26. Jahrgang | Nummer 25 | 4. Dezember 2023

Deutsche Perspektiven

von Bernhard Romeike

Die deutsche Herren-Fußballmannschaft musste von der Weltmeisterschaft in Katar 2022 bereits nach der Gruppenphase abreisen. Vor kurzem hat sie gegen die Türkei und nun auch gegen Nachbar Österreich verloren. Ein Wunder in Bezug auf die Europameisterschaft 2024 wird sich wohl eher als Schimäre erweisen …

Der frühere sozialdemokratische Bundeskanzler Österreichs Christian Kern merkte gerade an, er erkenne Deutschland nicht mehr wieder. Die Deutschen hätten „nicht nur das Fußballspielen verlernt“. Das Land drohe wirtschaftlich und politisch abzusteigen. Die Regierung verrenne sich in ideologischen Diskussionen und versäume es, in langfristig belastbare Strukturen zu investieren.

Vielleicht ist es auch umgekehrt: der Abstieg im Fußball ist nur ein Moment des Abstiegs der Wirtschafts- und Kulturnation. Die Kleber der Letzten Generation, die von 68er Lehrern abgerichtet wurden, sind ein Kernproblem des Abstiegs. So betrachtet hat Deutschland weder eine Chance gegenüber den Aufstiegsnationen in Asien noch gegenüber den USA, die immer noch dem Mythos der Landnahme folgen. Kern merkte überdies an, dass Deutschlands Abstieg die ganze Europäische Union in den Abgrund reißen könnte.

In diesem Sinne war die Nörgelei über die Weltmeisterschaft in Katar eine ideologische Geisterdebatte. Es wurde ständig über die traditionale Herrschaft in dem Land und über die Lage der dortigen Fremdarbeiter gemosert, ohne Kenntnis der realen Verhältnisse vor Ort. Insofern war Nancy Faesers schwul-transvestitische Armbinde nur der eklatante Ausdruck deutscher Besserwisserei.

Tatsächlich hat Katar einen besonderen weltpolitischen Stellenwert schon deshalb, weil es den größten Stützpunkt der USA im Mittleren Osten beherbergt. Sein außenpolitisches Agieren hat auch damit zu tun. Nicht als Sprachrohr der USA, sondern es hat Spielräume auf Grund der Beherbergung der USA, die andere nicht haben. Dazu gehören auch die Inhalte und die weltweite Reichweite des in Katar beheimateten Senders Al Jaseera. Der dortige US-Stützpunkt und der Standort des Senders sind nicht voneinander zu trennen.

Al Jaseera hat am 19. November 2023 gemeldet, dass im Gefolge der israelischen Kriegsführung im Gazastreifen 1,5 Millionen Palästinenser aus ihren Wohnungen und ihren Wohngebieten vertrieben wurden. Es gab 13.000 tote Palästinenser, 30.000 wurden verwundet; 5500 Kinder wurden im Gazastreifen durch israelische Bombenangriffe und infolge des Bodenkrieges getötet. Weiter aufgelistet wurden 104 getötete UNO-Mitarbeiter, 202 ermordete Mediziner und 60 tote Medienmitarbeiter, darunter 38 Journalisten. Auf der anderen Seite waren 68 tote israelische Soldaten seit Beginn der Bodenoffensive zu beklagen.

Für diesen 19. November war in der ARD für 0.20 Uhr ein palästinensischer Film angekündigt. Titel:  „Wajib“. Regisseurin ist Annemarie Jajib, die aus einer alten christlichen Familie aus Bethlehem stammt und in den USA lebt. In dem Film aus dem Jahre 2017 geht es darum, dass ein in Rom lebender Architekt seinen Vater in Nazareth besucht. Er will dort bei der Hochzeit der Tochter helfen. Zu sehen sind die Probleme einer Vater-Sohn-Beziehung. Es gibt keinen Antisemitismus, keine Gewaltaufrufe oder palästinensische Propaganda. Sohn Shadi sagt zu seinem Vater, der Schuldirektor werden will, er lasse sich von „Zionisten erpressen“, die in den Institutionen sitzen. Mehr wird zum Staat Israel nicht gesagt.

Gleichwohl hat die ARD den Film abgesetzt. Er wurde zum angekündigten Termin nicht gezeigt. Stattdessen wurde der französische Streifen „Birnenkuchen mit Lavendel“ präsentiert. Der geht auch nicht am Herzen vorbei. Gleichwohl hieß es von Seiten der ARD, der palästinensische Film sei „unpassend“. „Vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse in Nahost halten wir ihn aktuell aufgrund seiner Erzählperspektive alleinstehend für nicht richtig im Programm platziert.”

Man wollte also keine palästinensische Sicht, auch wenn die in einem künstlerischen Werk daherkommt und keine aktuelle Propaganda enthält.

Im Artikel 1 des Grundgesetzes heißt es: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Palästinenser sind auch Menschen.