22. Jahrgang | Nummer 8 | 15. April 2019

Medien-Mosaik

von bebe

Mehrere Generationen hatten „ihren“ Alfons Zitterbacke. Da gab es zunächst die Schmökerer, die ab 1958 und 1962 die Bücher „Alfons Zitterbacke“ und „Alfons Zitterbacke hat wieder Ärger“ verschlangen. 1966 betrat Alfons die Leinwand in einem recht kurzen (nach dem 11. Plenum der Partei gekürzten) aber nichtsdestotrotz erfolgreichen DEFA-Film. In vollerer Länge war Alfons dann 1986 in einer TV-Serie zu erleben und als der Erfolg nicht abriss, schob Autor Gerhard Holtz-Baumert 1995 noch den Band „Alfons Zitterbackes neuer Ärger“ nach. Inzwischen war Alfi offenbar der Sohn des damaligen Alfons und der gleiche hoffnungslose Pechvogel wie sein Vater.
An diese Konstellation knüpften die Autoren John Chambers und Anja Flade an, um Alfons erneut auf die Leinwand zu bringen. Sie versetzten die Geschichten von der DDR (an die es eine kurze, klamaukhafte Reminiszenz in einer Rückblende gibt) in die Gegenwart. Alfons träumt davon, Astronaut zu werden, nicht mehr Kosmonaut wie einst. Dabei gehen die Filmemacher in die Vollen, lassen sogar „Astro-Alex“ Alexander Gerst auftreten. Immerhin ist Alfons’ Schule nach dem Kosmonauten Siegmund Jähn benannt. Die Rummel-Szene kommt etwas kurz, dafür ist die im Freibad mit Devid Striesow als Vater Zitterbacke (der auch Alfons heißt) breit ausgebaut. Es gibt zahlreiche Gags, die bei Kindern Gelächter erzeugen, während der bei Holtz-Baumert vorhandene nachdenkliche Kern zu kurz kommt. Regisseur Mark Schlichter ließ seine Schauspieler meist etwas überdreht agieren, was mal differenziert (bei Wolfgang Stumph als ekelhaftem Großvater), mal auch zu dick aufgetragen wirkt (bei Katharina Thalbach als Schuldirektorin).
So ein Film steht und fällt mit der Hauptfigur. Spielte die im Fernsehen Enrico Lübbe (heute Intendant im Leipziger Schauspiel), war es im alten Kinofilm Helmut Rossmann, der Physik studierte und heute in der Lasertechnologie arbeitet. Er kehrte hier für einen Gastauftritt noch einmal auf die Leinwand zurück. Ein Glücksgriff ist die Besetzung mit Tilman Döbler als heutiger Alfons. Der 12jährige hat Präsenz und den Charme des nicht zu erschütternden Pechvogels. Mit diesem Film können Kinder Alfons Zitterbacke neu entdecken und Erwachsene Erinnerungen auffrischen.

Alfons Zitterbacke – Das Chaos ist zurück, Regie Mark Schlichter, X-Verleih, seit 10. April in zahlreichen Kinos.

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Wer als Kind und Jugendlicher Bildergeschichten respektive Comics liebte, kommt in reifen Jahren oftmals darauf zurück. Mancher macht sich auch ein paar tiefere Gedanken dazu. Zu ihnen zählt der Literaturhistoriker Eckart Sackmann, der eine jährliche Buchreihe zur Deutschen Comicforschung herausgibt. Inzwischen liegt der 15. Band vor. Sackmann fasst den Begriff des Comics nicht eng, betrachtet auch Vorformen. So widmet er sich diesmal dem einzigartigen Zittauer Fastentuch aus dem Spätmittelalter. Seine Funktion war, während der Fastenzeit den Blick auf den Altar bis zum Osterfest zu verwehren. Für des Lesens unkundige Gläubige wurde hier in 90 Bildern die Passion Christi eindrucksvoll gestaltet.
Die Beiträge im neuen Band reichen unter anderem von einem frühen Max- und Moritz-Nachahmer über die Fortführung der bösen Buben mit den amerikanischen „Katzenjammer Kids“, über Bildgeschichten und Comics der Nazi-Jahre mit teilweise übler antijüdischer Tendenz, Kunst-Comics im Pop-Art-Zeitalter bis zum ersten deutschen Computer-Comic in den achtziger Jahren. Sackmann hat vieles davon selbst erforscht und ausgearbeitet, ist aber für sachkundige Mitarbeiter immer dankbar.

Eckart Sackmann: Deutsche Comicforschung 2019, comicplus+Verlag, Leipzig 2018, 144 Seiten, 39,00 Euro.