Kaum einer der Reiseführer, historisch oder aktuell, verweist auf Warksow, nahe Gustow. Tatsächlich ist der kleine, erstmals 1318 als Rittergut Klein-Warksow erwähnte Rügener Ort kein touristischer Anziehungspunkt, wenn man vom „Wildgut Warksow“ absieht, das sich auch der schrittweisen Restaurierung der alten Gutsgebäude verschrieben hat und auf Anmeldung Führungen anbietet.
Warksow war jedoch kurzzeitig militärhistorischer Schauplatz:
1648 war der Dreißigjährige Krieg beendet und es begann die bis 1815 mit wenigen Unterbrechungen andauernde „Schwedenzeit“, obwohl es einen Erbvertrag gab, demzufolge Rügen nach dem Tod des letzten einheimischen Fürsten an Brandenburg fallen sollte. Der Dreißigjährige Krieg machte das Dokument jedoch zur Makulatur, die Schweden rückten Rügen nicht heraus, womit sich Brandenburg und seine Verbündeten nicht abfinden wollten.
Im Schwedisch-Dänisch/Brandenburgischen Krieg kam es am 8. Januar 1678 (julianischer Kalender) zu einer ungeplanten Schlacht bei Warksow. Während sich die Schweden auf Rügen bis dahin nur noch bei der Prosnitzer Schanze nahe Gustow halten konnten, war von den Brandenburgern wegen der schlechten Versorgungslage auf der ausgeplünderten Insel lediglich eine kleine Besatzung von 970 Mann verblieben, die vergeblich auf Entlastung wartete und deswegen jegliche Konfrontation vermeiden sollte.
Der Stralsunder Bürgermeister Otto Francke beschrieb knapp 200 Jahre später im 22. Jahrgang der „Baltischen Studien“ (1868) die Entwicklung aus seiner Sicht: Der schwedische Generalmajor Otto Wilhelm Graf von Königsmarck sah unter den beschriebenen Bedingungen die Zeit gekommen, Rügen von den Brandenburgern zurück zu erobern. Königsmarck hatte seine Truppen (in und um Stralsund etwa 16.000 Mann) mit entbehrlichen Verbänden aus Barth und Greifswald sowie Fußvolk und Reiterei aus Stralsund verstärken können. Außerdem hatte der stralsundische Rat nach den Angaben von Bürgermeister Francke der Bitte Königsmarcks entsprochen, ihm gegen Zusicherung eventuellen Schadenersatzes Pferde zu leihen. Zusätzlich ließen sich zahlreiche Stralsunder zur Teilnahme am Zug nach Rügen anwerben. Diejenigen unter ihnen, die keine eigene Waffe besaßen, stattete das städtische Zeughaus aus. Von den sieben „Fänlein“ der wehrfähigen Stralsunder (quasi eine städtische Schutztruppe von insgesamt über 3.000 Mann) wurden zwei ausgewählt, die unter der Führung der Ratsherren Victor Scheele und Hermann Engelbrecht zusammen mit den Freiwilligen von Stralsund aus zur Prosnitzer Schanze übersetzten. Zur Ablenkung des Feindes täuschten nach Stralsund geflüchtete rügensche Fischer mit ihren nach dem Gellen (Hiddensee) segelnden Zeesenbooten einen Vorstoß auf die Westseite Rügens vor.
Beim Angriff bei Warksow war der linke Flügel der Schweden unter den Obristen Lieven und Stålhammer zunächst von den Brandenburgern unter Obrist Johann Salomon von Hülsen zurückgeschlagen worden. Nachdem Hilfe durch die schwedische Reserve unter Obrist Jürgen Graf von Mellin eingetroffen war, konnte von Hülsen ebenso wie die aus Dänen, Hessen und Münsterländern bestehende gegnerische Reiterei in die Flucht geschlagen werden. Das im Stich gelassene Fußvolk und die dänisch-brandenburgische Reiterei streckten schließlich die Waffen. Während der dänische Oberbefehlshaber Generalmajor Detlef von Ruhmor durch einen Kanonenschuss fiel, entkam von Hülsen mit wenigen Begleitern in einem Boot nach der Peenemünder Schanze auf Usedom.
