19. Jahrgang | Nummer 11 | 23. Mai 2016

Antworten

Binali Yildirim, designierter türkischer Regierungschef – Laut Nachrichtenagentur Reuters haben Sie vor Ihrer Wahl versichert, Ihr Amt in „absoluter Harmonie“ mit Ihrer Partei AKP und deren Gebieter, Präsident Recep Tayyip Erdogan, ausüben zu wollen. Etliche Ihrer Landsleute fürchten allerdings gerade das. Denn was Sie „absolute Harmonie“ nennen, bezeichnen Kritiker als bedingungslose Unterordnung, die das wichtigste Kriterium für Ihre Bestallung gewesen sei. Schließlich wirft selbst Bundestagspräsident Norbert Lammert Ihrem Dienstherrn Erdogan „autokratische Ambitionen“ vor. Das scheint uns indes eine sehr diplomatische Formulierung zu sein.

Winfried Kretschmann, Vorsteher der ersten grün-schwarzen Landesregierung in der Bundesrepublik – Nachdem Sie vom baden-württembergischen Wahlvolk in durchaus beeindruckender Weise im Amt bestätigt worden waren, verweigerten Ihnen im Stuttgarter Parlament sechs Abgeordnete Ihrer Koalition ihre Stimmen. Wie es heißt, gehören die Verweigerer Ihrer eigenen grünen Fraktion an. Das leuchtet ein: Die Schwarzen schlucken um des Mitregierens willen auch grüne Kröten, unter den Grünen aber gibt es immer noch einige (wenige), die noch nicht so schwarz sind wie Sie, obwohl sie sich bisweilen schwarz ärgern könnten ob Ihrer Anpassungspolitik.

Volker Beck, auch Grüner und mutmaßlicher Kokser – Sie waren erst im März mit Drogen aufgegriffen worden. Doch von Mandatsverzicht – keine Rede. OK, wer plagt sich heute noch mit etwas so Anachronistischem wie Ehrgefühl?! Sie gingen aber noch einen offensiven Schritt weiter und erklärten einerseits das Delikt zur Privatsache und reklamierten andererseits für sich das Recht, weiter Politik zu machen. Unter anderem mit der Begründung, dass sich „niemand Sorgen um mich machen [muss]. Ich bin bei Sinnen und habe einen klaren Kopf.“ Und mit einer General-Exkulpierung: „Vielleicht sind wir (die gewählten Mandatsträger – die Redaktion) gerade mit all unseren Fehlern repräsentativ für das Volk, das wir vertreten sollen.“ Mit dieser Denke und Logik dürfte von Ihnen noch so einiges zu erwarten sein. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Gesetzesinitiative, dass Autofahrer, die alkoholisiert am Steuer erwischt werden, nicht nur grundsätzlich straffrei bleiben, sondern auch noch weiterfahren dürfen – so lange noch kein Dritter zu Schaden gekommen ist?

Jan Zeeman, Gründer und Eigner einer Billigtextilkette mit mehr als 1200 Filialen in Europa – „Holländischen Kaufmannsgeist“ schreibt sich Ihr Unternehmen zu, „mit Blick für den Menschen, die Gesellschaft und die Umwelt“. Gerade ist uns ein Werbeprospekt mit Zeeman-Angeboten der Woche ins Haus geflattert. Offeriert werden vor der Fußball-Europameisterschaft unter anderem Kinder-, Damen- und Herren-EM-T-Shirts, Kinder-, Damen- und Herren-EM-Socken, Kinder- und Herren-EM-Boxershorts, EM-Sonnenbrillen, EM-Hüte und EM-Caps, EM-Haargummis, EM-Armbänder, EM-Schärpen, EM-Ohrringe … Alles in Schwarz-Rot-Gold oder zumindest so verziert. Der „Kaufmannsgeist“ erklärt vieles, aber was sagen Ihre niederländischen Landsleute dazu? Und ganz und gar zu bezweifeln ist, dass Ihre Manager dabei die Umwelt im Blick hatten.