28. Jahrgang | Nummer 1 | 13. Januar 2025

500 Jahre Bauernkrieg

von Manfred Orlick

Der Bauernkrieg der Jahre 1524/1525 war der größte Volksaufstand in Mitteleuropa vor der Französischen Revolution und die früheste politisch-soziale Massenbewegung im deutschen Sprachraum: Von Tirol und der Schweiz über das Elsass und Oberschwaben bis nach Franken und Thüringen rebellierten die Bauern und bildeten bewaffnete Haufen. Sie forderten mehr Rechte und eine Aufhebung der Leibeigenschaft. Auf dem Höhepunkt des Bauernkrieges hatten sich über hunderttausend Menschen mit den Aufständischen verbündet, um eine gerechtere Welt in christlicher Nächstenliebe und Brüderlichkeit zu schaffen.

Häufig wurde der Bauernkrieg nur als Nebenschauplatz der Reformationsgeschichte angesehen, doch ohne ein Verständnis des Bauernkrieges lassen sich die Möglichkeiten und Grenzen der Reformation nicht begreifen. Andererseits war der Bauernkrieg von den Ideen der Reformation geprägt.

Der 500. Jahrestag des Deutschen Bauernkrieges wird mit einigen großen Ausstellungen und Veranstaltungen gewürdigt; zu nennen sind vor allem die Große Landesausstellung Baden-Württemberg „500 Jahre Bauernkrieg“ (26.10.2024 – 05.10.2025) und die Thüringer Landesausstellung „freiheyt 1525 – 500 Jahre Bauernkrieg“ (11.05. – 17.08.2025). Daneben widmen sich einige Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt mit unterschiedlichen Ansätzen dem großen Volksaufstand.

Während im Mittelpunkt der bisherigen Forschung die verschiedenen Ursachen und Antriebskräfte standen, schaut der Historiker Gerd Schwerhoff in „Der Bauernkieg – Geschichte einer wilden Handlung“ primär von den Ereignissen her auf die Ursachen, „sodass sich ganz andere Perspektiven öffnen“. Außerdem versucht er, die räumliche und zeitliche Dimension und die zentralen Handlungsstränge des Bauernkrieges herauszuarbeiten.

Der Autor beginnt mit einer knappen Einführung in die Welt um 1500, die durch markante Veränderungen auf vielen Gebieten (Gesellschaft, Politik und Religion) geprägt war, sodass allgemein von einem Epochenwandel gesprochen wird. Die vielfältigen Proteste und Unruhen vor dem Bauernkrieg waren der Einstieg für die späteren Aufstände. Das Herzstück der Darstellung bilden aber die Ereignisse der geschichtsträchtigen Jahre 1524 und 1525. Beginnend mit den Vorboten und dem Kriegsbeginn im Südwesten des Reiches von 1524 bis zum März 1525 werden die Geburt einer Vision, die Ausweitung, die Höhepunkte und das Ende des Aufruhrs detailliert beschrieben und mit vielen Daten und Fakten untermauert. In mehreren Kapiteln behandelt der Autor die verschiedenen Schauplätze vom nördlichen Bodenseeraum über Franken, die Thüringisch-sächsischen Gebiete bis zu einem letzten Anlauf in den Alpenländern und einem Nachspiel in Italien. Die zahlreichen Regionalstudien werden dabei zu einem Panoramabild des Bauernkrieges zusammenzutragen.

Es ist verdienstvoll, dass Schwerhoff die Geschichte des Bauernkrieges auch kurz aus der Perspektive der Herrschenden betrachtet, deren Agieren ebenso vielfältig war wie bei den Bauernhaufen. Meist reagierte der Adel mit blutigen Reaktionen auf die Ereignisse. Oft glichen die Schlachten mehr einem Massaker, wie bei den katastrophalen Niederlagen der Aufständischen Mitte Mai 1525 in Böblingen, bei Frankenhausen oder im Elsass, die alle Hoffnungen auf ein „auch nur partielles Erreichen der Ziele der Empörung“ zerstörten. Mit demonstrativen Strafaktionen im Anschluss an die militärischen Siege wollte der Adel einen weiteren Widerstand der Bauernschaft abwürgen.

Im Rückblick stellt der Autor die Frage: Was bewirkte der Aufstand „mit seinem einzigartigen Umfang und seiner eindrucksvollen Dynamik“? Die Folgen des Bauernkriegs waren weitreichend und prägten die Geschichte Deutschlands auf viele Jahrzehnte. Während die revolutionäre Kraft der Bauern und einfachen Leute verloren ging, festigte sich die Stellung des Adels, besonders der territorialen Fürsten. Abschließend bilanziert Schwerhoff, dass der Bauernkrieg zwar eine räumlich weit ausgreifende Massenbewegung, aber „keine Revolution des gemeinen Mannes“ war.

Die australische Historikerin und Luther-Biographin Lyndal Roper, eine Expertin für die Geschichte der Reformation und der Frühen Neuzeit in Deutschland, hat viele Schlachtfelder des Bauernkriegs besucht. In ihrem Buch spannt sie einen weiten geographischen Bogen und beleuchtet die unterschiedlichen Strömungen während des Aufstandes. Sie beginnt mit der einfachen Frage: „Wie war es, während des Bauernkriegs zu leben?“ Mit der Betrachtung der Gedanken- und Gefühlswelt der handelnden Protagonisten erscheinen weitreichende Veränderungen oft in einem anderen Licht. So erfährt man viel über das System der mittelalterlichen Grundherrschaft mit ihren unzähligen Abgaben und Frondiensten der Bauern sowie der demütigenden Leibeigenschaft einerseits und den ausgedehnten Privilegien des Adels und der Kirchenherren andererseits. Daher hatte es schon früher Beschwerden und Klagen gegen die Grundherren vor Gerichten und einzelne Aufstände gegeben. Der Bauernkrieg entstand also keineswegs aus dem Nichts.

