Des Blättchens 5. Jahrgang (V), Berlin, 9. Dezember 2002, Heft 25

PDS-Monopol an Rosa Luxemburg?
Aufruf zur Bildung eines Anmelderkomitees für das Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am 12. Januar 2003

Die Bundestagswahlen hat die PDS nicht erst am 22. September verloren. Am Sonntag, dem 13. Januar 2002, kamen wir um 7 Uhr morgens auf den Platz vor der Gedenkstätte Friedrichsfelde, um den alljährlichen Stand aufzubauen. Doch anders als sonst waren um diese Zeit viele Stellflächen frei – freigehalten von Polizisten, die barsch eine Standgenehmigung einforderten.
Das Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht war 1990 von Wolfram Adolphi und Genossen als Spaziergang von Zehntausenden – und damit als Versuch, es vom Ruch der Ereignisse im Jahre 1988 zu befreien – »neu erfunden« worden. Sie orientierten sich an den Spaziergängen des 19. Jahrhunderts zu den Gräbern der Märzgefallenen von 1848, mit denen die Berliner das Demonstrationsverbot umgingen. 1990 ging es um die zivilgesellschaftliche Rückeroberung eines einstigen Staatszeremoniells.
In den Jahren bis 2001 meldete die Berliner PDS die Veranstaltung bei den Behörden an – und wer kam, kam, baute seine Stände und Glühweinkocher (es ist Januar) auf, verteilte sein Material, verkündete sinnvolle und oft auch sinnlose Sprüche über Kleinstlautsprecher und legte die Lieder von Ernst Busch ins Kassettendeck. Ein linker Jahrmarkt. Er ist neben dem Pressefest der Humanité das größte jährliche Treffen der Linken in Europa.
Daß diese heitere Ökumene zu Füßen von Karl und Rosa einigen Angekommenen aus der PDS schon lange nicht mehr paßte, war mir bekannt; daß sie aber, kaum in den Senat eingetreten, die Berliner Polizei aufmarschieren lassen würden, hatte ich in meiner Naivität nicht einen Moment lang zu glauben gewagt.
Die Sicht auf den Friedhof war mit Polizeitransportern verstellt; durch die am Aufbau von drohenden und brüllenden Polizisten Behinderten patrouillierten kleine moderne Polizeitransporter plus Anhänger, aus denen Hunde kläfften. Mitarbeiter des Karl-Liebknecht-Hauses, befragt, was der Spuk solle, meinten, das sei doch seit Donnerstag bekannt und im übrigen Sache der Berliner Landesparteiorganisation. Deren organisatorischer Vortänzer, ein Jüngelchen, agierte in bewährter FDJ-Funktionärsmanier und verkündete plötzlich, Parteien dürften auch ohne Anmeldung aufbauen. Was sich nun auf dem Platz vollzog, läßt sich kaum darstellen. Die MLPD, da eine Partei, setzte ihre Lautsprecher in Gang und heizte die Stimmung gegen die PDS jetzt richtig an.
Kurz nach acht Uhr kam die PDS-Prominenz auf den Platz. Der Vorsitzende ohne Mandat begriff das verursachte Desaster und ergriff das Handy: Zehn Minuten später war die Polizei verschwunden.
Diejenigen, die schon am Abend zuvor aus dem Bundesgebiet angereist waren, hatten den Platz – belegt mit saftigen Geldstrafen – Richtung Heimat schon längst verlassen; mit sich nehmend die Kunde von der Politik des rot-roten Senats. Das hatten sich CDU und SPD nie gewagt.
In einem Gespräch am Vormittag mit der damals gerade berufenen PDS-Stadträtin, die den Skandal absprachegemäß in Szene gesetzt hatte, erfuhr ich: »Wir wollten doch nur ein bißchen Ordnung auf den Platz bringen.« Ich habe vor einigen Tagen bei ihrer Sekretärin eine Nachricht und die Bitte um einen Rückruf hinterlassen. Ergebnis bisher: null.
Was am 12. Januar 2003 geschieht, ist völlig ungewiß. Deshalb rufe ich hiermit zur Gründung eines Anmelderkomitees auf. Der entsprechende Aufruf geht per E-Mail an alle Betroffenen.

Jörn Schütrumpf