von Robert Grosse, Montevideo/ Gerhard Dilger, São Paulo
Die Colorados kehren zurück, Sozialaktivisten sind entsetzt. Die gespaltene Linke bleibt chancenlos – doch im Parlament wird sie stärker.
„Zurück auf Los“, so kommentiert Juan Báez von der Sozialpastoral aus Coronel Oviedo im Osten Paraguays das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen am 21. April. Die sozialen Organisationen, die in den letzten Jahren viel Hoffnung auf eine Demokratisierung des Landes und die Lösung der dringendsten sozialen Probleme durch den linken Bischof Fernando Lugo gesetzt hatten, müssen erneut tief durchatmen.
„Nun ist der parlamentarische Staatsstreich vom Juni letzten Jahres perfekt“, meint Alberto Alderete vom Runden Tisch Nachhaltige Enwicklung, einem Netzwerk von Kleinbauern- und Indígenaorganisationen. Aus seiner Sicht ist dem Wahlergebnis – außer der Tatsache, dass es sich um einen friedlichen Wahltag mit einer überraschend hohen Wahlbeteiligung von 69 Prozent handelte – nichts Positives abzugewinnen.
Die Colorado-Partei, die das Land bis 2008 gut 61 Jahre lang regiert hatte, inklusive der Schreckensjahre des deutschstämmigen Diktators Alfredo Stroessner von 1954 bis 1989, erzielte mit ihrem Kandidaten Horacio Cartes einen deutlichen Wahlsieg: 45,8 Prozent. Die Liberale Partei mit Lugos Ex-Minister Efraín Alegre als Kandidaten erhielt nur 36,9 Prozent, weit weniger als erwartet.
Die auf mehreren getrennten Listen antretenden linken Kräfte erreichten zusammengenommen nicht einmal zehn Prozent der Stimmen – der Journalist Mario Ferreiro von Avanza País kam auf 5,9 Prozent, Lugos Kandidat Aníbal Carrillo vom dezimierten Linksbündnis Frente Gausu auf 3,3 Prozent.
Rund 3,5 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, einen Nachfolger für den vor zehn Monaten wegen „schlechter Amtsführung“ abgesetzten Staatschef Fernando Lugo zu bestimmen. Colorados und Liberale hatten im Parlament gemeinsam den parlamentarischen Putsch durchgesetzt. Zuvor war die Koalition Lugos mit der Liberalen Partei auseinander gebrochen. Auslöser war das Massaker auf einem Landgut nahe der Provinzstadt Curuguaty, bei dem elf Kleinbauern und sechs Polizisten unter offiziell immer noch ungeklärten Umständen erschossen wurden – alles deutet auf eine Inszenierung durch die Narco-Rechte hin, die von dem nun „vollendeten“ Staatsstreich profitiert.
Die Staaten in der Region verurteilten das Amtsenthebungsverfahren scharf. Paraguay wurde von den südamerikanischen Staatenbündnissen Mercosur und Unasur suspendiert. Der liberale Vize Federico Franco wurde Interimspräsident und verschaffte in den wenigen Monaten seiner Regierungszeit dem Agrobusiness und dem kanadischen Bergbaukonzern Rio Tinto Alcan freie Bahn – die Planungen zum Bau einer riesigen Aluminiumschmelze sind in diesen Monaten rasant fortgeschritten. Zudem genehmigte die Regierung Franco nicht weniger als acht Sorten von transgenem Saatgut für Soja, Mais und Baumwolle.
