19. Jahrgang | Nummer 20 | 26. September 2016

Bluthochdruck am Straßenrand

von Manfred Orlick

Im Grunde genommen bin ich ein ziemlich ruhiger und ausgeglichener Mensch. Doch manchmal könnte ich zur sprichwörtlichen „rasenden Wildsau“ werden. Erst neulich war so ein Fall. Ich hatte mein Auto in der Innenstadt für einige Momente im Parkverbot abgestellt. Als ich nach ein paar Minuten zurückkam, grinste mich das berühmte Knöllchen hinter dem Scheibenwischer an, während die Politesse gerade hinter der nächsten Straßenecke verschwand.
Mit einem Schlag war es vorbei mit meiner inneren Ruhe. Mein Blutdruck stieg in pathologische Höhen. Wutentbrannt starrte ich auf den Strafzettel: Paragraf sowieso, Bußgeld 15 Euro, Unterschrift nicht zu entziffern. Ich kam mir vor wie ein ertappter Gangster. Ich – ein bisher völlig unbescholtener Bürger – und jetzt ein Strafmandat?! Dabei hatte ich mein Auto nur für ein paar Augenblicke abgestellt, vielleicht fünf Minuten … höchstens zehn – nein, fünfzehn Minuten waren es auf keinen Fall. Frechheit … Willkür … Abzocke … Wegelagerei!
Nein, diese Anschuldigung konnte ich nicht auf mir sitzen lassen und dazu mit unleserlicher Unterschrift. In Gedanken formulierte ich bereits auf der Straße mein Beschwerdeschreiben an das Ordnungsamt … an den Oberbürgermeister … warum nicht an das Büro des Bundespräsidenten? Von der Einberufung des UNO-Sicherheitsrates wollte ich vorerst noch absehen.
Aber dann holte mich etwas wieder zurück auf den Boden der Realität. Nein, es war nicht das HB-Männchen von früher mit seinem coolen Werbespruch „Halt, mein Freund! Wer wird denn gleich in die Luft gehen?“ Obwohl Knöllchen weltweit sicher im Millisekundentakt verteilt werden, erinnerte ich mich ausgerechnet an einen ähnlichen Vorfall vor knapp fünfzig Jahren in London. Damals, 1967, hatte Paul McCartney seinen Wagen in der später berühmten Abbey Road abgestellt. Die Parkuhr war abgelaufen und so verpasste ihm die resolute Parkwächterin Meta Davies einen Strafzettel.
Der Ex-Beatle reagierte wie alle Autofahrer rund um den Erdball zunächst mit Wut und Empörung. Da kam ihm die Idee von einem Song, der eine Hasstirade auf diese Meta Davies werden sollte. In den 60er Jahren herrschte aber dieses „Love and Peace“-Gefühl und so wurde aus der geplanten Rache-Arie der wunderschöne Love-Song „Lovely Rita“, der später in das weltberühmte Beatles-Album „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ aufgenommen wurde. Warum Paul McCartney aus Meta in seinem Song Rita gemacht hat, ist nicht überliefert.
Doch zurück zu meinem Knöllchen mit der unleserlichen Unterschrift. Liebe Politesse, tut mir aufrichtig leid, aber so reicht es eben nicht zu einem Welt-Hit sondern nur zu dieser Glosse.