21. Jahrgang | Nummer 22 | 22. Oktober 2018

Antworten

Donald Trump, Vermutungsstarker – Sie halten es nach Interviewaussagen für möglich, dass Kremlchef Wladimir Putin in Attentate wie die Skripal-Vergiftungen verwickelt ist: „Wahrscheinlich ist er es, ja. Wahrscheinlich“, so Ihre Antwort auf eine entsprechende Frage von CBS. Nun darf es als ausgemacht gelten, dass eine solche Verstrickung selbst dann nicht völlig absurd ist, wenn man sie doch nur für bescheuert halten kann – immerhin haben wir es ja mit Geheimdiensten zu tun. Ein präsidiales Urteil auf Wahrscheinlichkeitsbasis, wie Sie es frohgemut der Welt mitteilen, bestätigt allerdings nur sämtliche Befürchtungen Ihrer politischen Zurechnungsfähigkeit. Nahezu kurios übrigens: Im Falle des verschwundenen saudischen Regierungskritikers Khashoggi klagen Sie gegenüber Riad die Unschuldsvermutung ein …

Bernd Riexinger, Co-Chef der Linkspartei – Es ist sicher nicht Ihrer Partei allein anzulasten, dass diese ausgerechnet im tiefkonservativen Bayern nicht den Sprung ins Landesparlament schafft, keine Frage. Dennoch lässt es unsereinen nur kopfschüttelnd lächeln, wenn Sie nach dem 3,2-Prozent-Ergebnis tapfer auf das Plus von 1,4 Prozent gegenüber 2013 und zugleich darauf verweisen, einige der wenigen Parteien zu sein, „wo die Balken nach oben zeigen“. Sie sind offenkundig längst angekommen im Ritual ihrer Konkurrenten, Niederlagen noch als Erfolge zu feiern. Denn leider haben Sie anzumerken vergessen, dass die Linkspartei 2008 in Bayern schon mal 4,4 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Eine Berg-und-Tal-Fahrt dürfte wohl kaum Ausweis einer beständigen Entwicklung sein, oder?

Franziskus, Oberhirte – Sie sind insgesamt so untypisch an der Spitze der katholischen Amtskirche, dass immer wieder aus dem Blick gerät, was dieser ehrenwerte Verein in den fast 2000 Jahren seiner Existenz vor allem geschrieben hat – nämlich Kriminalgeschichte – und dass das christliche Gebot der Barmherzigkeit höheren Amtsträgern dabei in der Regel wenig mehr war denn ein Lippenbekenntnis. Doch dann kommt wieder eine Äußerung von Ihnen, die uns auf den Boden der Tatsachen zurückholt, dass Sie nämlich doch ganz gut zu Ihrem Laden passen. So wie gerade wieder: Abtreibung sei „wie einen Auftragsmörder zu mieten, um ein Problem zu lösen“.
Wow! Da gehen wir ausnahmsweise mal mit einer Springer-Gazette konform; Die Welt: „Franziskus ist Papst, um Sätze wie diese zu sagen.“

Klaus Lederer, Furchtsamer – Mit kühner Geste schmissen Sie kürzlich Hubertus Knabe, den verhinderten Torquemada der DDR-Aufarbeitung, aus seinem Amte als Chef der „Gedenkstätte Hohenschönhausen“. Sie machten das natürlich nicht im Alleingang, der Stiftungsrat hatte einstimmig beschlossen. Es ging um Sexismus-Vorwürfe gegen Knabes Stellvertreter, schließlich auch gegen ihn selbst. Darüber wollen wir nicht richten, das obliegt dem Arbeitsgericht. Aufgemerkt haben wir, als wir erfuhren, wie Sie gedenken den Posten Knabes wieder zu besetzen: nämlich gar nicht. Der Berliner Kultursenator von der Linken überlässt eines seiner wenigen wirklichen Gestaltungsrechte der Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU)! Sie wollen dabei, wie der Tagesspiegel süffisant vermerkte, jeden Verdacht zerstreuen, „ein Linke-Politiker würde die Arbeit der Gedenkstätte beeinflussen“. Sie wollen sich nicht die Finger verbrennen. Dürfen wir Sie, Herr Lederer, daran erinnern, dass die „Beeinflussung“ der Arbeit der Gedenkstätte Ihre Aufgabe ist? Per Gesetz ist der Stiftungsvorstand, mithin der Gedenkstättendirektor, an die Beschlüsse und Weisungen des Stiftungsrates gebunden. Dessen Vorsitzender sind Sie … Wenn Sie nicht das Kreuz haben, Ihre Arbeit zu erledigen, dann treten Sie zurück. Die entscheidenden Weichen in Ihrem Ressort stellt doch sowieso schon die Staatsministerin.
Ansonsten gilt noch immer: „Leute ohne Rückgrat, hab’n wir schon zuviel“ (Bettina Wegner).

