Des Blättchens 8. Jahrgang (VIII), Berlin, 17. Januar 2005, Heft 2

Leuchtendes Mecklenburg

von Peter Jacobs

Fotografen, die ihr Handwerk als Kunstwerk verstanden haben wollen, zitieren gern Dichter. »Land, das ferne leuchtet« nennt Heinz Lehmbäcker seine mecklenburgische Heimat. Er bemüht Eduard Mörike, den schwäbischen Romantiker, aber er denkt an Uwe Johnson, seinen mecklenburgischen Landsmann, der mit der Präzision seiner Ortsbeschreibungen und den ständig wechselnden Perspektiven seiner Figuren einen neuen Akzent in die deutsche Literatur der Nachkriegszeit setzte.
Lehmbäcker, heute 71 Jahre alt, hat Johnson fotografiert, als dieser noch sein Güstrower Schulfreund war. Der andere, von dessen Dichtertalent keiner etwas ahnte, ging Ende der fünfziger Jahre in den Westen, als er dort für seinen Erstlingsroman Mutmaßungen über Jakob einen Verleger fand. Lehmbäcker studierte indessen Geographie im Osten und wurde fotografierender Wissenschaftsjournalist. Kein geringer zumal, wovon rund zweihundert Sendungen der populären Fernseh-Urania zeugten, die Adlershof drei Jahrzehnte lang ausstrahlte. Und Bücher wie Barcelona. Rose aus Feuer, für das Fritz Rudolf Fries den Text schrieb.
Johnson, ein leidenschaftlicher Briefschreiber und bald mit großen Köpfen der Zeit wie Max Frisch und Hannah Arendt in Korrespondenz, vergaß nicht den Gefährten seiner Güstrower Jahre. Und manchmal fügte er seinem Brief eine Bitte hinzu, diese oder jene Landschaft, dieses oder jenes Detail in der alten Heimat für ihn abzulichten.
So kam es, daß Lehmbäckers Aufnahmen sich in literarisches Anschauungsmaterial für Johnsons Romantrilogie Jahrestage. Aus dem Leben von Regine Cresspahl und andere Werke verwandelten, in denen der Deutschlandflüchtling (erst New York, später Sheerness on Sea in der britischen Grafschaft Kent) seine eigenen Schwierigkeiten mit der deutschen Teilung zu bewältigen versuchte.
Jetzt hat Lehmbäcker ein Buch herausgegeben, in dem seine Bilder und Johnson-Texte gegeneinander stehen. Eine Hommage nicht nur an den 1984 verstorbenen Dichter, sondern vor allem auch an Mecklenburg. Erkennbar wird in der Tat, daß Lehmbäcker für seinen Schulfreund mehr war als ein Dokumentarist, nämlich künstlerischer Partner.

Heinz Lehmbäcker, Uwe Johnson: Mecklenburg. Zwei Ansichten, Insel Verlag Frankfurt am Main, 184 Seiten, 19,80 Euro