von Wolfgang Dahle
Vor sechzig Jahren starb B. Traven. Das »Totenschiff« war nach den »Baumwollpflückern« im Jahre 1926 der Roman, mit dem Traven im deutschsprachigen Raum bekannt wurde: »Die Geschichte eines amerikanischen Seemanns«, die Schilderung einer abenteuerlichen Überfahrt nach Amerika.
In seinem Reportageband »Land des Frühlings«, der 1928 bei der Büchergilde Gutenberg erschien, beschreibt er seine Erlebnisse in der mexikanischen Provinz Chiapas mit seinem Begleiter, mit dem er bei den Indianern in Dörfern und im Busch unterwegs war. Im umfangreichen Bildteil am Ende des Bandes ist Traven als Organisator der Expedition jedoch nie selbst zu sehen. Die Region Chiapas, eine der ärmsten in Mexico, war vor einigen Jahren als ein Gebiet voller Unruhen in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt.
Seit den zwanziger Jahren ging durch die literarische Welt die Frage »Wer ist B. Traven?« Doch erst nach dem Zweiten Weltkrieg kam durch die Nachforschungen des Leipziger Literaturwissenschaftlers Rolf Recknagel Licht in den bisher unbekannten Lebenslauf.
Schon seit 1957 war Recknagel auf der Spur eines Ret Marut, der in den Jahren zwischen 1917 und 1920 die Streitschrift »Der Ziegelbrenner« herausgegeben hatte, jedoch jahrelang als Herausgeber anonym blieb und nur über eine Adresse in München erreichbar war (Vermerk in den Heften: »Besuche wolle man unterlassen, es ist nie jemand anzutreffen.«). Dort erschien als ein Abgesang auf die alte Welt 1920 auch die Legende »Khundar«. Nach der Zerschlagung der Münchner Räterepublik, zu deren Aktivisten er zählte, war er im Mai 1919 verhaftet worden, hatte aber zu fliehen vermocht 1926 rief Erich Mühsam nach dem Herausgeber der Schrift: »Ret Marut, Genosse, Freund, Kampfgefährte, Mensch, melde dich, rege dich, gib ein Zeichen …! «
Angaben zu seiner Geburt, die Traven selbst zu verschiedenen Gelegenheiten hinterließ, sind widersprüchlich. Er verschleierte stets seinen Weg von Deutschland nach Amerika. Mehrfach gab er an, am 25. Februar 1882 in San Francisco beziehungsweise am 2. Juli 1880 in St. Louis geboren zu sein, bei der Einbürgerung und im Testament heißt es: 3. Mai 1890 in Chicago. Selbst seine Frau war viele Jahre lang davon überzeugt gewesen, daß ihr Mann ein gebürtiger Amerikaner sei.
Über das bis in die sechziger Jahre reichende literarische Lebenswerk von B. T – einem Kürzel, mit dem er oft unterzeichnete – gibt es zahlreiche Untersuchungen; über das Leben des Schriftstellers wurden erst nach zahlreichen Hinweisen von Zeitgenossen wie von Oskar Maria Graf und Johannes Schönherr (seinerzeit Lektor in der Büchergilde Gutenberg) bis dahin unbekannte Fakten bekannt, die dann in der Traven-Biographie von Rolf Recknagel mündeten, einem Bändchen, das 1966 im Leipziger Reclam-Verlag und fünf Jahre später in einer erweiterten Fassung erschien.
Während Recknagel seine ersten Ergebnisse vorlegte, beschäftigten sich in Ost und West andere Autoren mit den erzielten Forschungsergebnissen – wie der Rostocker Peter Lübbe, der 1965 eine Dissertation vorlegte, in der er sich auch auf Aussagen von »Büchergilde«-Lektor Schönherr und nach dessen Tod 1961 auf Dokumente von dessen Sohn Wolfgang Schönherr sowie auf Hinweise von Rolf Recknagel stützte. Letzterer hatte sich in seinen Nachforschungen ebenfalls auf Aussagen von Johannes Schönherr berufen; Lübbe stellte in seiner Inaugural-Schrift »Das Revolutionserlebnis im Werk von B. Traven« einige der Erkenntnisse von Recknagel in Frage.
Nach dem Tode Travens 1969 in seiner Wahlheimat Mexico-Stadt und dem öffentlichen Bekenntnis seiner Witwe Rosa Elena Lujan, daß er Ret Marut war, gab es zahlreiche Beiträge zum Lebensweg des großen Unbekannten. 1977 veröffentlichte der Journalist Gerd Heidemann den Beitrag »Postlagemd Tampico«; von Theo Pinkus erschienen Beiträge wie »Im Hause B. Travens«, und Harvard-Professor Karl 5. Guthke legte 1984 eine erste deutsche Fassung und 1987 die umfassende Darstellung »B. Traven. Biographie eines Rätsels« in der Büchergilde Gutenberg. Vom Frank Nordhausen veröffentlichte die »Berliner Zeitung« am 11. März 2000 eine Reportage über einen Besuch bei der Witwe Travens. Nordhausen schildert seine Eindrücke im Hause Calle Rio Mississippi Nr. 61 mit den Wohn- und Arbeitsräumen des Schriftstellers, er berichtet aber auch von den Recherchen des Gerd Heidemann im Auftrag des »Spiegel«, als dieser zusammen mit dem Archäologen Ferdinand Anton der noch lebenden Legende im Dezember 1966 einen Besuch abstattete.
Bei der Büchergilde Gutenberg erschienen 1977 die ersten Bände der großen Traven-Werkausgabe, die 1982 mit einer zweibändigen Edition von »Land des Frühlings« mit insgesamt 17 Bänden abgeschlossen wurde. In der DDR wurde das Werk Travens in einer Auswahl in Einzelausgaben im Verlag Volk und Welt ab den sechziger Jahren durch Hans Dieter Tschörtner betreut. »Der Karren« aus dem Caoba-Zyklus erschien in dem Ostberliner Verlag schon 1954. In Verlagsprospekten war jedoch über den Verfasser oft zu lesen »Nationalität unbekannt«, beziehungsweise Land: Mexiko.
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