Des Blättchens 4. Jahrgang (IV), Berlin, 10. Dezember 2001, Heft 25

Zur Tagesordnung

von Erhard Crome

Don Kohleone hat zu nachhaltig seine Partei patroniert. Die Verbliebenen haben den Laden nach wie vor nicht im Griff. »Das Mädchen« aus dem Osten wird wohl nicht die Unterstützung der Granden im Westen finden für einen zielstrebigen Wahlkampf im nächsten Jahr. Und der Eiferer aus Bayern wird diesseits des Weißwurstäquators kaum eine Mehrheit erhalten. Das schaffte nicht einmal Franz Josef Strauß, und der war ein politisches Schwergewicht. Die Berliner Zeitung hatte derweil in einem Interview schon mal Stoibers Wadenbeißer Goppel seine Einfalt ausbreiten lassen. Da wird das intellektuelle Niveau im Hinblick auf 2002 wohl irgendwo in Kniehöhe anzusiedeln sein, weitab von irgendeiner Gürtellinie. Der Zustand der ehemaligen C-»Volksparteien« scheint die Sorge des bürgerlichen Lagers zu sein. Es will die Sozen nicht, und zwar unabhängig davon, was diese tatsächlich tun, und betrachtet die Grünen als etwas Fremdes. Nicht daß man Angst hätte, die würden zusammen irgendetwas Umstürzlerisches tun. Aber Riesters Bemühungen um die Aufrechterhaltung wenigstens rudimentärer sozialer Sicherungen, der Atomausstieg, wenngleich in geologischen Zeiträumen, oder die Reduzierung der deutschen Rüstungsexporte im vergangenen Jahr waren Dinge, die man nicht mochte. Schließlich gehört einem doch diese Republik, und da mag man sich nicht anpassen an Bedingungen, die andere mitdefinieren. Symptomatisch war das offensichtliche Freudengeheul im Zentralorgan angesichts des dänischen Wahlergebnisses. »Nach achtzig Jahren verlieren die dänischen Sozialdemokraten ihre Mehrheit«, tiriliert die FAZ am 22. November im Aufmacher. Kommentiert wird sogleich, die Sozialdemokraten in Skandinavien erlebten »einen Abstieg«, dies sei »das Ende einer Epoche«. Das wünscht man sich so innig auch für Deutschland, obwohl hier jene sozialdemokratische Epoche gar nicht so richtig stattgefunden hat. Freudig wird vermeldet, das »Wohlfahrtsmodell« sei nun endgültig ausgelaufen, die Sozialdemokraten hätten ihren Anspruch, »noch immer die Avantgarde Europas zu sein«, nun endgültig verloren, ihr Nimbus, Verkörperung des fürsorglichen »Vater Staats« zu sein, sei verflogen. Kurz: endlich weg mit allem, was den Shareholder Value stören könnte. Die Zielrichtung wird deutlich, bezieht man den Kommentar zum SPD-Parteitag in Nürnberg mit ein. Hier wird schlankweg erklärt, Schröders »neue Mitte« sei seit 1999 verlorengegangen, in Nürnberg habe er lediglich »den Gemischtwarenladen seiner Reformpolitik noch einmal ausgebreitet: Steuerreform und Schuldenabbau, Atomverzicht und Betriebsverfassungsgesetz , gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften und Agrarwende«.Das muß jetzt wohl andersherum gelesen werden: Es ist die Liste der Punkte, die den Bürgerlichen nicht passen. So sehr von links vermerkt werden kann, daß die von rechts die gleichen Punkte kritisieren, sie tun es, weil sie nicht einmal das wollen, was da so gemacht worden ist in den vergangenen Jahren. In diesem Sinne wird auch die Symmetrie des politischen Gefüges in diesem Lande zu bestimmen versucht. Es sei ein alter Trick von Schröder, schon aus niedersächsischen Zeiten, mit den Grünen zu regieren, weil nur dann die SPD »Mitte« sei. Mit Unterstützung Münteferings seien zwar andere Optionen – mit FDP beziehungsweise PDS – angebahnt worden, diese habe Schröder jedoch »nur so lange, wie er nicht eine von ihnen nutzt«. Als Resümee wird gemeint, die SPD sei eben doch »links«.Eine solche Wahrnehmung zielt auf einen Polarisierungswahlkampf zum Bundestag. Wenn es gelänge, die SPD wenigstens in der Optik ins linke Licht zu rücken, könnte man einen Lagerwahlkampf im Westen zu führen versuchen, der die unentschlossenen Wähler, die Yuppies und Zauderer an die Wahlurnen zu nötigen versucht. Angekündigt sind bereits wieder einmal Unterschriftskampagnen gegen Ausländer – zwar nicht so richtig, man wisse noch nicht; aber ausschließen könne man das nicht, tönt es aus München. Koch nickt schon mal. Auch in der Kriegsfrage – so noch das Zentralorgan – wackele die Bundesregierung ja eigentlich, will sagen: Die C-Parteien seien eben doch die besseren Amerikaner. Bei der Kommentierung der dänischen Angelegenheiten wird die Unterstützung des Bürgerblocks durch die rechtspopulistische »Volkspartei« als normaler Vorgang dargestellt. Schill läßt grüßen. In Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern soll er ja schon umsehen lassen haben. Bei näherem Hinsehen haben die dänischen Sozialdemokraten ja wohl auch deshalb die Wahlen verloren, weil sie auf das ausländerfeindliche Thema, das die Rechtspopulisten vorgegeben hatten, eingestiegen waren, in der Hoffnung, auch in dieser Strömung oben schwimmen zu können. Eine fatale Fehleinschätzung. Und Deutschland? Offenbar kann die Themenliste des gegnerischen politischen Lagers nicht straflos übernommen werden, zu leicht durchschaubar ist eine solche Operation. Insofern fallen in den nächsten Monaten Vorentscheidungen. Wem gelingt es, welche Themen in die öffentliche Debatte zu bringen?