18. Jahrgang | Nummer 6 | 16. März 2015

„Is It The Sea?“ …

von Joachim Donath

… wird auf dem Cover der gleichnamigen Live-LP von Bonnie „Prince” Billy (2008) gefragt – zu sehen aber ist eine Farm bei Edinburgh/USA: Mit viel Tristesse. Will Oldham, geboren am 15. Januar 1970 in Louisville, Kentucky/USA, liebt diese Sorte von optischen Metaphern in der Art von Vexierbildern. Ein anderes Beispiel ist das Cover des Live-Doppelalbums „Summer in the Southeast“ (2005): schneebedeckte Gipfel einer bizarren Berglandschaft – dahinter aber verbergen sich Livemitschnitte von Konzerten in Florida, Georgia, Mississippi und North Carolina.
Manchen ist er ein Troubadour für ein neues Jahrtausend. Ständig auf der Suche nach den Wurzeln seiner südlichen Heimat. Die Region von Kentucky, der Appalachen östlich des Mississippi River, das ist seine künstlerische Heimat und der Inhalt seiner Musik: angespannt-knorrig, Sex und Trinkgelage und – Dunkelheit.
Meine erste Vinylscheibe von Will Oldham war ein mehr zufälliger Kauf aus Neugier. „Hope” – eine EP von Palace Songs, wie Will Oldham sich anfangs der Neunziger noch nannte. Eine sehr krächzende und von den wechselnden Tempi trunken klingende Stimme – anders, glaubhafter als die von Tom Waits – zur Gitarre war der Auslöser für meine bis heute andauernde Liebe zu diesem Barden.
Und er spielte sein Ding jaulend und bedrohlich, allein oder mit und für die anderen Großen des Branche: Steve Albini, Björk, David Byrne, Bill Callahan, Johnny Cash, Joanna Newsom.
Dann geriet er, der ewige Nomade, etliche Jahre bei mir in Vergessenheit. Umso größer war mein Erstaunen bei der Wiederentdeckung. Jetzt nannte er sich Bonnie „Prince” Billy, eine Mischung aus William Bonney, besser bekannt als Billy The Kid und Bonnie Prince Charlie, dem berühmten schottischen Adligen, der den zweiten Jakobitenaufstand anführte, den „Forty-Five”, nach der Jahreszahl seines Stattfindens (1745) so benannt.
Der vielleicht wesentlichste Zug in seiner Musik: Sie erinnert an dieses Schottland Bonnie Prince Charlies, an die Rauheit und gleichzeitige Sanftheit, aber auch an die Melancholie der Landschaft, des Wassers und der Erde. Diese Musik erzeugt Bilder mit einer bisweilen fast mystischen, angenehmen Melancholie  … Und dazu sehr lyrische, stark fragmentierte Texte. Man riecht förmlich den Nebel, das Hochland und die Feuchtigkeit, die aus Pubs strömt … einfache Melodien und schöne Worte und Angst … seine Hoheit hat gerufen.
Aber Will Oldham kommt aus dem Süden der USA – einer Gegend der Hinterwäldler. Heute würde man moderner sagen, der Hipster. Aber es bleiben doch die Bärtigen und die Landeier, die Hillbillies, was man so auch heraushören soll. Parallelen zum Folk der Iren und Schotten.
Eines meiner Lieblingsalben ist das 2006er „Letting go” mit der amerikanischen Folksängerin Dawn McCarthy aus der Gegend um San Francisco als stimmliche Begleiterin, die Oldhams ungewöhnliche Stimme glättet. Vor allem „Strange Form of Life” und „The Seedling” von diesem Album erzeugen – Gänsehaut.
Das gilt auch für das an Düsternis und gleichzeitiger Hoffnung kaum zu übertreffende „I see a darkness”, das mit den Zeilen endet:

O no I see a darkness
And did you know how much I love you
Is a hope that somehow you
Can save me from this darkness.

Es wurde in verschiedenen Versionen von Will Oldham aufgenommen: auf dem gleichnamigen Album von 1999, auf „Summer in the Southeast“ und sehr viel rhythmischer und optimistischer auf der EP „Now here’s my Plan” von 2012. Auch die kraftvolle Interpretation Johnny Cashs auf „American Recording III – Solitary Man” sei unbedingt erwähnt!