21. Jahrgang | Nummer 12 | 4. Juni 2018

Antworten

Rosemarie Schuder, Ausnahme-Erzählerin – Geschichte kommt von „Geschichten“ und Geschichten über Geschichte erzählen, ohne dass die Geschichte dabei zur Hure gemacht wird, ist ein hohe Kunst. Nur wenige vermochten diesem Anspruch in der neuzeitlichen deutschen Literatur gerecht zu werden. Lion Feuchtwanger zum Beispiel, die Brüder Mann natürlich… Und Sie. Mit Ihrer Art des Erzählens rückten Sie Menschen, die von den Herrschenden nicht nur zu Tode gebracht, sondern auch zum Vergessen verurteilt wurden wie Jan van Leiden, Bernhard Knipperdolling und Miguel Serveto wieder in das Licht der Aufmerksamkeit. Und sie rissen den Legenden-Schleier von Hieronymus Bosch, Johannes Kepler, Michelangelo Buonarotti und Paracelsus. Sie machten Mut zu anderen Sichten in Zeiten, in denen nur eine Wahrheit gelten sollte. Gerade heute, wo eine geradezu pathologische Sucht nach den einfachen Wahrheiten ganze Dämme der Vernunft einzureißen droht, gehörten Ihre Bücher wieder in die Buchhandlungen und Bibliotheken. Das gilt auch für Ihr Opus magnum „Der gelbe Fleck“, das Sie gemeinsam mit Ihrem Mann Rudolf Hirsch verfassten. Sie hatten den Mut, in eben den Zeiten, in denen nur eine Wahrheit gelten sollte, darzustellen, dass der mörderische Antisemitismus des deutschen Faschismus sich aus vielen Quellen speiste und durchaus eine Konstante in der deutschen Geschichte war. Auch wenn es nicht in das heutige offizielle Geschichtsbild passt: Ihr Buch erschien noch in der DDR. Unzensiert.
Wider den Stachel löckten Sie ausgerechnet im Reformationsjubeljahr 2017 auch mit Ihrem letzten Buch über Luthers plebejischen Widerpart Andreas Bodenstein. Wir sind traurig, dass Sie die Feder für immer aus der Hand legen mussten.

Danny Freymark, CDU-Becher-Held aus Berlin – Ihr Lieblingsthema ist der Müll in der Stadt. Und für einen wackeren Oppositionsrecken ist immer und an allem die Regierung schuld. Auch an lockeren Gehwegplatten. Sie arbeiten sich dabei gerne an der LINKEN ab. Wenn nämlich nicht die Regierung schuld ist, dann sind es die Kommunisten. Sind die nun auch noch in der Regierung, dann ist die Sache so klar wie die Quellenlage der Doktorarbeiten von hiesigen CDU-Politikern. „Googeln Sie mal nach Müll und Linke, da finden Sie nichts“ schleuderten Sie kürzlich im Abgeordnetenhaus der Koalition ins vermüllte Gesicht. Als Beleg für die Verwahrlosung der Stadt zitierten Sie die Wartezeiten bei der KfZ-Anmeldung. Schließlich hängt alles mit allem zusammen. Irgendwie. Hatten Sie angesichts der mickrigen Abgeordnetendiäten irgendwo günstig ein Altauto erstehen können?
Wir haben aber die Suchmaschinen heiß laufen lassen: „Müll“ + „Linke“ + „Berlin. Wir fanden: Danny Freymark. Sind Sie übergelaufen? Aber in einem geben wir Ihnen Recht: Zumindest sprachlichen Müll produziert der Senat tatsächlich. Berlin soll jetzt „Zero Waste City“ werden. Welch philologischer Clown hat sich das denn einfallen lassen?

Philip Roth, nicht zu Vergessender – „Ein Riese unter den Großen“ nannte man Sie völlig zu Recht und zählte zahlreiche Werke aus Ihren 30 erschienenen Romanen auf. „Portnoys Beschwerden“ wird ebenso genannt wie „Amerikanisches Idyll“. Die Rücksichtslosigkeit Ihres Blicks auf sich selbst und die amerikanische Gesellschaft werden zitiert, Ihr großer Witz, das literarische Können. Das Alterswerk wird etwas beiseite geschoben, es sei zu sehr von „Alte-Männer-Erotik“ gezeichnet.
Dem ist durchaus zu widersprechen – die zitierte Rücksichtslosigkeit gegen sich selbst zielte auch auf den alten Mann. „Exit Ghost“ beschreibt so zum Beispiel schonungslos das Problem des Alters am Alter Ego des Autors. Windeln bei Inkontinenz nach einer Prostataoperation. Das Schicksal des alten Mannes wird eng mit den Problemen der amerikanischen Gesellschaft verbunden, Jugend mit Erfahrung des Alters konfrontiert, Politik als wiederkehrende böse Erfahrung gezeichnet. Flucht in die Natur als nicht wirklich funktionierende Alternative. Ein grandioses Panorama Amerikas aus der Sicht eines alten Mannes.
Philip Roth, Sie brauchen den Nobelpreis nicht, um unvergessen zu bleiben – inklusive Alterswerk – und immer wieder zum Eintauchen in Ihre Bücher einzuladen.

