Des Blättchens 8. Jahrgang (VIII), Berlin, 3. Januar 2005, Heft 1

Frau Merkel, Fischers Hochzeit und die Patrioten

von Max Hagebök

Welch wunderbarer Dreiklang. Endlich hat Deutschland seine Werte wieder. Ich sitze unter meiner entnadelten Tanne und spiele mit dem Verpackungspapier. Meine Lippen spitzen sich zu einem Lied. O Tannenbaum. Doch plötzlich wallt eine innere Wärme auf. Verzehrendes Feuer macht sich in meinen Adern breit. Nicht dem Tannenbaum, der deutschen Eiche möchte ich ein Lied pfeifen. Tränen laufen über mein schokoladenverschmiertes Gesicht, und meine Hände knüllen das Papier zu kleinen Kugeln.
Vaterland, Mutterland, Patriotenland. Frau Merkel führt mich heim. Ich, der staatenlose Ossi, bin angekommen.
So könnte die Geschichte im nächsten Jahr weitergehen. Doch wird sie das tun? Die Geschichte ist ein komisches Ding. Da kommen plötzliche Wendungen, und auf einmal sind die Patrioten weg.
Oder der Herr Joseph Fischer. Seines Zeichens Minister für das, was den Wählern nicht wehtut. Jedenfalls nicht gleich. Später weiß es aber keiner mehr, daß es der Fischer war. Oder sie wollen es nicht wissen. Diese Grundhaltung der Wähler der Grünen wird sich fortsetzen.
Den Lieblingen der deutschen Intellektuellen werden Kriegseinsätze und Hartz IV differenziert nachgesehen. Die deutschen Intellektuellen sind des Bewunderns wert. Sie sind vom Virus des differenzierten Sehens befallen und lieben sich dafür. Statt zu polarisieren, wird sich im Verstehen geübt. Alles ist menschlich, und die Lüge ist ein Allgemeingut. Weshalb sollten die Grünen und ihre Diktatoren plötzlich von den Wählern bestraft werden – leben die doch im Alltag genau deren Haltungen aus. Eine Abwendung von den Grünen wäre ein Verrat an sich selbst. Damit der schale Geschmack nicht den Rotwein vergällt, wird für jeden Verrat der Ideale eine differenzierte Begründung geliefert.
Da wende ich mich lieber noch einmal der Frau Merkel zu. Sie ist putzig. Besonders wenn sie die Geschichte der durch den Osten übernommenen Länder für sich beansprucht. Für Psychologen und Historiker ein wahres Schlaraffenland der Forschung. Dabei hat die Frau doch nur ein einziges Problem: sich selbst. Statt zu sagen, daß ihre Geilheit auf jede Form von Anerkennung aus einer Freudschen Fehlentwicklung resultiert, bastelt sie an der Legende von der Demokratin, die in einer Diktatur geduldig ausgeharrt habe.
Dabei könnte sie es viel einfacher haben. Keiner hat sie gebraucht, und keiner will sie haben, denn besser kann sie nichts, und schlechter macht es Schröder alleine. Somit wäre es prima, wenn sie klar sagen würde, daß sie gern Menschen quält. Dann muß sie nicht mehr rücksichtsvoll Schäubles Rollstuhl umkurven, sondern könnte ihn in die Ecke schieben. Da hätte er genügend Zeit, über den Verlust an politischer Kultur zu sinnieren oder über die privilegierte Partnerschaft der abgelegten Helden der Altzeit.
Das ostdeutsche Mädel kriegt sie alle. Nur, sie wird nicht Kanzlerin. Die lieblichen Christdemokraten kann sie vielleicht überrennen, denn deren Phantasie sieht so was wie die Merkel nicht vor, für den Rest der westdeutschen Opfer ist sie zu unweiblich und zu zackig. Da hilft keine Frisur, das Mädel kommt weg. Bleibt ein fröhliches Prosit, denn die Merkel stürzt über die eigene Diskussion vom Patriotismus. Für jeden Merkel-Verhinderer ist diese Nichtwahl eine patriotische Pflicht. Womit ich bei der analytischen Struktur eines wahren Patrioten bin. Er liebt sich.
Daraus entstehen unmittelbare Sicherheitsbedürfnisse an Leib und Seele. Indem er danach strebt, filtert er die unterschiedlichen Angebote. Meistens sieht er das Leben im kleinen Vorgarten recht friedlich und lebensbejahend. Aber einen Zaun weiter wittert er die Gefahr. Geschult im Sachzwang, ahnt er mehr, als daß er weiß: Hier ist vermintes Gelände. Allein fühlt er sich machtlos. So greift er zu den differenzierten Zusammenhängen und hängt an einer Partei. Mit dieser Schicksalsgemeinschaft zieht er in den Kampf. Keinen Deut klüger, aber wo viele glauben, hat der Irrtum nur Platz beim Feind. Ein Patriot hat immer recht. Nach dem Recht kommt die Ordnung. In dieser Ordnung hat die ostdeutsche Demokratin keinen Verwendungszweck.
Welch schlichte Gedanken unterm Tannenbaum. Meine Lippen spitzen sich automatisch zum Deutschlandlied, und die Tränen versiegen.