen treibt. Sicher gibt es in dieser Oper Anlaß zu spöttischem Witz, doch wird dies nur selten in Eintracht mit der Musik theatralisch umgesetzt. Dabei gibt es mancherlei Leerlauf, für den jedoch die Musik entschädigt. Musikalisch waren alle Beteiligten unter René Jacobs’ inspirierendem und temperamentvollem Dirigat vorzüglich bei der Sache: die Akademie für Alte Musik Berlin, das concerto vocale und die durchweg prachtvollen Sänger. Eine farbige Klangfülle aus historischen Instrumenten verströmte in Ritornellen, Tänzen, Arienbegleitungen das besondere, feine Flair dieser alten Musik. Dazu virtuoser wie sensibler Gesang: Patricia Bardon als Penelope mit wundervoll dunklem Alt, Kres˘imir S˘picer als Ulisse mit füllig-prägnantem Bariton und Philippe Jarousky als Telemaco mit traumhaft schönem Altus mögen für alle stehen.
Der zweite Cadenza-Beitrag, Henry Purcells Oper Dido und Aeneas, enttäuschte, obwohl man neugierig war, das Unbekannte kennenzulernen. Ebenfalls nach antikem Stoff wird von der Liebestragödie des aus Troja geflüchteten Griechen Aeneas und der verwitweten Dido aus Karthago berichtet. Sängerisch blieb diese Aufführung hinter der schon genannten weit zurück: kleine Stimmen, wenig Ausstrahlung. Überhaupt wirkte das Musikalische hier eher sekundär, obwohl die Akademie für Alte Musik und das vocalconsort Berlin unter Attilio Cremonesi ihr Format bewiesen. Oper war dem Tanz untergeordnet, denn Sasha Waltz hat das Werk insgesamt choreographiert. Bewegung und Tanz hatten die Oberhand in häufig temperamentvollem Wirbel raffinierter Gruppenkonstellationen. Darum war die gedoubelte Personage – hier gesungen, dort getanzt – schwer zu identifizieren. Und der Gang der Dinge war schwer zu verfolgen. Hinzu kam eine recht sparsame Szene, kamen spröde Kostüme (Thomas Schenk, Sasha Waltz, Christine Birkle) und wenig geheimnisvolle Nacktheit (Hexenszenen). Die Musik blieb nicht selten auf der Strecke. Am stärksten wirkte sie im Prolog mit einem großen Schwimmbassin und Wassertanz der Nejaden.