von Angelika Leitzke
Die Welt ist am Sonntag nur knapp vier Zentimeter dick und besteht in erster Linie aus einer großen Anzeige für Waschmaschinen, der sich in loser Folge weitere von nahezu identischer Dimension anreihen, etwa für Schuhmode, Sekt, den neuesten Kleinwagen oder für die eigene Sache, denn die Welt am Sonntag ist in dieser Hinsicht ja das Größte und Tollste, was es gibt auf unserem Globus. Was sonst in der Welt noch steht oder liegt, ist eigentlich nur Füllsel, damit das Weltgebäude nicht komplett auseinander fällt. Zu diesem Kitt zählen neben dem jüngsten Politkrimi auch der Wetterbericht, einige Sätze zu Astrologie, das Surfen bei Miami Beach im Winter, Wohnimmobilien zum Kauf und zur Miete in exklusiver Lage sowie der Aktienindex – also Themen, die ständig die Welt bewegen und erschüttern.
Nun besteht die Welt nicht seit fünf Milliarden Jahren, sondern hat erst ein gutes halbes Jahrhundert auf dem Buckel, so dass nicht nur eine Zunahme ihrer Bausteine, sondern auch ihres kittenden Mörtels zu erwarten ist. Immerhin hat sich seit mehr als fünfzig Jahren der Stil der Welt auf nahezu alle Ebenen ausgeweitet, auf denen man mit Stil gar nicht rechnen würde, etwa den Sport, die Staatsverschuldung oder die Traueranzeigen: In der Welt am Sonntag zu sterben ist wahrhaftig stilecht, vorausgesetzt, die Angehörigen und Beileidsbeflissenen verfügen über ein gewisses Bankkonto, um ihrem Gram stilvoll Ausdruck verleihen zu können.
Der Leser soll, so darf man vermuten, die Welt am Sonntag also im großen Stil üben, damit er die nächste Woche frohen Herzens im kleinen Stil beginnen kann. Dazu befähigen ihn auch die kleinen Welt-Nachrichten unterhalb der Gürtellinie, die genau darüber informieren, wie viel Brustumfang Claudia S. hat, ob Micky den Selbstmord seiner Freundin juristisch verrechnen kann oder das Haus von Hannover eine funktionierende Klospülung besitzt, mit Hilfe derer die Durchlauchten ihre Peinlichkeiten möglichst geräuschlos und unauffällig hinunter spülen können.
Das alles ist natürlich sehr interessant und hält die Welt in Atem; immerhin verfügen 400.000 Menschen in Deutschland am Sonntag über so viel Zeit, dass sie neben Familienbrunch, Kirchgang und Rasenmähen die ganze Welt bewältigen können – eine beachtliche Leistung, zu der nicht einmal ein Leonardo da Vinci vor fünfhundert oder ein Einstein vor hundert Jahren in der Lage gewesen wären.
Doch die Weltler kriegen auch diesen Planeten noch klein auf Zeitungsformat. Zwar bedeutet die Lektüre der Welt am Sonntag einerseits einen beträchtlichen Zeitaufwand, der aber andererseits keine größere geistige Anstrengung erfordert, da die Welt an diesem Tag in erster Linie von worteinsparenden Bildern lebt, mit denen sie gleich seitenweise die Leserschaft um ihren letzten Verstand bringt.
In fünfzig Jahren dürfte dieser dann auch endgültig ausgerottet sein, denn nachdem diese Bilder durch die verpixelte Verschönerung eines stets besser werdenden Photoshops gewälzt wurden, ist die Welt natürlich nicht nur viel farbiger geworden, sondern auch schöner und wunderbarer und bedarf keines erläuternden Kommentars mehr. Über eventuelle Ungereimtheiten und einen fehlenden Konsens mit einer außer-weltlichen Wirklichkeit geleitet sanft Zipperleins Wort zum Sonntag hinweg, getreu der biblischen Devise, dass im Anfang das Wort war, das in dieser Welt allerdings jemand anders führt.
Denn Einer muss ja das Sagen haben auf diesen 84 Seiten, die da sage und schreibe drei Euro 50 Cent kosten – das sind etwa fünf Vollkornbrötchen, die aber nicht die aus dem Bioladen stammen, oder Ersatz für den Schuhputzer. Mehr ist einfach nicht drin.
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