14. Jahrgang | Nummer 13 | 27. Juni 2011

Antworten

Dr. a. D. Silvana Koch-Mehrin, Ex-Glamour-Girl der FDP im Europa-Parlament – Als vor einigen Wochen der Verdacht des Plagiierens im Hinblick auf Ihre Doktorarbeit aufkam, haben Sie uns eine Schmierenkomödie à la von Guttenberg erspart und sind zeitnah von Ihren Ämtern – mit Ausnahme des lukrativen Mandats im Europa-Parlament – zurückgetreten. In Zeiten verlotterten Sitten und kaum mehr spürbarer ethisch-moralischer Standards ist man ja schon mit sehr wenig zufrieden, und so dachten wir damals: „Schau an – doch noch ein Rest von Anstand vorhanden.“ Das war verfrüht, denn nachdem die Uni Heidelberg Ihnen den Doktortitel wegen 120 Plagiatsstellen aberkannt hat, erwägen Sie nun rechtliche Schritte gegen die Uni-Entscheidung. Das hat Chuzpe!
Für den Fall, das Sie den Begriff nachschlagen müssen – als der Rabbi von einem seiner Schüler gefragt wurde, was Chuzpe sei, fuhr er sich nachdenklich durch den Bart und antwortete: „Moischele, wenn einer seine Eltern umbringt und vor Gericht auf mildernde Umstände plädiert, da er ja Vollwaise sei, – das ist Chuzpe.“

Milchschnitte aus dem Hause Ferrero, gehaltvoller als eine Schoko-Sahnetorte – Nur „gute Zutaten und viel frische Milch“ enthalte die Ferrero-Schnitte, so heißt es in einem Werbespot mit der Boxerin Susi Kentikian. Lebensmittelexperten halten dies für extrem irreführend, da die angeblich sportlich-leichte Zwischenmahlzeit zu 60 Prozent aus Fett und Zucker besteht. Indem selbst kalorienhaltigste Süßspeisen als etwas Leichtes angepriesen würden, mache sich die Lebensmittelindustrie, so der Chef des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Wolfram Hartmann, „mitschuldig daran, dass immer mehr Kinder an Übergewicht und Adipositas leiden und erhebliche Kosten im Gesundheitssystem entstehen“. In einer Internetumfrage von Foodwatch wurde die Milchschnitte daher jetzt folgerichtig zur dreistesten Werbelüge des Jahres gekürt. Und die sonstige Ferrero-Werbung? Der Volksmund rät: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht …“

Philipp Rösler, neuer FDP-Chef Als Sie von Ihrem Häuflein der gelben Aufrechten vor einigen Wochen zum Vorturner gekürt wurden, da verkündeten Sie vom Rednerpult der Parteitagsbühne: „Liebe Wählerinnen und Wähler: Ab heute wird die FDP liefern.“ Was geliefert werden sollte, ließen Sie offen. Neue Themen? Eine neue Politik? Gar neue Glaubwürdigkeit? Bereits heute sehen wir klarer. Die FDP liefert – Klientelpolitik wie eh und je: neue Forderungen nach Steuersenkungen; Versuche, den Atomausstieg zu strecken; Aussicht auf weitere Honorarsteigerungen für niedergelassene Mediziner und Zahnärzte. Alles Lieblingsthemen liberaler Stammwähler. Eines sollte man Ihnen allerdings nicht vorwerfen: Sie verkauften alten Wein in neuen Schläuchen. Das wäre eine Beleidigung für die Schläuche! Und Sie selbst? Nun, es ist ja schon mancher als Tiger gesprungen …

Helgoland, einzige deutsche Hochseeinsel und steuerfreier Fuselfelsen – Vor dreihundert Jahren trennte eine Sturmflut die Hauptinsel von der benachbarten Badedüne. Jetzt soll, so ein seit Jahren betriebenes Projekt, das Loch im Meer – 850 Meter lang und 300 Meter breit – wieder zugeschüttet werden. Das würde zugleich die „Festlandfläche“ der Insel um ein Viertel vergrößern, soll Investoren anlocken und den rückläufigen Touristenzahlen (vor 40 Jahren: 800.000 per anno, heute: 300.000) entgegenwirken. (Die Insel kämpft seit Jahren vergeblich gegen ihr Image als verschnarchtes Ziel vor allem von Butterfahrten für Senioren.) Die Inselbewohner stimmen dieser Tage über das Vorhaben ab.
Das mit der Sturmflut war sicher tragisch, und die Wiedervereinigung ist auch den Helgoländern zu wünschen. Aber es hätte noch viel schlimmer kommen können: Nicht auszudenken, wenn die Sturmflut just seinerzeit herangeschwappt wäre, als Hoffmann von Fallersleben auf dem Eiland das Deutschlandlied dichtete …

Franz Müntefering, 71, Ex-Vizekanzler und Ex-SPD-Vorsitzender – Im Unterschied zu Joachim Fuchsberger („Altwerden ist nichts für Feiglinge“) und Sven Kuntze („Altern wie ein Gentleman“) haben Sie bisher der Versuchung widerstanden, ein Altersbuch zu schreiben. Wir hoffen, dass dies so bleibt und Sie Besseres zu tun haben. Zum Beispiel viel zusammen mit Ihrer 40 Jahre jüngeren Ehefrau zu unternehmen. Ihr Beispiel, das – so fand ein großes Hamburger Nachrichtenmagazin jetzt heraus – „die meisten älteren Frauen furchtbar finden“, gibt „den meisten älteren Männern die Hoffnung, dass auch das Alter noch manches Abenteuer bereithält“. 2013 werden Sie vielleicht nicht mehr für den Bundestag kandidieren, womöglich aber Ihre Frau. Doch wie es auch kommt – angesichts der Überalterung der Gesellschaft geben Sie ein hoffnungsfrohes Beispiel dafür, wie der von Pessimisten bereits tot gesagte Generationenvertrag doch wieder mit Leben erfüllt werden kann.