24. Jahrgang | Nummer 21 | 11. Oktober 2021

Antworten

Martin Sonneborn, Wahlverlierer mit Humor – Sie sagen nach der Bundestagswahl, dass Sie das Verlieren inzwischen gewöhnt seien. Aber Sie hatten Spaß am Wahlkampf, insbesondere in Berlin. Wie Sie der Berliner Zeitung sagten, hoffen Sie, dass Putin keine Wahlbeobachter in Berlin hatte. „Für einen Staat, der regelmäßig andere über den Ablauf korrekter Wahlen belehrt, gab es in Berlin erstaunlich viele Unregelmäßigkeiten […].“ Ein Betrüger, ein Blender und eine transatlantische Flitzpiepe würden die künftige Regierung stellen. „Wir werden unseren Humor brauchen.“ Genau!

Eberhard Panitz, Schriftsteller, verstorben – Sie sind vermutlich vor allem im Osten bekannt für Werke wie „Der Dritte“, „Die sieben Affären der Dona Juanita“, die sehr erfolgreich in der DDR verfilmt worden waren. „Der Dritte“ unter anderem mit Jutta Hoffmann, Barbara Dittus und Armin Müller-Stahl füllte die Kinos – und das als DEFA-Film … Das Publikum einer normalen Abendvorstellung klatschte Beifall für diese bewegende Geschichte einer Frau auf der Suche nach Selbstbestimmung und Liebe. Wem gelingt das sonst im Kino?

Sie werden schon allein wegen dieser wunderbaren Geschichte nicht vergessen werden.

Eckhard Henscheid, der Ewige Wüterich – Sie gehören mit Gernhardt, Waechter, Traxler und anderen zur Neuen Frankfurter Schule und sind Mit-Erfinder des Satiremagazins Titanic. Mit Ihren drei Romanen „Die Vollidioten“ / „Geht in Ordnung – sowieso – – genau – – –“ und „Die Mätresse des Bischofs“, allgemein bekannt als die „Trilogie des laufenden Schwachsinns“ – 400.000-mal verkauft – adelten Sie sich selbst zum Klassiker eines ebenso subtilen wie schrägen Humors und avancierten in den 1970er Jahren zum Hausphilosophen alternativer Gruppen und Bewegungen im Umweltschutz-, Abrüstungs- und Anti-Atomkraftbereich. Im altbundesdeutschen Literaturbetrieb verfuhren Sie nach der durchaus von Anmaßung nicht freien Devise „viel Feind, viel Ehr‘“ und machten alles herunter, was Rang und Namen hat: Botho Strauß ziehen Sie der „tranigen Edelschickeriaprosa“, Günter Grass war Ihnen ein „Wichtigkeitskasper“, Ingeborg Bachmann eine Frau, „die letztlich nichts zu erzählen hatte“, und Marcel Reich-Ranicki kanzelten Sie ab als „Literaturpapst? Kegelbruder!“. Letzterer schoss scharf zurück („Idiot!“), doch Ihre Verehrer sehen Sie als Virtuosen von Krawall und Idylle, als einen der großen Sprachjongleure bayerischer Provenienz, als stilbildenden Humoristen und gefürchteten Universalkritiker. Auch Ihr in mehreren Ausgaben erschienenes lexikalisches Kompendium „Dummdeutsch“ lohnt noch, in die Hand genommen zu werden – und sei es nur, um festzustellen, welche sprachlichen Plattitüden Sie letztmalig vor drei Jahrzehnten aufs Korn genommen haben, von denen heute längst geglaubt wird, sie gehörten schon „ewig“ zum deutschen Sprachschatz!

Vor Jahren antworteten Sie auf die Frage, auf wen oder was Sie am ehesten verzichten könnten: „Auf den nächsten und übernächsten Bundespräsidenten. Der überübernächste soll dann wieder sein.“ Unsere Antwort auf die gleiche Frage: „Keinesfalls auf Eckhard Henscheid!“

Gerade sind Sie 80 geworden. Wir wünschen nachtrabend, aber umso herzlicher weitere gute Jahre bei angemessener Gesundheit und gleichbleibend schmerzhaftem Esprit!

Alexander Lang, unverbitterter Spötter, weniger vor dem Herrn als vor uns allen – Sie haben als Schauspieler und streitbarer Theatermacher erst in Deutschland Ost, dann West, dann vereint lange mitten in den intellektuellen und politischen Zeitläuften agiert. Jetzt, 80-jährig, lautet Ihre aktuelle Bestandsaufnahme: „Wir leben in einer narzisstischen und infantilen Gesellschaft voller Selbstdarsteller mit Befindlichkeitspflege und dem Glauben, ständig um Entschuldigung bitten zu müssen.“ Sowie: „Wir haben […] heute die Nachhaltigkeit als Zauberformel. So nachhaltig wie Trittins Biosprit mit den subventionierten Monokulturen auf den Äckern. Nachfolgend sind wir vom Naturschutz angehalten, die übrig gebliebenen Insekten zu zählen. Was für eine schöne Aufgabe in den künftig autofreien Innenstädten. Lastenfahrräder mit Insektenzählgeräten – das wär’s!“
Auf die Frage, ob Sie verbittert seien, stellten Sie klar: „Was? Um Gottes willen! Nein, ich bin äußerst dankbar. Ich hatte eine tolle Zeit. Ich konnte noch richtig leben, mich auseinandersetzen, kämpfen. Ich musste mich nicht nur mit mir selbst beschäftigen, sondern mit den Umständen. Da wuchs man dran, das war toll und spannend und schlichtweg erfüllend.“
Wir ahnten es längst: Manches war früher tatsächlich besser!