20. Jahrgang | Nummer 11 | 22. Mai 2017

Holzmengen lockt und rockt: Siebenbürgen live

von Jens Langer

Anfang August 2016 besuchte der „Junge Bläserkreis Mecklenburg-Vorpommern“ das rumänische Siebenbürgen. Die rumäniendeutsche Presse nannte das einen Besuch von der Ostseeküste. Martin Huß, der Landesposaunenwart MV, begeisterte in Holzmengen mit seinen 20 Jugendlichen. Diese quicklebendige Musikantenschar von Mädchen und Jungen brachte den Rhythmus der Hoffnung von Bach bis zu zeitgenössischen Kompositionen und vertrauten Chorälen zum Mitsingen nebst südamerikanischen Klängen zu Gehör, und die 50, die den Konzert-Gottesdienst als Gemeinde feierten, ließen sich darauf gern ein.Dazu trug nicht zuletzt der launige Ernst bei, mit dem Martin Huß das Konzert moderierte. Auf der Kirchenburg wird selten Gottesdienst gefeiert; denn im 800-Seelendorf – davon 100 bis 200 Personen für kürzere oder längere Zeit zum Arbeiten im Ausland – leben ganz wenige Siebenbürger Sachsen – und die meisten davon zu Besuch. Das war jetzt im Hochsommer der Fall, da die „Sommersachsen“ wieder für ein paar Wochen aus ihren Auswanderungsgebieten in die alte Heimat gekommen waren. Alles lag in Gottes Hand und an dem Elan vor Ort. Das führte dazu, dass sich einige lokale Vereine einschließlich der Heimatortsgemeinschaft der Ausgewanderten (noch) besser vernetzten. Das betraf auch das Europäische Jugendbegegnungszentrum, den Verein für die berühmte Kirchenburg vor Ort, und „Hosman Durabil“ (Nachhaltiges Holzmengen). Ein herrliches Konzert und ein schöner Erfolg für alle Ehrenamtlichen!
Gerade drei Wochen vor diesem schönen Ereignis fand auf dem ehemaligen Organisten-Hof ein Klezmerkonzert des international renommierten Duos Jake Shulman-Ment/Benjy Fox-Rosen aus New York statt. Im Juli waren auch Käufer und Verkäufer, Produzenten von Körben und Spindeln (fürs Spinnen der Schafwolle), Töpfer und Bäcker, Ziegelbrenner und Imker zum alljährlichen Handwerksmarkt eingeladen. Und sie kamen alle und nutzten diesen Markt der Möglichkeiten für Begegnung und Geschäft. Außerdem gibt es ab Mai bis September jeweils am letzten Sonnabend im Monat in zumeist abgelegenen Dörfern den Transilvanian Brunch, der die Isolation überwinden helfen soll. „Je einsamer ein Dorf gelegen ist, desto schneller kommt der Transilvanian Brunch dahin, um Gemeinsamkeit und Austausch zu praktizieren“, erklärt Joachim Cotaru, der mit Freunden aus der Agrartourismusbranche initiativ wurde. Bei lokaler Küche und Obstsäften aus den örtlichen Bauerngärten, bei Volksmusik und Tanzeinlagen jugendlicher Ensembles kommt es zu lockeren Gesprächen oder festen Absprachen für weitere Zusammenarbeit.
Wie Musik Menschen aus Stadt und Land zusammenbringt, erwies sich auch am 2. Augustwochenende bei der dritten Auflage vom „Holzstock-Festival“. Bei einladender Performance bekannter und aufstrebender Bands platzte die „Jugendburg Holzmengen“ zum dritten Mal aus allen Nähten. Die Jugend des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien organisiert diese Veranstaltung mit örtlichen Partnern. Sie will künftig auch den ehemaligen Organistenhof und vielleicht sogar die „Alte Mühle“, die ab Herbst 2016 gerade baulich als Raum für Kulturtreffen und Gästeübernachtungen erweitert wurde, für Veranstaltungen des Festivals nutzen.
Direkt oder indirekt geht es immer darum, das Leben im Dorf attraktiv(er) zu machen. Verlassene Dörfer gibt es schon genug. So weckten mehrere Werkstatt-Wochenenden bei der Teilnehmerschaft aus den Dörfern der Region Harbachtal Erinnerungen an traditionelle Tätigkeiten, die noch vor einer Generation allgemein ausgeübt, mit zunehmender Industrialisierung aber vergessen wurden. Zwei Expertinnen aus Frankreich kamen nach Holzmengen zum Workshop für die Kunst des Filzens, zwei österreichische Spezialistinnen suchten in der Umgebung an zwei langen Wochenenden nach unbekannt gewordenen Kräutern für die Hausküche und einfachen Möglichkeiten der Konservierung von Nahrungsmitteln wie etwa das Dörren von Obst und Gemüse. Bei alledem ging und geht es nicht um siebenbürgische Folklore, sondern um ländliche Praxis, das heißt Alltagsleben einschließlich der Formen von Kleinhandwerk als Nebenbroterwerb.
Schließlich finden diese Werkstatt-Tage im Rahmen des schweizerisch-rumänischen Projektes „Solidarität für wirtschaftliche Entwicklung im Harbachtal“ statt, zu dem auch der bereits genannte Ausbau der „Alten Mühle“ als Veranstaltungs- und Arbeitsplatz gehört. Durch dieses Projekt werden einige der Vorhaben von „Hosman Durabil“ finanziert. Kooperation also auch hier über Ländergrenzen hinweg. „Global denken, lokal handeln“ wird hier praktisch mit Händen greifbar, sei es als Filzmaterial oder Dörrobst, sei es als geschmiedete Werkstücke wie auf einem früheren Workshop. Kooperation, Kommunikation und Vernetzung der verschiedenen Ansätze stellen Materialien für eine erfolgreiche Entwicklung dar. Das ist nun alles schon wieder Geschichte für das Team der „Alten Mühle“, denn es geht auf ein Neues: Am 26. Mai wird die Scheune als Zentrum für alle im Harbachtal eröffnet, die sich etwas für die Gegenwart der Region einfallen lassen: „Din Hartibaciu, cu drag“ – „Aus dem Harbachtal, mit Liebe “ ist das neue Markenzeichen für Handwerker, Imker,Töpfer, Bauern sowie alle anderen Produzenten und Anbieter. Da liegen jetzt reichlich Stress und auch Enttäuschungen mit Baufirmen und Einzelnen hinter dem Team, die auch durch aktuelle freundliche Anerkennung nicht einfach weggewischt werden können. Aber das Ziel ist mit Herzblut und Sachverstand erreicht, die Kulturscheune steht, und das Tor ist offen! Glückauf und jederzeit Segen für alle die kommen, kurz oder lang oder bleiben!
Unser Mann im siebenbürgischen Harbachtal schließt seine Korrespondenz zu einem aussichtsreichen Kaleidoskop ländlicher Perspektiven mit einer Anknüpfung an das Konzert der jungen Bläser aus MV: Glücklich, wer die Posaunen, Hörner und Tuben als Einladung hört, auch dieses gesegnete Land jenseits der Karpaten zu besuchen. Gott schreibt dessen Geschichte gerade neu und integriert dabei auch kreatives Potential von siebenbürgischer Tradition.