20. Jahrgang | Nummer 23 | 6. November 2017

Antworten

Wolfgang Schäuble, frisch gewählter Bundestagspräsident – Gerade noch Bundesfinanzminister und als solcher auf die „schwarze Null“ erpicht, wiesen Sie in Ihrem neuen Amt Kritik an den deutlich höheren Kosten für das von 630 auf 709 Abgeordnete aufgeblähte Parlament zurück. Es sei zwar wichtig, aber nicht entscheidend, „dass das ein paar hundert Millionen Euro mehr kostet“, sagten Sie den ARD-Zuschauern. Die Demokratie sei’s wert. Zwar ist seit Langem bekannt, dass Ihr Verhältnis zum Geld ein – sagen wir – durchaus zwiespältiges ist. Der Verbleib jener 100.000-D-Mark-Spende für die CDU, die Sie 1994 vom steuerhinterziehenden Waffenhändler Karlheinz Schreiber entgegennahmen, ist ja weiterhin fraglich. Gewiss handelte es sich bei dieser Summe um „Peanuts“ im Vergleich mit „ein paar hundert Millionen Euro“. Wichtig ist dennoch, dass gerade diese Ihre Haltung den sogenannten Rechtspopulisten immer wieder Munition gegen die von Ihnen verteidigte Form der Demokratie liefert.

Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung – Sie halten sich bekanntlich für eine „ehrliche Haut“. Man weiß das, seit Sie sich im Wahlkampf 1994 unter diesem Motto nackt plakatieren ließen. Jüngst waren Sie so ehrlich, in der Berliner Zeitung die Vorherrschaft westdeutscher Eliten im Osten Deutschlands zu beklagen, die „immer noch als kultureller Kolonialismus erlebt“ werde. So seien nur rund 13 Prozent der Richter im Osten „Eingeborene“. Hat man Ihnen nicht gesagt, dass 27 Jahre nach Herstellung der sogenannten Einheit nicht mehr zwischen ost- und westdeutsch unterschieden werden dürfe? Eine neue Regierung, der Ihre SPD nicht mehr angehört, könnte auf die Idee kommen, dass Sie schon reichlich lange auf Ihrem zentralen Bildungsposten sitzen. Dabei ist nicht bekannt, dass Publikationen Ihrer Bundeszentrale dazu beitragen würden, Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein der „Ossis“ zu stärken.

Sigmar Gabriel, demnächst „einfacher“ SPD-Bundestagsabgeordneter – In Erwartung einer sicheren Wahlniederlage waren Sie so selbstlos, auf eine Kanzlerkandidatur zu verzichten und – verzeihen Sie die Offenheit – Ihren Freund Martin Schulz vors Loch zu schieben. Der musste sich im Wahlkampf über manchen Ihrer Querschüsse ärgern. Nach dem Desaster schießen Sie munter weiter. Ihre Partei habe ihre Wahlkampfstrategie fälschlich auf das Thema soziale Gerechtigkeit ausgerichtet, meinten Sie, vielmehr hätte man sich stärker den Themen Sicherheit und Zuwanderung widmen müssen. Ihre Noch-Koalitionspartner von der CSU haben das getan – und sind mit dem Ergebnis auch nicht gerade glücklich.

Anja Reich, Enthüllerin – Sie seien spät dran, „me too“ zu rufen, leiten Sie Ihren Beitrag zur dampfenden Sexismus-Debatte ein, der im Magazin der Berliner Zeitung zu lesen war. Nun wissen wir: Vor 16 Jahren – bei einem Interview im Jahre 2001 – hat Sie der Ihnen zuvor persönlich unbekannte Mime Maximilian Schell ziemlich unvermittelt und unerwünscht auf den Mund geküsst. Schell war also mit über 70 Jahren auch ein not- oder altersgeiler Bock. Eklig. Als noch schlimmer womöglich empfanden Sie seinerzeit die Reaktion des Magazin-Chefs, der dieses Ihr Erlebnis aus Ihrem Text entfernte und zu einem eigenen Intro auf Herrenwitzniveau umkomponierte – Fazit: „Am Ende diktierte Maximilian Schell ihr die Nummer seines New-Yorker Apartments und lud sie zum Lunch ein. Charmant.“
Sie nennen den Namen des Redakteurs nicht, aber Interessierte finden ihn schnell im Archiv der Berliner Zeitung und auch, welche Kontroversen es Jahre später um den Kollegen wegen ganz anderer Unappetitlichkeiten in der Redaktion gab.
Man mag sich fragen, ob man all dies heute unbedingt noch wissen will. Denn, wie Sie in Ihrem Beitrag vermerken: Maximilian Schell ist tot, und der betreffende Redakteur arbeitet nicht mehr bei der Zeitung. Nicht zuletzt: Angesichts der Schwere der in Rede stehenden sexistischen Delikte würden vielleicht selbst hart gesottene Juristinnen eine Verjährungsfrist von sagen wir 15 Jahren für angemessen halten.
Doch Ihnen widerfuhr an der Spree, wie sie offenbaren, noch weit Ekligeres, und das gehört auf jeden Fall auf den Tisch des Hauses: „Der Ostberliner Pfarrer und SPD-Politiker Markus Meckel machte mir mal in Unterwäsche die Tür zu seiner Wohnung auf.“ Damit nicht genug: „Ostdeutsche Pfarrer sind ein Thema für sich. Davon können auch andere Kolleginnen ein Lied singen.“ Nun hoffen wir, dass die bald anfangen zu singen …