von Mathias Iven
Schillers 200. Todestag hin oder her: Wie ist es um die Popularität des Dichters bestellt? Die Frage ist nicht einfach zu beantworten, vor allem, wenn man gerade jetzt mit allen möglichen Publikationen zu seinem Leben und Werk überschwemmt wird. Sicherlich ist Schiller »populär«, aber vielleicht doch mittlerweile eher am Rande oder bei Insidern. Ob beispielsweise der in den Schulen »verordnete« Schiller dazu beiträgt, die Lust auf das Werk zu befördern, ist – wie bei jeder anderen Pflichtlektüre auch – fraglich. Welchen Prozentsatz Aufführungen seiner Stücke im Vergleich zu anderen Inszenierungen ausmachen, sei dahingestellt. Aber es geschieht auch bei diesem Jubiläum etwas, was sich bei solchen Anlässen seit Jahren stets wiederholt: Für den Moment ist die Person überall präsent, jeder will mitreden – und dann? Dann ist das Gedenkjahr vorbei, und die Bücher wandern wieder in die Regale.
Nun sind ja bereits im Herbst des vergangenen Jahres zwei bedeutende Biographien vorgelegt worden: von Rüdiger Safranski und von Sigrid Damm. Bleibt nachzufragen, welche sollte man denn nun zuerst – oder überhaupt – lesen? Hier gibt es eine (scheinbar) einfache Antwort: Wenn sich jemand für Schiller interessiert, wird und sollte er beide Bücher lesen – und vielleicht natürlich noch mehr … Als Autor Biograph zu sein, ist immer eine sehr subjektive Angelegenheit. Man nähert sich der Person meist mit einer bestimmten Vorstellung oder Absicht – so natürlich auch Damm und Safranski. Bei Sigrid Damm geht es um den Menschen Schiller, der hauptsächlich durch seine Briefe und andere Dokumente zu uns spricht – ein Verfahren, das Damm ja mit ihren vorigen Büchern zur Perfektion getrieben hat. Bei Safranski tritt uns der Philosoph Schiller entgegen – bezeichnend der Untertitel des Buches Die Erfindung des Deutschen Idealismus. Wirft man Damm von seiten der Kritik vor, sie sei zu oberflächlich, was das Werk betrifft, kann man umgekehrt bei Safranski sagen, hier geht einer vielleicht an manchen Stellen zu weit ins Detail – ignoriert dabei aber zum Beispiel die in der DDR vorgelegten Forschungsergebnisse völlig.
Also: Wer Schiller noch nicht so »nahe« steht, greife zuerst zur Damm und dann zu Safranski. Und es sei noch ein weiteres, sehr flüssig geschriebenes und aufschlußreiches Buch genannt: Eva Gesine Baurs Biographie über Charlotte Schiller. Was wir hier, so nebenbei, über Schiller erfahren, ist durchaus an manchen Stellen sehr aufschlußreich und relativiert vor allem die manchmal überbordende Genieverehrung. Wer Schiller allumfassend betrachtet sehen möchte, greife zu der von Peter-André Alt vorgelegten, derzeit ausführlichsten Lebensbeschreibung, die jetzt auch in einer Art »Kurzfassung« bei dtv vorgelegt wurde.
Dem »fortgeschrittenen« Schiller-Leser ist damit das Feld abgesteckt. Aber wohin im Regal sollte der Einsteiger greifen? Da empfiehlt sich – wie auch bei anderen Persönlichkeiten – zuerst der Blick in die schon vor einiger Zeit erschienene Rowohlt-Monographie. Als aktuelle Titel wären vielleicht Schiller für Eilige und der Schnellkurs Schiller zu nennen. Ersteres vorrangig, um einen Eindruck von dem Dramatiker zu erhalten, und letzteres, um einen wirklich »schnellen« Rundumschlag zur Person zu haben. Apropos dtv: Natürlich – wenn man noch keinen Schiller hat – sollte man sich die fünfbändige Taschenbuchausgabe nicht entgehen lassen.
Sigrid Damm: Das Leben des Friedrich Schiller, Insel Verlag Frankfurt/M. und Leipzig, 500 Seiten, 24,90 Euro; Rüdiger Safranski: Schiller oder Die Erfindung des deutschen Idealismus, Hanser Verlag München, 560 Seiten, 25,90 Euro; Eva Gesine Baur: »Mein Geschöpf mußt du sein« – Das Leben der Charlotte Schiller, Hoffmann und Campe Hamburg, 431 Seiten, 24,95 Euro; Peter-André Alt: Schiller. Leben – Werk – Zeit, C. H. Beck Verlag München, 2 Bde. zus. 1423 Seiten, 34,90 Euro; Torsten Körner: Schiller für Eilige, Aufbau Verlag Berlin, 152 Seiten, 7,95 Euro; Ehrenfried Kluckert: Schnellkurs Schiller, Dumont Verlag 2004, 175 Seiten, 14,95 Euro; Schillers sämtliche Werke, dtv, 5 Bde. zus. 5808 Seiten, 49,90 Euro
Schlagwörter: Mathias Iven