Nadja Niesen, hessische Oberstaatsanwältin – Einer Anzeige des Kraftfahrzeug-Bundesamtes (KBA) folgend, hat Ihre Behörde Büros des Autokonzerns Opel durchsucht, um Unterlagen zu sichern, die Abgasmanipulationen auch bei Opel-Dieseln belegen. Es bestehe, teilen Sie mit, der Anfangsverdacht, dass Opel bei drei Diesel-Modellen der Klasse Euro-6, Insignia, Zafira und Cascada, nicht zulässige Abschalteinrichtungen eingebaut habe. Bereits Ende 2015 auffällig geworden, hatte das KBA als eine “freiwillige Servicemaßnahme” Software-Updates für die betroffenen Fahrzeuge angeordnet, was seither dank eines bewusst verschlepptem Tempos noch immer nicht vollständig geschehen ist. Nun steht der amtliche Rückruf von immerhin noch rund 100.000 Fahrzeugen bevor. Schuldbewusstsein bei Opel ist allerdings nicht ante portas. Freiwilligkeit mindestens in der Autoindustrie hat sich wieder einmal als ein gärtnernder Bock erwiesen.
Dürfen wir nun etwa ernsthaft mit Sanktionen Ihrer Behörde rechnen, dank derer man in Rüsselsheim eventuell mal wirklich Fracksausen bekommt.?

Herzogin Meghan, bedeutende Gattin von Prinz Harry – Nach Ihrer Hochzeit im Mai können Sie via Kensington-Palast, in dessen Nottingham Cottage Ihr Ehebett steht, Ihre royale Schwangerschaft vermelden. Nun ist das für unsereinen ähnlich relevant wie etwa eine Kindeserwartung von Frau Mustermann in Irgendwo, was die komplette Meute der Nachrichtenverbreiter, die sogenannte Qualitätsmedien inklusive, aber nicht hindert, uns allesamt über dieses biologische Wunder ausführlich zu unterrichten. Wir stellen uns schon vor, wie Sie sich um einen Krippenplatz bemühen, damit Sie Ihren anstrengenden Repräsentationsverpflichtungen auch weiterhin zufriedenstellend nachkommen können und kondolieren zu diesem schweren Schicksal aufrichtig.

Leilani Farha, UNO-Wohnungsexpertin – Sie geißeln das in Ungarn mit Verfassungsrang in Kraft getretene Gesetz, das im Freien übernachtende Obdachlose kriminalisiert, als „grausam und unvereinbar mit den internationalen Menschenrechten“. Schätzungen zufolge sind in Ungarn mindestens 20.000 Menschen obdachlos. Dem stehen 11.000 staatliche Notunterkünfte gegenüber. Tessza Udvarhelyi von der Obdachlosen-Initiative „Die Stadt gehört allen!“ ergänzt dazu, dass die Obdachlosenpolitik der Orbán-Regierung Teil ihrer allgemeinen Armutsfeindlichkeit sei. „Sie brauchen Sündenböcke, um von der schlechten sozialen Lage im Land abzulenken, und dafür benutzen sie die Ärmsten der Armen, Obdachlose, Roma und Flüchtlinge.“ Dem ist kaum etwas hinzuzufügen, außer vielleicht, dass im Ungarn von heute – anders als in Nazideutschland – „Nichtsesshafte“ zu Tausenden noch nicht in KZs gesteckt werden.

Mohammad Jafar Montazeri, Generalstaatsanwalt Irans – Nur ein knappert Tag ist vergangen, da Sie sich zu der unglaublichen Tatsache geäußert haben, dass am vergangenen Dienstag erstmals nach drei Jahrzehnten 100 – im Stadion klar selektierte – Frauen ein Spiel der iranischen Fußball-Nationalmannschaft live verfolgen durften. „Das“, so haben Sie nun umgehend wissen lassen, „ist ein Fall für die Justiz […] Wenn eine Frau in ein Stadion geht und dort athletische Männer halbbekleidet gegeneinander kämpfen, passiert Sünde.“ Gut zu wissen …

Limburger Banker, anonym bleibender – Über zehn Jahre hinweg haben Sie mehr als acht Millionen Euro Kundengelder veruntreut und in eigene Immobilienprojekte, vor allem ostdeutsche Mehrfamilienhäuser, investiert. „Das war nur möglich, weil ich einen großen Vertrauensvorschuss bei meinen Kollegen und Kunden hatte – und diesen ausgeschöpft habe“, wussten Sie den Vorgang vor Gericht, selbstredend tief reuig, zu erklären. Da gerade per Spielfilm Brechts „Dreigroschenoper“ wieder umgeht, fällt einem freilich dazu zuvorderst ein: Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung (oder den Betrieb) einer Bank.

Einem schreibunwilligen Blättchen-Kritiker ausnahmsweise in Versen in das Stammbuch geschrieben
Ein Fuchs, der auf die Beute ging,
fand einen Weinstock, der voll schwerer Trauben
an einer hohen Mauer hing.
Sie schienen ihm ein köstlich Ding,
allein beschwerlich abzuklauben.
Er schlich umher, den nächsten Zugang auszuspähn.
Umsonst! Kein Sprung war abzusehn.
Sich selbst nicht vor dem Trupp der Vögel zu beschämen,
der auf den Bäumen saß, kehrt er sich um und spricht
und zieht dabei verächtlich das Gesicht:
Was soll ich mir viel Mühe nehmen?
Sie sind ja herb und taugen nicht.
(Karl Wilhelm Ramler, Fabellese [1783/90])