24. Jahrgang | Nummer 12 | 7. Juni 2021

Carpe diem

von Angelika Leitzke

Die Woche hat bekanntlich sieben Tage. Vom christlichen Kirchenjahr schon seit Jahrhunderten mit Beschlag belegt, werden sie zunehmend auch für weltliche Zwecke instrumentalisiert. Wir sollten uns also einen Überblick verschaffen. Nach dem Neujahrstag als Schlafe-Deinen-Rausch-aus-Tag und dem Dreikönigstag zur Beschwörung der drei Magier aus dem Morgenland hat sich seit 2005 im deutschen Lande der 27. Januar als der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts manifestiert – im Rückblick auf die Befreiung des KZs Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee, die doch schon 1945 stattgefunden hat. Ein bisschen spät also, dieser Gedenktag.

Schreiten wir zum Februar, so haben wir gleich vier lustige Tage vor uns: den Valentinstag für die Liebenden am 14. Februar sowie Rosenmontag und Faschingsdienstag, während am Aschermittwoch vor allem in Bayern Politiker über Politiker nach Herzenslust schimpfen dürfen.

Im März wird es dann wieder etwas ernster. Am Achten des Monates geht es um die Rechte und die Gleichberechtigung von Frauen beim Internationale Frauenwelttag, der in Deutschland nur im Land Berlin seit 2019 ein gesetzlicher Feiertag ist. Der 17. März als Saint Patrick’s Day, irischer Nationalfeiertag, wird auch in einigen deutschen Städten gefeiert. Die UNO legte 1966 den 21. März als Internationalen Tag gegen Rassismus fest, dennoch wurden 1968 ein Martin Luther King und 2020 ein Afroamerikaner namens George Floyd getötet, um nur zwei Beispiele zu nennen. Zur Karwoche gehören Palmsonntag, Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag, bis am Ostersonntag das fröhliche Eiersuchen beginnt.

Danach tritt am 23. April der Welttag des Buches auf den Plan, 1995 ausgerufen von der UNESCO, an dem möglichst viele Bücher gelesen, verschenkt oder verkauft werden sollten, ungeachtet eines Analphabetismus, der in einigen Regionen des Globus bis heute verbreitet ist. Am 28. April wird dann am Workers’ Memorial Day all derjenigen Lohntätigen gedacht, die aufgrund von Arbeit getötet, verstümmelt oder verletzt wurden oder erkrankt sind.

Am 1. Mai rückt der Tag der Arbeit mit entsprechenden Kundgebungen nach. Der Internationale Museumstag wird seit 1978 in Deutschland an einem Sonntag im Mai begangen. Der zweite Sonntag im Mai ist bereits für die Ehre der Mutter reserviert, der Vatertag folgt. Auch das Ende des Zweiten Weltkrieges hat ein Anrecht auf einen besonderen Tag, doch gilt der 8. Mai nicht nur als Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus, sondern auch Henry Dunant, dem Begründer des Internationalen Roten Kreuzes.

Christi Himmelfahrt ereignet sich jedes Jahr pünktlich genau 39 Tage nach Ostersonntag immer an einem feiertäglichen Donnerstag, also im Mai oder Juni, während Maria stets am 15. August in die überirdischen Sphären reist – allerdings in Deutschland mit feiertäglicher Weihe nur im Saarland und einigen Teilen Bayerns. Die Tage der Eisheiligen vom 11. bis 15. Mai können für Kälteeinbruch sorgen. Der Pfingstmontag gemahnt an die Ankunft des Heiligen Geistes, der immer noch nicht über die Menschheit herab geweht sein dürfte. Denn allein der D-Day als Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg hat sich den 6. Juni markiert, nachdem an diesem Tag des Jahres 1944 die Truppen der Alliierten in der Normandie landeten, um das Ende von Hitlers Schreckensregime einzuleiten. Vor dem 24. Juni, Johannistag, als Geburtstag von Johannes dem Täufer mit Sonnenwende-Feuern hat die katholische Kirche noch den Fronleichnamstag eingeschoben. Unter dem Namen Christopher Street Day finden im Sommer in deutschsprachigen Ländern Paraden statt, die für die Rechte von Homo-, Bi- und Transsexuellen eintreten.

