von Eckhard Mieder
1.
Sagen wir jetzt mal Portugal.
Sagen wir Eukalyptusbäume, geforstet auf Terrassen,
Treppen in den Hängen für den Schritt von Riesen,
und grad liefen wir durch einen Wald,
dem die Eukalpyten (lässt sich so sagen?)
aus dem Boden gerissen wurden.
Von Technik schwer wie Panzer, Kometen, Lawinen.
Aus den Bäumen wird Papier.
Papier wird gebraucht; kann ich nichts gegen haben.
2.
Sagen wir jetzt mal Portugal.
Am Strand tummeln sich die Surfer. Sagen wir mal,
sie sind mit dem Ozean und mit sich beschäftigt.
Das Brett an ein Fußgelenk gebunden,
wie man Fahrräder angekettet oder Sklaven
vor langer Zeit. Und wenn sie ihre Neopren-Anzüge
runterschälen bis auf die Hüfte, schreiten sie
mit kalten Füßen und schön figuriert übern Steg des Strandes.
3.
Sagen wir jetzt mal Portugal.
Und im o Paolo in Arrifana mit Blick übers Wasser
voll unsichtbarer Wale und Tintenfischen,
groß wie die Hochhäuser von Pudong,
Entenmuscheln, Miesmuscheln, Venusmuscheln essen.
Und im Cato in Carrapateira versacken für einen Abend
und dem gar nicht mehr so jungen Franzosen
zuhören, der seine Frau verließ und seinen Job hinschmiss
in einem Call-Center, um jetzt glücklich zu sein.
Ausgestiegen aus allem, was ihn zu einem
unglücklichen Bürger gemacht hat; Freiheit,
Gleichheit, Brüderlichkeit gibt es nur hier.
Am Rande des Ozeans in der Umarmung
der freiwilligen Saudade. Wahrscheinlich
auch nicht für immer.
4.
Sagen wir jetzt mal Portugal.
Und sagen wir jetzt mal nicht Globalisierung,
Digitalisierung, Atomisierung. Sagen wir jetzt mal
Fülle. Zistrosen, weiß mit dunkelroten Bluttröpfchen
in den Blüten. Hänge und Felder voller Zistrosen.
Sagen wir Medronho, selbstgebrannt und
ausgeschenkt vom Wirt, nachdem er uns
prüfend in die Augen sah, aus einer Plastik-Flasche
ohne Etikett. Und das war in Sao Luis.
5.
Sagen wir jetzt mal Portugal.
Und schauen wir vom Cabo de Sao Vicente,
das Ende unserer Wanderung, nach
Amerika wie Heinrich der Seefahrer über die Bucht
von Sagres, bevor wir uns auf den Weg machen
nach Lissabon. Im Bairro Alto versacken
bei Wein und beim Fado-Gesang zweier Frauen
und eines Mannes in dunklen, metaphorischen Kleidern
und zwischen der Jugend der Welt;
so romantisch, so kitschig, so endlich.
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