13. Jahrgang | Nummer 3 | 15. Februar 2010

Einfadenfilz

von Ove Lieh

Nein, es geht jetzt nicht um eine Teppichsorte, die im Stile Schweigerscher Filme („Keinohrhasen“, „Zweiohrküken“) benannt wurde, sondern um jenes „System Althaus“, in welches nach Eindruck von Iris Gleicke (SPD) Thüringen förmlich einbetoniert war. Dieses System hinwegzufegen, hatten sich alle außer der CDU auf die Wahlkampffahnen geschrieben und folgerichtig fegte es die CDU schließlich hinweg. Selten, sehr selten wurde ein scheidender Ministerpräsident mit einer solchen Härte und Unbarmherzigkeit abserviert, wie Dieter Althaus. Erst erklärt man seine Ära für beendet, und dann bestätigt seine Nachfolgerin Frau Lieberknecht auf Nachfrage mit gläserner, aber schneidender Stimme gnadenlos: „Sie können davon ausgehen, daß ich mit Dieter Althaus nicht nur in dieser wichtigen Frage (Schulpolitik – O.L.) ständig in Kontakt war und bin, um ihn zu informieren und um seinen Rat einzuholen.“ (Thüringer Allgemeine)

So zerschlägt man ein System, zerfetzt einen Filz, der übrigens nur von seinen Gegnern so bezeichnet wird. Die anderen nennen ihn Netzwerk. Ein solches Netzwerk soll ja Herrn Althaus jetzt tauglich gemacht haben für einen Vizedirektorenposten bei Magna. Neben viel Empörung gab es darüber auch herablassende Äußerungen wie die von Klaus Klocks (PR-Experte und Ex-VW-Vorstand): „Für ihn (Althaus – O.L.) ist das ein Himmelfahrtskommando. Ein Konzern wie VW funktioniert nach extrem sachlichen Gesichtspunkten. Bei Zulieferern geht es um Qualität und um ein paar Cent Preisunterschied. Da muß kein Kasper aus Erfurt kommen, um denen zu erklären, wo sie ihre Teile kaufen sollen.“ Einen Einwand hätte ich: Für einen Kasper ist die ganze Gestalt Althaus einfach zu traurig. Nun gut. Althaus (fast) allein soll es gewesen sein, der Thüringen einbetoniert beziehungsweise verfilzt hat. Ein Faden nur muß raus und auch nur ein bißchen, (ja, gut, ein paar Minister auch noch, aber der Rest bleibt), und gleich ist alles anders und doch wie es war. Denn während Herr Matschie, der Wendige, der vor allem ausstrahlt, daß er sich für sehr clever hält, was nun wiederum nicht sehr clever ist, der mit seinen Tricks und Kniffen dafür sorgen wird, daß Willy Brand, wenn er denn in Erfurt ans Fenster treten will, dort Platz haben wird, denn der Rest der SPD wird weit weg vom Fenster sein, erklärt, daß er natürlich den versprochenen Politikwechsel erreicht hat, verkündete Frau Lieberknecht fast weinend beim Abschluß des Koalitionsvertrages, daß es doch um die Anerkennung eines bewährten Fundamentes (Beton!) geht, daß es beim Koalitionsvertrag eindeutig um Kontinuität gehe, was man daran erkenne, daß dauernd von „stärken, sichern, weiter ausbauen, weiter fördern“ die Rede sei. Aber natürlich gebe es neue Impulse, wie es bei einem Kompromiß auch nicht anders sein könne. Das ist interessant, was bei dem Einen Politikwechsel heißt, nennt der Andere kompromißbedingte neue Impulse. Aber alles Taktieren nützte nichts, man ließ die neue Ministerpräsidentin bei der Ministerpräsidentenwahl durch das Fegefeuer dreier Abstimmungen gehen. Manche vermuten „das Netzwerk“ dahinter. Lieberknecht wahrscheinlich auch, denn sie war guten Mutes, daß sie bei zukünftigen und eben offenen Abstimmungen ihre Leute schon überzeugen würde. Und das klang nicht nur wie eine Drohung, das war eine! Sicher, um die wahr zu machen, braucht sie auch gute Verbindungen, ein Netzwerk eben, wie es auch Christoph Matschie nötig haben wird, der gerade eben nur noch ganz knapp in den Bundesvorstand der SPD kam, wenn er nicht kläglich untergehen will.

Ob aber eines Tages unsere beiden führenden protestantischen Pastoren in Thüringen singen werden: „Ein feste Filz ist unser Gott!“ bleibt ungewiß.