Nach den heißen Hundstagen im Juli und August wird in Deutschland am 1. September der Antikriegstag begangen, die Vereinten Nationen haben den 21. September zum Internationalen Tag des Friedens gekürt. Vorher, am 20. September, richtet Deutschland den Weltkindertag aus, was von der katholischen Kirche angesichts der Missbrauchsfälle in den eigenen Reihen doch glatt übersehen wurde. Alljährlich am zweiten Sonntag im September findet seit 1993 in Deutschland der Tag des offenen Denkmals statt. In der Bundesrepublik wird am 3. Oktober als Tag der deutschen Einheit feiertäglich der deutsch-deutschen Wiedervereinigung gedacht. Am 4. Oktober, dem Todestag des Heiligen Franziskus von Assisi, der zu den Vögeln predigte, ruft der Welttierschutztag zum Engagement auf. Bei den evangelischen Christen ist in Erinnerung an Martin Luther der 31. Oktober Reformationstag, in der westlichen christlichen Kirche wird am 1. November grundsätzlich an alle Heiligen erinnert, was angesichts deren Zahl eine wahre Herkulesaufgabe ist.

Nach dem Hubertustag am 3. November, den auch vehemente Gegner der Fuchsjagd nicht abschaffen konnten, ruft Deutschland aufgrund der Judenpogrome des Hitler-Regimes am 9. November zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus auf. Seit 2013 gilt bei den Vereinten Nationen der 19. November als Welttoilettentag, um auf die miserablen beziehungsweise fehlenden sanitären Anlagen besonders in Entwicklungsländern hinzuweisen. Der Totensonntag ist der letzte Sonntag des christlichen Kirchenjahres, das mit dem ersten Adventssonntag wieder beginnt. Zwei Sonntage zuvor begeht Deutschland den Volkstrauertag, um an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft zu erinnern, was sie natürlich auch nicht wieder lebendig macht.

Auch der Dezember hat weiter die Last der Tage zu tragen. Die WHO hat den Ersten des Monats zum Welt-Aids-Tag erklärt, derweilen sie angesichts einer Pandemie namens Covid 19 über die Einrichtung eines Corona Day für 2022 nachdenkt. Der Nikolaustag am Sechsten des Monats erteilt Gaben oder Prügel für gute beziehungsweise schlechte Kinder. Feiertage sind nach dem 24. Dezember, an dem in frommer Vergessenheit des Welttierschutztages vom Oktober die Gans geschlachtet wird wie bereits am Martinstag, dem 11. November, zwei Weihnachtstage, denen auch die Gänsestopfleber anheimfällt. Schließlich endet das Jahr an Silvester, dem Altjahrestag. Danach beginnt die Chose wieder von Neuem.

Zudem wurden Wochentage mit koloristischen Attributen ausgestattet. So gibt es den Weißen Sonntag als Tag der Erstkommunion für die weiß gekleideten Kinder, den blauen Montag für Arbeitsscheue, der sich als freier Tag für Museen, Galerien und Friseure etabliert hat, den wohl gräulichen Aschermittwoch als Beginn der Fastenzeit, den bereits erwähnten Gründonnerstag, den Black Thursday, der in die Geschichte als New Yorker Auftakt zu einem weltweiten Börsencrash im Oktober 1929 einging und in Europa infolge der Zeitverschiebung als Black Friday oder Schwarzer Freitag landete. Unter der Farbe Rot sollte schließlich der Bloody Friday als Tag einer Serie von IRA-Bombenanschlägen des Jahres 1972 in der nordirischen Hauptstadt Belfast vermerkt werden. Von einem gelben Dienstag oder violetten Samstag, um die Palette zu vervollständigen, ist bislang noch nichts bekannt.

Wir haben Geburtstage, Hochzeitstage und Todestage, Fest- und Feiertage, Werk- und Wochentage, Urlaubstage, Brückentage, Aktionstage, Glückstage oder Unglückstage wie Freitag den Dreizehnten, den Acht-Stunden-Tag, den Tag X, den Tag danach, den Tag der offenen Tür, den verkaufsoffenen Sonntag, den evangelischen Kirchentag, den Bundes- und den Landtag, den Sankt Nimmerleinstag und den wohl einmaligen Tag des Jüngsten Gerichtes.

Vergessen wir nicht Robinson Crusoes Diener Freitag aus Daniel Defoes Schöpfung, während Fridays for Future die Bewältigung der Klimakatastrophe anstrebt.

Unlängst ist der Ruhetag, eigentlich der Gastronomie vorbehalten, in Verruf geraten. Man darf die Sache eben nicht zu weit treiben.