Des Blättchens 12. Jahrgang (XII), Berlin, 19. Januar 2009 , Heft 2

Grundrechthaberei

von Günter Krone

Roman Herzog, ehemals Bundespräsident und Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, gesegnet mit der Weisheit, die Spitzenpolitiker häufig nach Ausscheiden aus dem Amt überkommt, hat ein (ungeschriebenes) Grundrecht entdeckt, »ein Grundrecht auf Dummheit«. Das ist eine epochale Leistung, würdig eines begnadeten Verfassungsrechtlers. Und so praktisch. Die Ausübung eines Grundrechtes kann nichts Anrüchiges an sich haben. Wer eine Dummheit macht, verhält sich rechtmäßig, und wer sagt, daß ein anderer eine Dummheit begehe, sagt nichts Anstößiges.

Ein CDU-Verkehrsexperte hat eine Satelliten-Überwachung von Fahranfängern vorgeschlagen. Ein SPD-Innenexperte hat den Vorschlag als schwachsinnig bezeichnet. Beide haben sich tadellos benommen. Der Entdecker des bezeichneten Grundrechtes hat selbiges im Zusammenhang mit einer »Warnung vor Rentnerdemokratie« ins Gespräch gebracht. »Wenn die Älteren«, sagte er, »die Jüngeren immer stärker zur Kasse bitten, würde die Staatsquote wachsen«, was »ab einem gewissen Punkt … durchaus verfassungswidrig ist«.

Wahrscheinlich geht er davon aus, daß alle Rentner eine so ungemein hohe Rente beziehen wie er. Aber bitte, grundrechtlich ist diese Meinung gedeckt. Der Vorsitzende eines »CDU-nahen Studentenverbandes« fordert ein »doppeltes Wahlrecht für alle, die arbeiten«, und ein vermindertes für »Hartz-IV-Bezieher und Rentner«. Danach hätte jede Prostituierte, die brav Steuern zahlt, mehr Stimmrecht als unsere ehemaligen Bundespräsidenten, die ja allesamt Rentner sind. »Schwan fordert ehrliche Politiker«, titelt eine überregionale Qualitätszeitung. Grundrecht ist Grundrecht.

Nach einer Berechnung der FDP »ist die Steuer- und Abgabenbelastung der Bürger seit dem Amtsantritt der großen Koalition in zweistelliger Milliardenhöhe gestiegen«. Und die weiß nun nicht, wie man die Bürger entlasten kann. Alles verfassungsgemäß. Auch Peter Sodann, der Josef Ackermann verhaften will, kann man keinen Vorwurf machen. Es muß nur geklärt werden, ob Sodanns Wahl noch mit dem Grundrecht auf Dummheit harmonieren würde. Auch dieses Grundrecht hat seine Grenzen. Allerdings ist Sodann nicht der einzige, bei dem man das prüfen muß.