Rainer Schaller, hauptberufliches Unschuldslamm, nebenher Fitness-Center-Betreiber – Am 24. Juli 2010 starben auf einem von Ihrer Firma organisierten Massen-Event in Duisburg 21 Menschen, rund 500 wurden teils schwer verletzt. Derzeit sind Sie in Duisburg vor Gericht geladen. Natürlich nur als Zeuge. Sie können ja für nichts. Im Gegenteil, bereitwilligst übernehmen Sie „selbstverständlich die moralische Verantwortung“ für all das Leid, das seinerzeit auf der Loveparade (sic!) den Menschen zugefügt wurde. Denn, wie gesagt, Sie können für nichts. Höchstens Ihr „Head of Organisations“ Kersten Sattler, der sich mit weiteren drei Mitarbeitern der Firma Lovapent vor Gericht verantworten muss. Chef von Lopavent sind Sie. Das ist so ähnlich wie mit der Stadt Duisburg: Sechs städtische Mitarbeiter sind der fahrlässigen Tötung in 21 Fällen angeklagt. Ein gewisser Adolf Sauerland war als Zeuge geladen. Auch der wusste von nichts. Er war nur der Oberbürgermeister.
Uns erschüttert das nicht besonders. Die großen Chefs haben in Deutschland noch nie etwas gewusst. Selbst nach verlorenen Kriegen ging es ihnen nur ausnahmsweise an den Kragen. Uns erschüttert eher die Chuzpe, mit der Sie weitere Massenbegegnungen planen: 2020 wollen Sie in Oberhausen das weltgrößte Fitness-Center ohne monatliche Mitgliedsbeiträge eröffnen. Wem sein Leben lieb ist, der sollte zumindest am Eröffnungstag um die Bude einen großen Bogen machen… Wir gehen natürlich davon aus, dass Ihre logistischen Vorbereitungen perfekt sind. Sollte dennoch – was vollkommen undenkbar ist – etwas passieren, nehmen wir Wetten an: Die Security-Mitarbeiter werden schuld sein.

Christian „Flake“ Lorenz, fieser „Rammstein“-Rocker – Das geht nun wirklich nicht, was Sie da jüngst dem immer noch in Schockstarre befindlichen Tagesspiegel-Reporter über ihre Vergangenheit in der blutigsten aller Diktaturen verklickerten: „Wir haben uns freundlich und unauffällig bewegt und so eine Freiheit genossen, die es im Westen schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht gibt.“ Nun gut, das mit dem „unauffällig“ lassen wir mal als Ironie durchgehen. Ihre Band „Feeling B“ war ziemlich laut und hat es sogar fertiggebracht, als Vorgruppe den tapferen Widerstandssängern von „Karat“ das Publikum abspenstig zu machen. Wir vermuten mal im Auftrag der Stasi. Mit der wollen Sie ja ein „relativ entspanntes Verhältnis“ gehabt haben. Behaupten Sie jedenfalls. Auch das noch!
Nachdem sich nun unsere Schockstarre gelegt hat, mussten wir feststellen, dass wir beginnen, ein relativ entspanntes Verhältnis zu „Rammstein“ zu entwickeln. Sie sind aber auch ein Gerissener!

Katrin Lompscher, Pelz-Trockenwäscherin (Die Linke) – Sie sollen ja Senatorin für Stadtentwicklung in Berlin sein, munkelt man. Damit fiele auch die Wohnungspolitik – jedenfalls da, wo nicht andere zuständig sind wie „der Bund“, die Vermieter, die Mieter-Verbände, Jesus Christus, „die Bezirke“, SenFin…, also fast alles – in Ihre Verantwortlichkeit. Da seitens Ihrer Verwaltung auf diesem Gebiete nicht viel passiert, können Sie auch nicht viel falsch machen, aber immerhin lassen sich die Fehler der anderen trefflich kommentieren. Auf Nachfrage eines interessierten Bürgers – Ihre Antwort liegt der Redaktion vor – äußerten Sie immerhin, es gäbe in Berlin sogenannte „Problemimmobilien“ und sogenannte „Schrottimmobilien“. Und der Umgang mit „Problemimmobilien“ stelle „die Bezirksämter“ (siehe obrige Liste der Schuldigen) vor große Herausforderungen. Immerhin haben Sie einen Arbeitskreis ins Leben gerufen, und der erarbeitet Handlungsrichtlinien. Sehr schön. Eine Legislaturperiode ist kurz.
Die „Schrottimmobilien“ seien hingegen jene, die leer stünden. Dazu sagen Sie weiter nichts, aber der Senat handelt. Zu Pfingsten wurden in Berlin wieder leer stehende Wohnungen besetzt. Ihre Reaktion bestand in einer Erklärung, dass die „Motivlage der Besetzerinnen und Besetzer nachvollziehbar“ sei. Die „Motivlage“ wie gesagt, nicht die Besetzungen selbst. Sie hätten sich ja auch gegen den Innensenator stellen müssen und gegen den Regierenden Bürgermeister gleich mit. Ersterer ließ durch die Polizei räumen, Michael Müller unterstützte das. Einige der besetzten Wohnungen gehören übrigens landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, die unterstehen irgendwie Ihnen – wenn sie nicht anderen… Siehe oben. Ach wie schön ist es doch, wenn einem der Pelz beim Waschen nicht nass wird!
Uns fällt dazu nur ein: Es gibt auch Problemsenatorinnen…