22. Jahrgang | Nummer 21 | 14. Oktober 2019

Prinzessinnenbibliothek

Von Manfred Orlick

Seit 2017 hütet die Staatsbibliothek zu Berlin einen bibliophilen Schatz: die Privatbibliotheken dreier hochadliger Damen, die sämtlich in enger verwandtschaftlicher Verbindung zu Friedrich II. von Preußen standen – seine Mutter Sophie Dorothea von Hannover, Königin in Preußen, seine Schwester Luise Ulrike von Preußen, Königin von Schweden, und seine Nichte Sophie Albertina, Prinzessin von Schweden und Äbtissin des Reichsstifts Quedlinburg. Friedrich war gewissermaßen das verbindende Glied zwischen den gebildeten Damen und der heutigen Staatsbibliothek, denn er war nicht nur Monarch, sondern verstand sich auch als oberster Leiter „Seiner Bibliotheque“, der sich auch um die Auswahl der Bücher und profane Probleme wie die Heizung in den Wintermonaten kümmerte.
Den Grundstock der Bibliothek von Prinzessin Sophie Albertina am schwedischen Hof legten von ihrer Großmutter und ihrer Mutter ererbte Buchbestände. 1445 Titel in rund 4500 Bänden hatten die prominenten Hohenzollern-Damen vom späten 17. Jahrhundert bis etwa 1830 zusammengetragen, die die kinderlose Sophie Albertina nach ihrem Tod ihrer guten Freundin und Oberhofmeisterin Gräfin Lolotte Stenbock und deren Sohn vererbte. Ende der 1980er Jahre wurde die Büchersammlung schließlich an einen privaten Sammler, einen schwedischen Industriellen, verkauft. Dieser bot vor zwei Jahren über einen englischen Antiquar der Staatsbibliothek die „Prinzessinnenbibliothek“ zum Kauf an. Mit Hilfe von fünf Stiftungen und 120 privaten Spendern konnte die Kaufsumme, über die Stillschweigen vereinbart wurde, aufgetrieben werden.
In der Staatsbibliothek hat der gut erhaltene Bücherschatz nun eine neue Heimstatt gefunden und steht in seiner einmaligen Geschlossenheit der Forschung zur Verfügung. 500 ausgewählte Bände sollen im Schloss Rheinsberg in wechselnden Ausstellungen präsentiert werden.
Ein Blick in die Bibliothek verrät, dass die drei gebildeten Damen fast ausnahmslos französischsprachige Werke bevorzugten – vor allem Bibeln, Lexika, Biographien, Memoiren, Briefausgaben, Klassiker (unter anderem „Werther“ und „Maria Stuart“), Reiseliteratur und nicht zuletzt philosophische Abhandlungen. Neben dieser „höfischen Pflichtlektüre“ finden sich aber auch Ausgaben, die man in einer Adelsbibliothek wohl nicht vermutet – etwa Werke über moderne Gartenkunst, Modezeitschriften, Defoes „Robinson Crusoe“ oder die gesammelten Werke des amerikanischen Abenteuerschriftstellers James Fenimore Cooper. Natürlich alles in französischer Übersetzung. Deutsche und schwedische Texte sind eher selten. Dass Friedrich II. als „Philosoph von Sanssouci“ mit einer Auswahl literarischer Arbeiten ebenfalls vertreten ist, überrascht natürlich nicht.
Bei diesem umfangreichen und hochkarätigen Bücherschatz, der in seiner Gesamtheit sicher ein einmaliges kulturelles Vermächtnis ist, verwundert es, dass die spektakuläre Neuerwerbung bisher in noch keiner angemessenen Publikation gewürdigt wurde. In der Insel-Bücherei ist nun ein schmaler, aber brillanter Band erschienen, der ausgewählte Beispiele der Prinzessinnenbibliothek in Wort und Bild vorstellt.
Nach den obligatorischen Grußworten vermitteln die Herausgeber Silke Trojahn und Andreas Wittenberg zunächst einige Informationen zu den drei adligen Damen und Lolotte Stenbock (mit historischen Porträtabbildungen) sowie zum wechselvollen Weg der Büchersammlung.
Bei der detaillierten Vorstellung der ausgewählten Bände wird besonders auf deren Provenienz und Einband eingegangen. In den meisten Fällen befinden sich die Provenienzen in den Büchern selbst; häufig ist die Kennzeichnung des Besitzes auch außen angebracht. An vielen Beispielen lassen sich außerdem die Vorlieben ihrer Auftraggeberinnen bei der Einbandgestaltung ablesen. So bevorzugte Luise Ulrike offensichtlich braunes Leder, während Sofia Albertina wie ihr Onkel Friedrich rotes Ziegenleder liebte. Zahlreiche Fotos von Carola Seifert dokumentieren außerdem die Handwerkskunst der damaligen Buchbinder.
Natürlich kommt der Insel-Band im Prinzessinnen-Look daher, zwar nicht im Ledereinband, aber doch im roten Hardcover mit goldenem Kronenmuster.

Silke Trojahn / Andreas Wittenberg (Hrsg.): Die Prinzessinnenbibliothek – Die Bücher der Sofia Albertina von Schweden, Insel Verlag, Berlin 2019, Insel-Bücherei Nr. 1474, 144 Seiten, 14,00 Euro.