Interessant ist auch die gewählte Chronologie, der Roper folgt: Sie schreibt entlang der Jahreszeiten. Dies erscheint durchaus logisch, denn Wetter und notwendige Arbeiten auf den Feldern beeinflussten den Ausbruch und den Verlauf der Revolte. In „Sommer aus Feuer und Blut“ (so der englische Originaltitel) deckt die Autorin die weitreichenden Auswirkungen dieser zum Scheitern verurteilten Massenbewegung auf, die von einer religiösen Überzeugung und den Prinzipien der protestantischen Reformation motiviert war.

Roper erklärt, wie sich 1524/1525 weit mehr als 100.000 Menschen, vorwiegend Bauern, in bewaffneten Banden versammelten, weite Gebiete in Süd- und Mitteldeutschland eroberten und Klöster und Burgen plünderten oder niederbrannten. Die Herrschenden schlugen jedoch den Aufstand nieder und schlachteten innerhalb von zwei Monaten rund 70.000 Aufständische ab.

Neben der radikalen Seite des Bauernkrieges würdigt Roper auch die große Bandbreite an neuen Ideen. So war der Aufstand gewissermaßen auch ein ökologischer Protest, getragen von der Sorge um die Schöpfung und die gerechte Verteilung der natürlichen Ressourcen wie gemeinschaftlich genutztes Land, Teiche, Flüsse oder Wälder. Die Rolle der Frauen, die weitgehend von der Bewegung ausgeschlossen waren, wird ebenfalls kurz beleuchtet. In den bäuerlichen Gemeinschaften waren patriarchalische Strukturen ebenso wirkmächtig wie in den Adelsfamilien. Mit diesen beiden Aspekten spricht Roper Themen an, die gerade heute aktuell sind.

Die Neuerscheinung „Der Bauernkrieg – Deutschlands großer Volksaufstand“ von Christian Pantle lässt ebenfalls eine umfassende Darstellung vermuten; der Wissenschaftsjournalist versucht dies jedoch mit einer historischen Erzählung, die die Ereignisse von den ersten Revolten 1524 über die Hochphase und weiträumige Volksherrschaft 1525 bis zum letzten Widerstand in den Alpen 1526 schildert. Die beiden Protagonisten der Erzählung sind der Feldherr Georg von Waldburg, der den Adelstitel Truchsess trug, und der Bauernanführer Matern Feuerbacher.

In seinem Anfangskapitel Vorlauf gibt der Autor zunächst einen Überblick über das Rebellische Mittelalter von 1315 bis 1476 und die Welt im Umbruch um 1500. Im Juni 1524 hatte sich dann so viel explosiver Unmut angesammelt, dass mit der Stühlinger Erhebung im äußersten Südwesten Deutschlands nach allgemeiner Definition die „bäuerliche Revolte“ und damit der Flächenbrand begannen. In Memmingen forderten die aufständischen Bauern in den „Zwölf Artikeln“ ihr „göttliches Recht“ auf Freiheit von obrigkeitlichen Lasten und evangelische Wahrheit ein. Als die Gewalt eskalierte, wurden am 16. April 1525 in Weinberg der Graf Ludwig von Helfenstein und seine Begleiter vor den Toren der Stadt getötet.

Der Gastwirt Matern Feuerbacher, ein bäuerlicher Anführer aus Bottwar, war dagegen stets um Verhandlungen zwischen der Obrigkeit und den Bauern bemüht. Unter seinem Kommando gab es kaum größere Gewalttaten. Mit seinem Haufen regierte er bald ganz Württemberg. Inzwischen hatte Ferdinand von Österreich Georg Truchsess (auch „Bauernjörg“ genannt) zum obersten Feldherrn des Schwäbischen Bundes bestellt und beauftragt, den Bauernaufstand im Keime zu ersticken. Zunächst verhandelte er mit den Hauptleuten der aufständischen Bauern („Vertrag von Weingarten“), doch nach dieser Atempause gelangen dem Heer des Schwäbischen Bundes vernichtende Siege gegen die bäuerlichen Rebellen. Im Zuge des adligen Terrors wurden die Führer der Bauernhaufen zumeist hingerichtet.

Im Dezember 1525 endete der Bauernkrieg auch in Süddeutschland. Aus Angst vor neuerlichen Aufständen verhandelte Georg Truchsess mit seinen Untertanen, die einige wenige Forderungen durchsetzen konnten: So wurde die Fronarbeit teilweise eingeschränkt und Leibeigene durften sich freikaufen. Pantle zeigt mit seiner historischen Erzählung, ergänzt durch eine Zeittafel und einige Steckbriefe der handelnden Protagonisten, dass die Aufständischen, die zwar nur kurze Zeit über weite Teile des Reichs regierten und einen hohen Blutzoll zahlen mussten, am Ende durch ihr hartnäckiges Ringen doch eine Beschränkung der herrschaftlichen Gewalt erreichten.

 

Gerd Schwerhoff: Der Bauernkrieg – Geschichte einer wilden Handlung, Verlag C.H. Beck, München 2024, 720 Seiten, 34,00 Euro.

 

Lyndal Roper: Für die Freiheit – Der Bauernkrieg 1525. Aus dem Englischen von Holger Fock und Sabine Mülle,. S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2024, 672 Seiten, 36,00 Euro.

 

Christian Pantle: Der Bauernkrieg – Deutschlands großer Volksaufstand, Propyläen Verlag, Berlin 2024, 335 Seiten, 22,00 Euro.