Des Blättchens 7. Jahrgang (VII), Berlin, 8. November 2004, Heft 23

Klees Katze

von Renate Hoffmann

Zuerst ging ich zum MoMA des MoMAs wegen (Museum of Modern Art, New York, Ausstellung in Berlin). Das nächste Mal wegen Paul Klee. Und das dritte Mal wegen Klees Katze. Sie heißt Helma (sie sieht aus, als ob sie Helma hieße). Neben sich trägt sie auf einem kleinen Schild – der Ordnung halber – ihren registrierten Bildtitel Katze und Vogel. Dazu den Vermerk: Paul Klee habe sie 1928 gemalt, und zwar mit Öl und Feder »auf Gipsgrund auf Gaze auf Sperrholz«.
Das Katzenporträt füllt die Bildfläche bis zum schmalen dunkelbraunen Rahmen. Helma fixiert den Betrachter en face aus großen, geweiteten Augen. Daß sie durch ihn hindurchsieht, in andere Gefilde, stellt sich erst bei längerem Verweilen vor ihrem Abbild heraus. Heitere Schmeichelfarben: grellgrün, kirschrot, hellsamtiges Braun und beige geben ihr den Anschein, sie sei eine Kosekatze. Weit gefehlt.
Helma liegt auf der Lauer. Gemartert von einem Trugbild. Sie trägt es auf der Stirn (in Wahrheit – im Gehirn). Ein Vogel. Keck, zierlich, schmackhaft. Er beherrscht Helmas Sinne. Sie hört, sieht, schmeckt, riecht, fühlt ihn. Irgendwo hier muß er sein. Sie spürt es. Die Jägeraugen senden grüne Blitze in den Raum. Nicht mehr schmeichelweich, sondern töt’-dich-gleich! Erschreckt zieht man die Streichelhand zurück.
Das »Katzenhafte« gab Paul Klee vortrefflich ihr in das Porträt. Man ahnt auch Helmas Resumee:
»Diese törichte Biene
von einer Zwitschermaschine
ist Narretei!
Sie nistet im Denkgehäuse.
… Es gibt ja auch noch Mäuse …
Es sei!«
Sprach’s und schlich
hüsch, hüsch
zum Mausen in’s Gebüsch.