von Matthias Käther
Spätestens seit dem sensationellen Erfolg des Führerfilms Der Untergang, der seit einiger Zeit eisern die Führung in den deutschen Kinocharts behauptet, beginnt im deutschen Volk endlich ein tiefes Umdenken in bezug auf lange tabuisierte Themen. Hitler wird nicht länger als der finstere Miesmacher der deutschen Nation angesehen, sondern gewinnt allmählich seine Vorbildwirkung als integrer und mutiger Held der Geschichte zurück. Glücklicherweise hat auch der Markt das erkannt und kann auf die neuen Bedürfnisse der Deutschen angemessen reagieren. Selbstverständlich in streng demokratischem Rahmen; die Vermarktung der DDR hat da großartige Pionierarbeit geleistet und gezeigt, wie man aus zackigen und forschen Diktaturen heute noch jede Menge Spaß für die ganze Familie herausholen kann, ohne die wenigen Opfer zu empfindlich zu kränken.
Der Buchmarkt hat zuerst reagiert – der Deutsche Kochbuchverlag bringt zum neuen Jahr heraus: Abnehmen mit dem Führer – Vegetarisch kochen in Krisenzeiten und zeigt den Reichskanzler von einer ungeahnt sympathischen Seite: ein Mann, der auch in dunkleren deutschen Tagen der fleischlosen Ernährung das Beste abgewinnen kann, ohne den Mut zu verlieren. Im Kinderbuchverlag Ascherswerde erscheint ein niedliches Bilderbuch für unsere Jüngsten: Wie der kleine Adolf in die große Welt zog, und der Reliquienverlag München legt eine neue aufregende Dokumentensammlung vor: Hitlers Hotelrechnungen. Band Eins 1910 -1926, mit einem Nachwort von Joachim Fes. Das Spiegel will herausgefunden haben, daß das ZDF die Rechte für eine vierzehnteilige Serie erworben hat. Auch das neue Hörbuch des Hörzu-Verlages Bruno Ganz liest ›Mein Kampf‹ (11 CDs im Schuber plus 134seitiges Booklet mit vielen schönen Fotos) findet reißenden Absatz – das beste Geschenk für den lieben blinden Opa auf dem kommenden Weihnachts-Gabentisch. Der Zyankali-Verlag Berlin hatte vielleicht die schönste Buchidee überhaupt: den Führer-Führer, ein Berlin-Reisebuch, in dem alle wichtigen Orte beschrieben werden, an denen Adolf Hitler länger als drei Minuten stehengeblieben ist.
Erwartungsgemäß boomt der Spiele-Markt nach dem Filmerfolg aber am meisten. Da gibt es zunächst einen Klassiker im neuen Outfit: Führer, ärgere dich nicht, eine originelle neue Version von Mensch, ärgere dich nicht. Das Brett stellt das Führerhauptquartier dar, aus dem die Insassen zu fliehen versuchen. Die roten Spieler sind die Feiglinge, die zu den Russen überlaufen möchten, die weißen die Verräter, die sich nach München absetzen wollen, die braunen … aber das ist ja klar. Wer auf die schwarzen Felder setzt (Minen!), muß einmal aussetzen, die Hakenkreuzfelder bedeuten, daß der Führer gute Laune hat, man darf drei Felder vorrücken. Ziel ist der Flughafen Tempelhof, wo die letzte Maschine der deutschen Luftwaffe wartet.
Anspruchsvoller und bestens geeignet für gewiefte Hobbyhistoriker ist das Brettspiel Berlin ’45. Auch hier wird mit Steinen und Würfeln gespielt, und zwar auf einem alten Plan von Berlin-Tiergarten (Reichskanzlei und Umgebung); aber es kommen noch eine Menge lustiger Ereigniskarten hinzu mit amüsanten Anweisungen wie: »Eine russische Granate hat dir dein linkes Bein abgerissen. Gehe vier Schritte zurück!« oder »Du hast einer russischen Kommissarin mit einer Panzerfaust den Kopf weggebratzt. Der Führer verleiht dir das Eiserne Kreuz. Überspringe 33 Felder!« Großer Beliebtheit erfreuen sich auch die Pantomime-Karten, die den Spieler auffordern, diverse Nazigrößen stumm mit Gesten darzustellen.
Wem diese Spiele zu militärisch sind, für den hält die Firma Ravensberg die harmlose Quartettvariante Führerbunker bereit, der ideale Zeitvertreib für den launigen Kameradschaftsabend. Vier Nazi-Frauen, vier Hitler-Sekretärinnen, vier Goebbels-Kinder, vier Bunker-Pinkelbeckensorten etcetera müssen jeweils zusammengesucht werden, damit man »ablegen« kann. Eine Karte mit Adorno drauf dient als Schwarzer Peter.
Nur auf dem Gebiet der Computerspiele ist nichts Neues zu vermelden. Die Phantasie der Nazi-Spiel-Strategen scheint dort fast erschöpft zu sein. »Alles seit Jahren schon auf dem Markt«, verlautet es resigniert aus Expertenkreisen.
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