Eindeutiger Wahlsieger war der Unternehmer und Multimillionär Horacio Cartes von der Colorado-Partei. Cartes selbst wählte zum ersten Mal in seinem Leben. Als Besitzer einer großen Unternehmensgruppe mit über zwanzig Firmen, einer Bank und als Präsident eines Fußballvereins ist er einer der einflussreichsten Menschen in Paraguay überhaupt. Über seine Verwicklungen in Drogenhandel und in Geldwäsche halten sich hartnäckige Gerüchte, die US-Regierung betrachtet ihn mit erheblichen Vorbehalten. Erst vor drei Jahren war er in die Politik eingestiegen und den Colorados beigetreten mit dem klaren Ziel, Präsident werden zu wollen. In kürzester Zeit gelang es ihm, sich zum Kandidaten küren zu lassen und die Partei hinter sich zu vereinen. Nicht wenige sagen, er hätte sie dank „gezielter Investitionen“ aus ihrem Schock von der Wahlniederlage 2008 befreit und zu neuem Leben verholfen. Nach vier Jahren Abstinenz von der Regierung kehren die Colorados somit an die Macht zurück. Die Liberalen wurden von den Wählern abgestraft und unterlagen sogar in ihren traditionellen Hochburgen. Deutliche Verlierer sind aber neben den Liberalen vor allem die rechten Parteien UNACE und Patria Querida (0,8 bzw.1,1 Prozent).
„Die Colorados sind wiedergekommen, um zu bleiben“, befürchtet Marielle Palau von der kritischen Nicht-Regierungsorganistion BASE-IS, die die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Prozesse in Paraguay wissenschaftlich und mit Bildungsarbeit begleitet. Das Agroexportmodell Paraguays, das auf Soja basiert, hat ihr zufolge „sein optimales politisches System errichtet: Im Parlament sitzen nun mit einer satten Mehrheit die VertreterInnen des Agrobusiness. Staatliche Regulierungen der genmanipulierten Saatsorten, eine Besteuerung der Agrarexporte, das Ende der Vertreibung von Landlosen, Kleinbauern und Indigenen oder gar die Agrarreform, dies alles wird in diesem Parlament kein Thema sein“.
Neben dem Präsidenten wurden auch 45 Senatoren, 80 Abgeordnete, 17 Gouverneure und 18 Abgeordnete Paraguays für das Parlament des Staatenbundes Mercosur neu gewählt – und hier konnte die Linke immerhin einen Achtungserfolg erzielen: Fünf Senatoren für die Frente Guasu, zwei für Avanza País und drei für die sozialdemokratischen PDP. Im Abgeordnetenhaus ist die Frente Guasu erstmals mit einem Abgeordneten vertreten, Avanza País mit zwei. Ob dies der Anfang vom Ende des Zweiparteiensystems in Paraguay sein wird, bleibt jedoch abzuwarten.
Entsprechend aufgeräumt war die Stimmung am Wahlabend bei der Frente Guasu, manche wollten sogar einen „historischen“ Wahlsieg sehen. Der Abgeordnete im Mercosur-Parlament und Energieexperte Ricardo Canese hob die besseren Ausgangsbedingungen für die zukünftige Arbeit seiner Partei hervor: „Wir haben deutlich mehr parlamentarische Präsenz und viele Erfahrungen gesammelt, die wir in eine kritische Oppositionsarbeit einbringen werden. Bei den nächsten Wahlen werden wir eine ernsthafte Regierungsalternative darstellen.“
Deutlich weniger euphorisch werden die Ergebnisse von den Basisaktivisten aus dem Umfeld der sozialen Bewegungen beurteilt. Juan Báez sieht noch schwierigere Zeiten für die Kleinbauern und Indigenen kommen: „Das Modell wird sich noch schneller durchsetzen. Es wird noch schwieriger werden, Gehör für unsere Anliegen zu bekommen und unsere erfolgreichen agroökologischen Erfahrungen zu verbreitern“, sagte der langjährige Mitarbeiter der katholischen Sozialpastorale. Nun komme es erst recht auf die „Zivilgesellschaft an“, meint Báez: „Die Konzentration auf die Parteien und die Regierung hat die sozialen Bewegungen viel Kraft gekostet. Wir müssen unsere Arbeitsweise grundlegend neu überdenken, uns auf eine Zunahme der Landkonflikte einstellen und deutlich mehr Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit machen. Aber erst einmal sind wir um Jahre zurückgeworfen worden“.
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