Von Königsmarck nutzte die entstandene Verwirrung und drängte die gegnerischen Truppen bis Jasmund und Wittow zurück.
Laut Bürgermeister Francke erhielten die Stralsunder Freiwilligen nach der Schlacht 2½ Taler und eine im Falle des Sieges versprochene Belohnung. Sechs Verwundete bekamen aus der schwedischen Kriegskasse zusätzlich einen Taler. Auch die bei der ablenkenden Fahrt nach dem Gellen verwundeten Bauern erhielten einen Taler. Die Zeesener und übrigen Fischer wurden für die Bereitstellung und Führung ihrer Boote vom Stralsunder Rat besonders gelobt.
Mit der Flucht der Dänen ist eine Sage verbunden: Die Dänen hatten die Absicht, nach Wittow zu entkommen, um von dort per Schiff weiter zu flüchten. Bei ihrem Rückzug führten sie einen bedeutenden Kriegsschatz mit sich, der nicht in die Hände des Feindes gelangen durfte. Da ihnen von Königsmarck hart auf den Fersen war, sollen sie den Schatz in einem Teich hinter dem Dorf Silenz, nahe der alten Landstraße zwischen Bergen und Silenz, versenkt haben. Gefunden wurde er bisher nicht.
Die relativ verbreitete Bereitschaft der Stralsunder, sich am schwedischen Feldzug zu beteiligen, mag zunächst verwundern, mussten doch die Bürger feststellen, dass die Schweden gelernt hatten, „wie gut es sich auf Kosten des Bürgers und Bauern leben lasse“ und – so Bürgermeister Francke weiter – „waren doch während des märkischen Zuges die Bande der Manneszucht bei ihnen völlig gelockert“. Es überwog jedoch die Sorge einer brandenburgischen Besetzung Rügens, wo die meisten Besitzungen der Stadt und der städtischen Stiftungen sowie die Güter vieler Bürger lagen. Der befürchtete vollständige Verlust der Insel an Brandenburg barg außerdem die Gefahr, dass Stralsund als letzter in schwedischer Hand befindlicher bedeutsamer Ort Pommerns selbst bald durch Brandenburg besetzt und noch ärger als ohnehin schon ausgeplündert werden könnte.
In der jüngeren Literatur (unter anderem bei Wilhelm Steffen: „Kulturgeschichte von Rügen bis 1815“) wird folgendes Fazit der Schlacht gezogen: Im wesentlichen sei es ein Artilleriekampf zwischen 21 dänischen und 25 schwedischen Geschützen und ein Reitertreffen gewesen. Insgesamt sollen etwa 3.500 Mann schwedische und vier bis fünftausend Mann gegnerische Truppen, darunter vor allem Dänen, um die eintausend Hessen und nur ein paar hundert Brandenburger beteiligt gewesen sein. Die Schweden sollen zweitausend Gefangene abgeführt und, wie damals üblich, „untergesteckt“ haben, das heißt unter Zwang in die eigenen Reihen eingegliedert. Auf schwedischer Seite sollen etwa 200 Tote und Verwundete zu beklagen gewesen sein, beim Gegner 300 bis 400.
Je nach Quelle weichen die Daten teilweise gravierend voneinander ab. So werden zum Beispiel im Internet 4.000 Tote und etwa 3.600 in Gefangenschaft Geratene auf Seiten der Brandenburger und ihrer Verbündeten angegebenen.
Bei der Schlacht wurde der auf einem Hügel gelegene Ort Warksow völlig zerstört und erst gegen 1695 bis 1698 an einer etwa 600 Meter nördlich gelegenen Stelle neu aufgebaut. Jetzt existierten das südöstliche Groß Warksow und das neue Klein Warksow. Als Groß Warksow zwischen 1840 und 1885 wüst ging, nannte man fortan nur noch Klein Warksow „Warksow“.
Das „Handbuch für Neu-Vorpommern und das Fürstenthum Rügen auf das Jahr 1886“ verwies damals auf sechs Wohnhäuser und 118 Einwohner des dem Stralsunder Kloster Sankt Jürgen am Strande gehörenden Gutes, verpachtet an Landwirt Holst.
Schlagwörter: Dieter Naumann. Warksow auf Rügen, Schweden